Zickenkäse

linksbündig Die Mär vom Putzfrauenhimmel und das Unbehagen am weich gespülten Feminismus

Eigentlich sollte man der Frau dankbar sein. Da räumt sie, um den Ruf einer ältlichen Dame namens Tagesschau besorgt, nicht nur ihren Job als Nachrichtensprecherin; mit ihren Meldungen von der Geschlechterfront verhilft sie nach eigener Auskunft einer "schweigenden Mehrheit" auch noch zu ihrem Ausdruck. Emanzipation, sagt Moderatorin Eva Herman lapidar, bedeute Kinderlosigkeit oder permanente Überforderung, die Frauen hätten das Glück am Herd eingetauscht gegen eine kalte Karrierewelt, und überhaupt: Emanzipation ist Unglück und demografischer Untergang.

Nach dem Outing des Großschriftstellers Grass, dem die Nazis im Sinne Benjamins auch einmal zu "seinem Ausdruck" verhalfen und der nun in Erklärungsnöte geraten ist, hat die Republik einen weiteren Medienskandal. Doch wie es sich für eine Frau gehört, ist Eva Hermann nicht wie Grass mit der Tür ins Haus gefallen, sondern hat ihre Nachricht appetitlich portioniert und als Appetizer serviert. Mit Medienhäppchen anfütternd, bringt sie sich provozierend ins Gespräch und steigert die Gier nach mehr.

Man könnte den Fall Grass und den Fall Herman getrost als ausgefuchste Marketingstrategie erledigen, bliebe in beiden Fällen nicht ein Unbehagen in der Kultur und winkte das Verdrängte nicht aufdringlich über den heimischen Gartenzaun. Im Fall Grass verübelt das aufgeklärte Publikum ihrem Matador das Schweigen, das auf es selbst zurückfällt. Im Fall Herman - wenn man diesen Absud gequirlten Zickenkäses überhaupt einen Moment lang auf die Höhe des Vergleichs heben will - ist es die Ahnung, dass irgendwo etwas gründlich schief gelaufen sein muss, wenn Sachbuchschnulzen wie Das Eva-Prinzip überhaupt zur Kenntnis genommen werden.

Dabei kann das, was nun weich gewaschen in den Niederungen des Mediengeschwätzes angekommen ist, auf "seriöse" Vorarbeit bauen. Hirnforscher bemühen sich seit vielen Jahren um den Nachweis eines Substrats für den "kleinen großen Unterschied" und kolportieren, was schon ein gewisser Weininger behauptete: Mann- und Frausein ist im Gehirn angelegt. Dass Männer und Frauen bloße Anhängsel ihrer Hormonhaushalte und Gene sein sollen, ist nicht besonders neu. Biologie ist Bestimmung immer dann, wenn das Soziale versagt. Dann werden die Frauen als Ausputzerinnen auch schon mal in den Himmel gehoben. Allerdings nur in den Putzfrauenhimmel, den ja auch Frau Herman so attraktiv findet.

Brauchen wir etwa einen neuen Feminismus?, fragt dieser Tage die um die Früchte der Emanzipation besorgte Zeit. Es hat lange gedauert, bis das, was in den USA seit zwei Jahrzehnten als Backlash gehandelt wird - die Tatsache, dass Männer zurückschlagen und, Merkel hin oder her, kaum gewillt sind, den Frauen das Feld zu überlassen - in der deutschen Medienrealität angekommen ist. Was für die meisten Frauen nicht nur gefühlte, sondern tagtäglich erfahrene Realität ist - auf dem Jobmarkt nach wie vor benachteiligt zu sein, noch immer die Hauptlast der Familienarbeit zu schultern und in die prekären Randzonen der Gesellschaft abgedrängt zu werden -, scheint selten in die gedämpften Verkleidungen der Talk-Studios und die sozial abgedichteten Redaktionsstuben zu dringen. Jetzt reiben sich die Kolleginnen überrascht die Augen und merken, dass nicht der Schein das Sein macht.

Vielleicht liegt der Fehler an der falschen Ausgangsfrage. Wollten wir den Männern wirklich nur die Hälfte abjagen beziehungsweise ihnen die Hälfte aufbürden? Oder war es nicht die Hälfte des Himmels (wohlgemerkt nicht des Putzfrauenhimmels!)? Der aber hatte einen weiteren Horizont. Er endete nicht beim Lehrstuhl, in der Vorstandsetage oder im Kanzleramt, und er war auch nicht möbliert mit alten Ämtern und Privilegien, die es nur zu übernehmen, zu teilen und zu verteidigen galt.

Davon wollen Eva Herman und auch die meisten, die ihren Schmöker wohlfeil verreißen, nichts wissen. Wir werden also weiter über das "Vereinbarkeitsproblem" und den "Preis des Erfolgs" diskutieren, als würde die Realität nicht vorführen, dass man das Gros der Frauen (und viele Männer, zugegeben) gar nicht braucht. Die herbe Seite des "Eva-Prinzips" hat sich hinter unserem Rücken schon längst durchgesetzt. Und für die meisten ist das kein Füllhorn des Glücks, daran wird auch eine Nachrichtensprecherin mit garantiertem Rückkehrrecht nichts ändern.

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Geschrieben von

Ulrike Baureithel

Redakteurin „Politik“ (Freie Mitarbeiterin)

Ulrike Baureithel studierte nach ihrer Berufsausbildung Literaturwissenschaft, Geschichte und Soziologie und arbeitete während des Studiums bereits journalistisch. 1990 kam sie nach Berlin zur Volkszeitung, war im November 1990 Mitbegründerin des Freitag und langjährige Redakteurin in verschiedenen Ressorts. Seit 2009 schreibt sie dort als thematische Allrounderin, zuletzt vor allem zuständig für das Pandemiegeschehen. Sie ist außerdem Buchautorin, Lektorin und seit 1997 Lehrbeauftragte am Institut für deutsche Literatur der Humboldt Universität zu Berlin.

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