Jedes Jahr der gleiche Frust: Wenn das Statistische Bundesamt seine Zahlen herausrückt, bekommen die Frauen wieder einmal unter die Nase gerieben, dass sie die Deppen der Nation sind: Nicht nur, dass Frauen nach wie vor die Hauptlast der Familienarbeit tragen, sie verdienen auf gleichwertigen Arbeitsstellen auch immer noch durchschnittlich 22 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen. Gar nicht zu reden davon, dass Männerberufe ohnehin besser bezahlt sind als typisch „weibliche“, daran ändert auch alles symbolische Aufwertungsgerede (wie etwa hinsichtlich der Pflegeberufe) nichts.
Und die Schere spreizt sich mit zunehmendem Alter und den Sprüngen auf der Karriereleiter sogar noch weiter: Frauen in Führungspositionen gehen mit einem Drittel weniger Gehalt nach Hause. Nun ist mein Mitleid mit Chefinnen ja eher begrenzt, aber was sich daran ablesen lässt, ist, dass Männer offenbar immer noch als Familienverdiener angesehen werden, die dann nicht nur vom höheren Einkommen, sondern zusätzlich noch vom Ehegattensplitting profitieren.
Interessant ist dagegen, dass immer, wenn die EU die Mitgliedsstaaten dazu zwingt, die Gleichberechtigung voranzutreiben, Frauen plötzlich zum Negativmaßstab werden. Das lässt sich bilderbuchmäßig an den ab dem 21. Dezember geltenden Unisex-Tarifen in der privaten Versicherungswirtschaft studieren. Ab diesem Zeitpunkt dürfen Versicherer keine nach Geschlechtern differenzierten Produkte mehr auf den Markt bringen.
Gleichmacherei?
Das heißt, dass künftig etwa die Prämie für private Krankenversicherungen für Männer um 35 Prozent steigen wird. Andererseits könnte die Kfz-Versicherung für Frauen teurer werden. Der Grund ist, dass das Risiko nicht mehr geschlechtsspezifisch kalkuliert werden darf. Deshalb, wettert der Gesamtverband der Versicherer, führten Unisex-Tarife nicht zu mehr Gleichberechtigung, sondern zu Gleichmacherei. Und die Versicherungen schickten schnell noch einmal ihre Vertreter-Armada mit den alten Verträgen auf einen großen Fischzug.
Theoretisch gesehen, hatte die geschlechtsspezifische Risikobewertung der Versicherungen übrigens eine hohe Aussagekraft, wurde an ihr doch deutlich, welches Risiko es bedeutet, als Frau auf die Welt zu kommen. Praktisch allerdings läuten die neuen Unisex-Tarife zumindest bei Kranken- und Lebensversicherungen das Zeitalter der Solidarität ein. Womit sich Privatversicherungen, genau genommen, überflüssig machen.
Mehr Informationen und eine Infografik zum Thema von 1A Verbraucherportal
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