Zwei vor, einen zurück

Photovoltaik Zwei vor, einen zurück. So kommt man nur halb so schnell vorwärts. Dreht man gar die Reihenfolge um, geht unterwegs garantiert die Luft aus.

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Die Ausgangslage

Es war einmal ... eine Bundesregierung, die auszog, den Klimawandel zu stoppen. Eigentlich nicht den Klimawandel selbst, denn den macht die Sonne, sondern das, was man auch naturwissenschaftlichen Laien auf einem Bierdeckel aufmalen kann: das böse CO2 mit seinem Treibhauseffekt. Nicht dazugemalt wurden die reichlich zu erschließenden Quellen für Steuern und Abgaben.

Erneuerbare Energien sind die einzige Lösung, das ist jedem klar. Genug Geld ist vorhanden, um darin zu investieren, so die allgemeine Ansicht. Deutschland ist reich. Wir können uns das locker leisten und nebenbei noch die Kohleförderung einstellen und die Atomkraftwerke abschalten. Mit ausreichender Anschubfinanzierung kommen verkaufbare Produkte dabei heraus, mit denen der Weltmarkt aufgerollt werden kann.

Die Fehlzündung

Eine klassische Win-Win-Situation. Ärmel hoch, los geht's! Mit gigantischen Mitteln wurde und wird, dem Vertrauensschutz geschuldet, gefördert, was mit ein wenig Nachdenken als rückschrittlich hätte erkannt werden können: Vermeintliche High-Tech-Lösungen, die keine sind. Für Wasser- und Windkraft, Biogas & Co. ist nun kein Geld mehr aufzutreiben, lastet doch auf der Kilowattstunde Strom bereits eine EEG-Abgabe, die etwa das doppelte der unmittelbaren Gestehungskosten einer Kilowattstunde konventionell erzeugten Stroms beträgt. Wie konnte das passieren?

Die Technik

Photovoltaik ist an sich keine schlechte Idee. Die Sonne liefert für jeden Quadratmeter der Erdoberfläche ca. 1400 Watt an Lichtenergie, tagaus, tagein. Selbst für den dicksten Verbraucher eines gewöhnlichen Haushalts, den elektrischen Backofen, genügte die Fläche eines winzigen Wohnklos, um diese Energie einzufangen. Das Einfangen selbst ist das Problem.

Deutschland, weit weg vom Äquator, wird von der Sonne meistens eher flach bestrahlt, dazu gibt es Nacht und Wolken. Von dem 10.000fachen des weltweiten Gesamt-Energiebedarfs, das die Sonne an der oberen Atmosphäre abliefert und damit die Fantasien beflügelt, kommen hierzulande nur kümmerliche knapp 1000kWh/m2 im Jahr am Boden an. Auch kann man Solarzellen nicht optimal auf die Sonne ausrichten, wenn man sie auf vorhandene Dächer schrauben will. Lästige Bäume werfen Schatten, die will man dennoch nicht unbedingt fällen.

Von diesem Wenigen geht das allermeiste bei der ersten Stufe der Energieumwandlung verloren, der Umwandlung des Lichts in elektrische Energie. 15% Wirkungsgrad bei optimaler Beleuchtung und passender Umgebungskälte sind schon wirklich gut, der Rekord liegt aktuell bei ca. 40%. So etwas können jedoch nur NASA oder ESA bezahlen, auch die vorgenannten Solarpanels sind verdammt teuer.

Am unteren Ende der Skala rangieren Dünnschichtzellen mit einem Wirkungsgrad um die fünf Prozent. Ich habe einst eine Versuchsanlage zur Herstellung solcher Zellen besucht, damals in den blühenden Landschaften des Ostens, in Arnstadt. Salopp gesprochen wurde dort in einem Durchlaufprozeß billiges Fensterglas mit einer Wald-und-Wiesen-Chemikalie beschichtet. Das unterschied sich nicht sonderlich von dem Verfahren, mit dem die silbernen Heliumballons hergestellt werden, die man auf jeder Kirmes kaufen kann (Die Anlage selbst ist High-Tech, die Rohstoffe sind jedoch Pfennigsartikel). Ich komme darauf zurück.

Solarzellen, gleich welcher Machart, liefern Gleichstrom. Damit könnte man schon einiges anfangen, doch aus unseren Steckdosen kommt aus guten praktischen Gründen Wechselstrom. Will man die eingefangene Energie "im Netz" haben, muss eine weitere Umwandlung erfolgen. Das ist normalerweise alles andere als High-Tech. Wechselrichter, so nennt man Geräte für diesen Zweck, sind fast so alt wie die Elektrotechnik selbst. Auch sie haben einen Wirkungsgrad der, wie bei den Zellen selbst, Aufwand und Preis bestimmt. 70% gehen locker, mancher kennt solche Apparate vom Camping. Je näher man jedoch an die 100% heran will, desto klobiger und teurer werden die Geräte. Auch kann man nicht einfach so lustig in das Netz einspeisen, es fällt eine Menge an Sicherheitstechnik an.

Die Politik

Damit ist die Bühne für das bundesdeutsche Trauerspiel bereitet. In unendlich weisem Ratsschluss hat man sich in diesem unserem Lande entschieden, die rettende erneuerbare Energie dadurch zu befördern, jedem der will zu versprechen, ihm zwanzig Jahre lang jede ins Netz eingespeiste Kilowattstunde Solarstrom mit einer Mark zu vergüten. Die Betreiber anderer erneuerbarer Energien, Wasser-, Wind- oder Biogasstrom, Low-Tech ohne Exportpotential, wie man glaubte, müssen sich mit einem Fünftel davon zufriedengeben.

Die Industrie

Sofort kam, wie erwartet, die Innovationsmaschine ins Rollen. Die Fläche eines deutschen Dachs ist begrenzt. Der Wirkungsgrad wurde augenblicklich zum Mantra, denn niemand wollte auch nur einen Cent Förderung "verschenken". Hersteller von Solarzellen und -panels übertrumpften sich im Wochenrhythmus mit neuen Wirkungsgradrekorden, selbst Hersteller von Laborausrüstungen und Raumfahrtbedarf konnten ihre sündhaft aufwendigen Kreationen plötzlich in luftiger Höhe bewundern.

Jeder, der einen Lötkolben halten konnte, brachte einen Wechselrichter auf den Markt, der im doppelten Wortsinn das Blaue vom Himmel versprach. Die Aussicht auf Staatsknete schaltete den wirtschaftlichen Verstand der Käufer für lange Zeit komplett aus. Angefeuert durch eine Öko-Presse, die über jedem vergeudeten Watt Kübel der Entrüstung auskippte, wurden aus der Not physikalischer Gegebenheiten Geräte entworfen, die bei wirklich breiter Anwendung die Rohstoffquellen unseres Planeten in Windeseile leerlutschen würden, von der Lawine an Elektroschrott, die früher oder später anfallen wird, ganz abgesehen.

Trotz des gnadenlosen Kampfes um Marktanteile schafften es die Hersteller, sich großzügige Gewinnmargen einzuräumen. Die Kunden waren taub und fast blind, schielten sie doch den lieben langen Tag auf ihren rückwärts laufenden Stromzähler und zahlten weiterhin jeden geforderten Preis, wenn er nur unter dem Angebot eines anderen Anbieters lag.

Die Ernüchterung

Die Katerstimmung schlich sich von zwei Seiten heran. Dem Staat wurde klar, dass es mit den Fördermilliarden nicht auf Dauer weitergehen konnte. Schon jetzt ist absehbar, dass die Stromkunden auf Jahre hinaus mit den Folgekosten [die Zahlen dort sind richtig, Schlüsse daraus sollte der Leser besser selbst ziehen] der bereits installierten Anlagen zu kämpfen haben werden. Da sich die entstandene Photovoltaikszene in Deutschland ausschließlich durch die Subventionen halten kann – die Exportchancen der überzüchteten Dinosaurier liegen nahe Null – kippen die Anbieter reihenweise in die Insolvenz, wenn aus der Politik die leiseste Andeutung kommt, man könne die Förderung auch nur minimal reduzieren.

Die andere Backe der Zange bilden bei den Solarpanels die chinesischen, bei den Wechselrichtern vor allem die koreanischen Hersteller. Erstere können die mit viel Handarbeit verbundene Panelfertigung auf chinesischem Lohnniveau leisten, letztere wissen einfach besser als deutsche Garagenfirmen, wie man Elektronik baut, auch wenn sie von höherer Warte betrachtet sinnlos ist. Die allermeiste ist es ohnehin. Die überzogenen Margen auf dem deutschen Sondermarkt tun ihr Übriges zum Kollaps.

Man könnte sich nun zurücklehnen und das Fazit ziehen, dass man sich halt vergaloppiert und daraus gelernt habe. Leider ist nach dem einen Schritt zurück kaum zu erwarten, dass man die Kraft aufbringt, wieder zwei Schritte vorwärts zu gehen. Das werden die Stromkunden, die am Ende auch Wähler sind, nicht noch einmal mitmachen.

Die Verlierer

Unter die Räder gekommen sind bei diesem Debakel innovative Projekte wie das in Arnstadt, das zwar eine Marktnische für seine Produkte gefunden hat und weiterexistiert, aber das Potential hätte, wirklich etwas auf dem Weg zu sauberer erneuerbarer Energie beizutragen.

Auch unter die Räder gekommen sind die Millionen von Menschen in den Schwellen- und Entwicklungsländern, die, wenn sie Glück haben und eine alte Autobatterie ergattern können, auch nach Sonnenuntergang noch ein wenig Licht haben und Radio hören können. Dafür schleppen sie sie immer wieder mühsam zu einer Ladestation (das habe ich in Marokko selbst erlebt) und entrichten einen Obolus, den sie viel besser in Raten für ein erschwingliches Solarpanel mit vier oder fünf Prozent Wirkungsgrad, ganz ohne Wechselrichter und mit einem kleinen Lithiumakku investieren könnten. Die weniger Glücklichen sitzen im Dunkeln oder bezahlen für einen Liter Lampenöl am Ende 70 Dollar, weil sie sich immer nur winzige Mengen leisten können.

Die Moral

Das Geld liegt auf der Straße, sagt der Volksmund. Ja, sagte der Staat, man muss es dem ökobewussten Mittelschichtwähler in seinem Eigenheim aber auch anständig verzinsen ...

... und wenn er nicht gestorben ist, klebt er das Geld von Millionen von Mietern weiterhin sinnlos auf die Dächer.

Ein Sequel zu diesem garstigen deutschen Märchen wird gerade vorbereitet. Arbeitstitel: Elektromobilität.

Aufmacherfoto: Sean Gallup/ AFP/ Getty Images

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Geschrieben von

UnwiseNomad

Germany's greatest philosopher was a Kant.

UnwiseNomad

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