Statt Greenwashing

Aussagekraft Die „Gemeinwohl-Matrix“ bezieht Unternehmenspraktiken auf ethische Werte

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Friedrich Z. stockt der Atem. Er liest die Überschrift im Industriemagazin „EU erweitert Berichtspflicht für Unternehmen“. Was soll das? Haben wir nicht schon genug Bürokratie? Er ruft einen seiner Kunden an, der meist gut informiert ist. Die Antwort lässt ihn aufhorchen, denn der andere erinnert ihn: „Du stehst doch gut da, kaufst nicht beim Billighuber ein, sondern achtest auf die Arbeitsbedingungen bei Lieferanten. Erst kürzlich hast du die Wärmepumpe in der neuen Halle installiert. Das sind Themen, die berichtet werden sollen. Da kannst du punkten!“

Unternehmen beeinflussen mit ihren täglichen Entscheidungen die Lebensqualität der Gesellschaft, Umwelt und Klima. Sie koordinieren die Stationen der Wertschöpfung. Wie hoch ist der Anteil erneuerbarer Energien? Wie viel Abfall entsteht und wie wird damit umgegangen? Wird Material aus erneuerbaren Ressourcen bzw. aus Recycling verwendet? Haben die Mitarbeiter Zugang zu Fortbildung? Wie wird der Kunde im Fall von Reklamationen behandelt? Wie verhält sich das Unternehmen in der lokalen Wirtschaft?

Die Antworten auf diese Fragen bleiben bisher manchmal im Dunkeln. Umso mehr, je weniger dafür getan wird. Unternehmen, die Nutzen für alle schaffen, haben aber keinen Grund, sich zu verstecken. Gut für die Imagepflege ist ein transparenter Umgang allemal.

Die Europäische Kommission schafft den gesetzlichen Rahmen für die Transparenz der Unternehmenstätigkeiten. Das ist gut für Unternehmen, weil damit solides, ehrliches, weitsichtiges Wirtschaften bestärkt wird. Friedrich Z. hat sich umgehört. Der Gedanke, dass sein Bemühen, anständig zu wirtschaften jetzt sogar ein gesetzlich festgelegtes Interesse erfährt, beginnt ihm zu gefallen. Wie kann ein Unternehmen seine Qualität von anständiger Führung sichtbar machen? Heutzutage sagen ja fast alle seiner Wettbewerber, sie wirtschafteten „nachhaltig“.

Es gibt verschiedene Instrumente im Nachhaltigkeitsreporting. Letztlich kommt es immer auf die Absicht an: Wer gute Daten eingibt, erhält einen aussagefähigen Bericht. Die meisten Konzerne benutzen den investorgetriebenen Global Reporting Index (GRI), der sicherstellt, dass die Daten nach einheitlichen Standards erhoben werden. Da häufig eine Vielzahl von Daten berichtet wird, leidet der Überblick und es entsteht keine Orientierungshilfe für die Unternehmensentwicklung.

Der Deutsche Nachhaltigkeitskodex (DNK) macht die Berichterstellung einfacher, indem er durch die Datenmasse des GRI führt. Letztlich führen GRI und DNK zu einer Fülle von Informationen, die nur bei intensivem Eindringen in die Materie aussagefähig ist. Die Qualität der

Nachhaltigkeitsleistung im Unternehmensvergleich wird nicht sichtbar. Damit bleiben die Berichte für die Versuchungen des Greenwashing anfällig – auch magere Leistungen fallen im Datenmaterial nicht auf. Weitere Anregungen für inhaltliche Tiefe enthält die ISO Norm 26000 – jedoch sind die Berichte, die mit den bisher genannten Systematiken erstellt werden, nicht zertifizierbar. Damit fehlt ein wichtiger vertrauensbildender Schritt. Das Environmental Management System (EMAS) ist ein anerkanntes Umweltmanagement-System, das zu beständigen Verbesserungen im Umweltbereich anleitet. Die Daten werden durch Audits zertifiziert. EMAS erfordert allerdings einen hohen bürokratischen Aufwand des Dokumentierens.

Messbarkeit, Vergleichbarkeit, Transparenz

Frischer Wind kommt durch die Matrix der Gemeinwohl-Ökonomie (GWÖ) in die Berichterstellung. Die GWÖ Matrix bezieht die Unternehmenspraktiken auf ethische Werte (Menschenrechte, Solidarität, Ökologie, Soziale Gerechtigkeit, Beteiligung und Transparenz) und stellt dar, wie diese Werte im Umgang mit den Stakeholder-Gruppen umgesetzt werden. Das unternehmerische Handeln wird mit Punkten anhand der Vorstellungen der GWÖ von „good practices“ bewertet. Dadurch entsteht Messbarkeit und Vergleichbarkeit in dieser komplexen Materie. Die GWÖ Matrix ist doppelt nützlich für das Unternehmen: nicht nur als Berichts-, sondern auch als Steuerungsinstrument. Die Matrix erzeugt ein Stärken- und Schwächenprofil, aus dem sich Hinweise auf weitere Verbesserungen ableiten lassen. Es entsteht ein Gesamtüberblick für alle Interessierten, der zeigt, inwieweit das Unternehmen gesellschaftliche Anliegen und Herausforderungen aufnimmt. Greenwashing ist kein Thema mehr, denn die Leistung wird transparent, übersichtlich und vergleichbar dargestellt.

Eine Nachhaltigkeits-Berichterstattung dient der Vertrauensbildung gegenüber den Anspruchsgruppen des Unternehmens und liegt somit in dessen ureigenem Interesse. Die Matrix der Gemeinwohl-Ökonomie ist sehr geeignet für eine transparente, verbesserungsorientierte Berichterstattung. Friedrich Z. entscheidet sich für die Erstellung einer Gemeinwohl- Matrix. „Die Gespräche mit meiner Bank und mit vielen Kunden haben jetzt eine wesentlich bessere Grundlage. Die finden den Einblick in mein Unternehmen sehr nützlich und vertrauensbildend“, berichtet er, zufrieden lächelnd.

Dieser Artikel ist Teil des Freitag Extra Grün wirtschaften – Nachhaltigkeit weiterdenken in Kooperation mit UnternehmensGrün

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UnternehmensGrün treffen

Vernetzung nachhaltiger Start-ups: Im Rahmen des Projektes „Ökologisches und nachhaltiges Wirtschaften europäisch denken“ organisierte UnternehmensGrün ein erstes Vernetzungstreffen nachhaltiger Gründer im Impact Hub Madrid. Das Projekt wurde durch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit und das Umweltbundesamt gefördert. Die grünen Start-ups diskutierten zum Beispiel, welche Hindernisse und Barrieren bei der Gründung zu überwinden waren. Die TeilnehmerInnen identifizierten gemeinsam Erfolgsfaktoren und notwendige Rahmenbedingungen, die in einem Leitfaden für nachhaltige Gründungen aufbereitet werden. Dieser Leitfaden ist als Download erhältlich.

Neben festen Veranstaltungsreihen wie der „Umwelt-Wirtschaftsethik“ gibt es verschiedene Termine in den Regionen, entweder als Netzwerk-Stammtisch zum Austauschen oder mit einem konkreten Thema (zum Beispiel zu Gentechnik, Cradle to Cradle, Energiewende selber machen).

Vom 23.-24. Oktober findet in Kooperation mit der Heinrich-Böll-Stiftung die Jahrestagung 2015 statt. Kommen Sie nach Berlin und diskutieren Sie mit grünen Unternehmerinnen und Unternehmern darüber, wie sich die Rahmenbedingungen für nachhaltiges Wirtschaften ändern müssen.

Ort: Heinrich-Böll-Stiftung, Schumannstraße 8, 10117 Berlin

Gerd Hofielen ist Organisationspsychologe, Betriebswirt und Geschäftsführer des Humanistic Management Center, dessen Ziel es ist, ethische Prinzipien in Unternehmensentscheidungen zu verankern

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Gerd Hofielen | UnternehmensGrün

UnternehmensGrün e.V. ist ein ökologisch orientierter Unternehmensverband

UnternehmensGrün

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