Seit Sommer 2013 verhandeln die Europäische Union und USA das Transatlantische Freihandelsabkommen (TTIP). Es handelt sich um ein Freihandels- und Investitionsschutzabkommen in Form eines völkerrechtlichen Vertrags. Neben den Befürwortern (Großkonzerne aus USA und Europa, amtierende Handelspolitiker, Industrielobbyverbände) wird die Gruppe der KritikerInnen immer größer. Nicht nur VertreterInnen von europäischen Mitgliedstaaten, aus Gemeinden und Städten, von regional wirtschaftenden Bauern, auch besorgte VerbraucherInnen, Gewerkschaften, der Deutsche Kulturrat oder Umwelt- und Entwicklungsverbände protestieren gegen Inhalt und Form der Verhandlungen. Dazu kommen Unternehmensverbände wie der Bundesverband der Mittelständischen Wirtschaft und UnternehmensGrün, der Bundesverband der grünen Wirtschaft, die das TTIP in seiner jetzigen Form ablehnen.
Anders als von den herkömmlichen Wirtschaftsverbänden suggeriert, gibt es keine einige „TTIP-Fangemeinde“ bei den Unternehmen. Gerade im Mittelstand sind die Bedenken groß, weil die wohlklingenden Versprechungen nicht belegbar sind. Im Gegenteil. Gerade kleine und mittlere Unternehmen werden nicht von Investor-Staat-Klagen profitieren, nachhaltige Unternehmen werden in ihrer Marktposition geschwächt und regionale Strukturen gefährdet.
Die tatsächliche Gefahr von TTIP besteht nicht nur darin, dass bestehende Standards abgesenkt, sondern dass heutige unzureichende Standards zementiert und nicht verbessert werden. Mit Blick auf die agrarindustrielle Produktion in den
USA muss befürchtet werden, dass die europäische bäuerliche und artgerechte Fleischerzeugung im ökonomischen Wettbewerb nicht mithalten kann. Die Pläne der USA, genmanipulierte Produkte nur noch per Strichcode kenntlich zu machen, sind alarmierend. Bruno Jöbkes, stellvertretender Geschäftsführer der Großschlachterei Thönes findet das auch: „Unsere Esskultur ist für uns als mittelständischen Fleischverarbeiter sehr wichtig. Wir haben hier in Europa vergleichsweise hohe Standards.
Wir als Unternehmen müssen darauf vertrauen können, dass diese Standards auch künftig gelten. Mit TTIP droht die Absen- kung von Standards und der Einsatz von gentechnisch veränderten Pflanzen – das wäre ein riesiger Rückschritt.“
Welche Auswirkungen TTIP auf kleine und mittlere Unternehmen in den verschiedenen Branchen haben könnte – dazu gibt es keine belastbaren Aussagen. Doch bereits bestehende Handelsabkommen können evaluiert werden. Hier gibt es beispielsweise die Studien von ÖFSE und CEPR-DC, die 20 Jahre NAFTA-Handelsabkommen ausgewertet haben. Beide Studien kommen zum Ergebnis, dass es extrem negative Auswirkungen auf zum Beispiel die Kleinbauern in Mexiko hatte, da bäuerliche Familienbetriebe verdrängt wurden. Insgesamt führte NAFTA zu einem Nettoverlust von 1,9 Millionen Arbeitsplätzen in Mexiko.
Unternehmer wie Nikolai Fuchs, Vorsitzender des Unternehmensrats beim Handelskontor Willmann, fordern daher mit Blick auf die Agrar- und Ernährungswirtschaft eine besondere Sensibilität. „Freihandel ist grundsätzlich nichts Schlechtes. Aber Landwirtschaft und die Ernährungsbranche brauchen darin eigene Regeln. Das Wesen der Land- und Ernährungswirtschaft ist im Kern regional, der Handel ergänzt – so leben wir das auch im Unternehmen.“
Faire und nachhaltige Handelsabkommen
Der Bundesverband der grünen Wirtschaft UnternehmensGrün fordert den Stopp der TTIP-Verhandlungen, lehnt das geplante Investitionsschutzabkommen und den regulatorischen Kooperationsrat ab. Sollten die Verhandlungen neu aufgenommen werden, müssten die höchsten Umwelt- und Sozialstandards die Grundlage der Verhandlungen sein. Daneben sind transparente und demokratisch-legitimierte Verhandlungsstrukturen essentiell. Handelsabkommen müssen im 21. Jahrhundert im Rahmen intensiver Debatten in Gesellschaft und Parlament entwickelt werden – nicht im Hinterzimmer von wenigen Lobbyisten der großen Konzerne.
Um kleine und mittlere Unternehmen aktiv in den TTIP-Diskurs einzubinden, engagiert sich der Verband in der europäischen MORE Initiative. Diese „Initiative für Verantwortung in Handelsabkommen“ (Movement for Responsibility in Trade Agreements) arbeitet mit kleinen und mittleren Unternehmen zusammen. Die Initiative wird vom Impulsgeber Schöpflin Stiftung und weiteren europäischen Stiftungen finanziert.
Dieser Artikel ist Teil des Freitag Extra Grün wirtschaften – Nachhaltigkeit weiterdenken in Kooperation mit UnternehmensGrün
Dieser Artikel ist Teil des Freitag Extra Grün wirtschaften – Nachhaltigkeit weiterdenken in Kooperation mit UnternehmensGrün
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