Mit wenigen Worten zerstört ein libanesischer Offizier die Illusion, dass Israel in den 33 Tagen des Krieges gegen sein Land auch nur irgendetwas erreicht haben könnte. Bei der Übertragung einer Armeeparade, die auch im israelischen Fernsehen zu sehen ist, verliest er vor den angetretenen Soldaten, die kurz darauf in den Südlibanon verlegt werden, eine Rede, von der hier ein Auszug zitiert wird: "Heute bereitet ihr euch im Namen des einheitlichen Volkswillens auf die Stationierung auf der Erde unseres verwundeten Südens vor. Ihr werdet dabei Seite an Seite stehen mit eurem Volk und den Truppen des Widerstandes, deren Beharrungsvermögen die Welt verblüfft hat und die den Ruf einer Armee zerschmettert haben, die als unbesiegbar galt."
Vereinfacht gesagt: "Der einheitliche Volkswille", das ist der Wille aller Teile der libanesischen Öffentlichkeit einschließlich der schiitischen Gemeinde. "Seite an Seite mit den Truppen des Widerstandes" - das heißt Seite an Seite mit der Hisbollah. Soweit ein Offizier der libanesischen Armee, deren Stationierung entlang der Grenze von Ehud Olmert als großer Sieg gefeiert wird, weil die Libanesen die Konfrontation mit der Hisbollah suchen und diese entwaffnen sollen. Man hatte bei uns stets die Eindruck zu erwecken versucht, diese Armee stehe unter der Verfügungsgewalt von Freunden der USA und Israels in Beirut wie Fuad Siniora, Saad Hariri und Walid Jumblatt.
Es ist kein Zufall, dass diese Übertragung im allgemeinen Fernsehgelaber ersäuft wird - wie ein Stein, den man in einen Brunnen wirft. Nach der Sendung gibt es keine Debatte, die sich der Frage widmen könnte, was all die "Erfolge" dieses Krieges wert sind.
Was gilt es zu untersuchen?
Nach jedem Krieg wird in Israel der Ruf nach einer Kommission laut. Dies gilt im Augenblick um so mehr, als ein "Trauma" zu herrschen scheint, das von Bitternis und dem Gefühl geprägt ist, eine Gelegenheit verpasst zu haben. Daher der Ruf nach einer starken Kommission, die nach Verantwortung fragt. Das war auch nach dem ersten Libanonkrieg im Sommer 1982 der Fall, der bekanntlich seinen Siedepunkt mit den Massakern in den Palästinenser-Lagern Sabra und Shatila erreichte.
Seinerzeit verweigerte die Regierung jegliche ernstzunehmende Prüfung und provozierte damit den Protest der fast mythischen 400.000 auf dem heutigen "Rabin-Platz" in Jerusalem, die keine Knesset-, sondern eine gerichtliche Untersuchung verlangten. Die öffentliche Stimmung begann zu kochen, schließlich musste der damalige Premier Menachem Begin nachgeben. Die Kahane-Kommission, die dann mit der Untersuchung beauftragt war, beschuldigte eine Reihe von Politikern und Offizieren, für das Massaker indirekt verantwortlich zu sein, so dass Verteidigungsminister Ariel Sharon keine andere Wahl blieb, als um Entlassung zu bitten.
Nach dem Jom-Kippur-Krieg von 1973 wollte die Regierung gleichfalls eine Untersuchung verweigern, aber öffentlicher Druck verschaffte sich auch hier Gehör. Das Agieren der Agranat-Kommission, der ein ehemaliger Oberbefehlshaber und zwei hochrangige Offiziere angehörten, erschien freilich recht seltsam: Sie ließ es an ernsthaften Recherchen nicht fehlen, gab der Armee alle Schuld, warf Oberbefehlshaber "Dado" Elazar aus dem Amt - sprach aber die politische Führung von jeglicher Schuld frei. Das sorgte für einen spontanen Volksaufstand, der Premierministerin Golda Meir und Verteidigungsminister Moshe Dayan zum Rücktritt zwang.
Auch diesmal versuchen Ehud Olmert und das Oberkommando, jede tiefer gehende Analyse der Ereignisse vor und nach dem 12. Juli, dem ersten Kriegstag, zu verhindern. Aber es wird am Ende kein anderer Ausweg bleiben, als eine Kommission zu bilden und mit gerichtlichen Befugnissen auszustatten. Nach dem Gesetz ist es das Kabinett, das ein solches Gremium beruft und dessen Auftrag definiert, während über die Mitglieder der Vorsitzende des Obersten Gerichts entscheidet. Und das könnte bedeuten: Wird im Fall des Libanon-Krieges nach diesem Prozedere verfahren, ist es nicht auszuschließen, dass sich Israels höchster Richter, der hoch angesehene Aharon Barak, selbst als Ausschussvorsitzenden nominiert.
Doch was gilt es zu untersuchen? Politiker und Generäle werden sich mühen, dies auf die Technik und Taktik der Kriegführung zu beschränken: Warum war die Armee nicht auf einen Feldzug gegen Guerilla-Truppen eingestellt? Warum wurden Bodentruppen nicht bereits in den ersten beiden Wochen in Marsch gesetzt? Glaubte das Oberkommando wirklich, diesen Krieg nur aus der Luft gewinnen zu können? Von welcher Qualität waren die Berichte der Nachrichtendienste? Warum wurde nichts zum Schutz der Etappe getan, wenn doch die Gefahr durch Raketenbeschuss bekannt war? Warum wurden die Armen in Nordisrael, nachdem die Wohlhabenden die Gegend verlassen hatten, ihrem Schicksal überlassen?
Die Regierung dürfte versuchen, einen Teil der Verantwortung auf ihre Vorgänger zu lenken: Warum haben die von Ehud Barak und Ariel Sharon geführten Regierungen nur still zugesehen, während die Hisbollah stetig wuchs? Warum wurde nichts unternommen, als die Hisbollah ihre Raketendepots aufbaute?
Noch wichtiger wird es sein, zu den Wurzeln des Geschehens vorzudringen: Was hat das Trio Olmert-Peretz-Halutz dazu bewegt, nur wenige Stunden nach der Gefangennahme zweier Soldaten einen solchen Krieg zu beginnen? War es mit den Amerikanern abgesprochen, genau dies zu tun, sobald sich ein glaubhafter Vorwand fand? War es Condoleezza Rice, die darüber entschied, wann zu beginnen - wann aufzuhören war? Wollten die USA uns in einen Konflikt mit Syrien hineinziehen? Oder mit dem Iran?
Wann gibt es die nächste Runde?
Bisher hat dieser Krieg keinen Namen - nach 33 Kampftagen und 20 Tagen Waffenstillstand hat sich noch kein naheliegender finden lassen. Die Medien sprechen mit einem gewissen Sinn für Chronologie vom "II. Libanon-Krieg". Auf diese Weise wird dieser Feldzug von dem abgetrennt, was parallel dazu im Gazastreifen geschehen ist - und nach der Waffenruhe im Norden unvermindert fortgesetzt wird. Handelt es sich nicht vielleicht um ein und denselben Krieg?
Die Antwort: mit Sicherheit Ja. Eine treffendere Bezeichnung müsste daher lauten: "Krieg für den Erhalt der Siedlungen". Der Krieg gegen die Palästinenser wird geführt, um weite Teile der Westbank annektieren zu können - der Krieg im Norden wurde unter anderem geführt, um die Siedlungen auf den Golanhöhen zu halten.
Es muss laut gesagt werden: jeder der 154 toten Israelis des "II. Libanon-Krieges" starb für die Siedler der Golanhöhen. Das 155. Todesopfer dieses Krieges ist der "Konvergenzplan" - der Ehud-Olmert-Plan, mit dem sein Schöpfer noch vor fünf Monaten die Wahlen gewann und der einen unilateralen Rückzug aus Teilen der Westbank vorsah. Während der Kampfhandlungen im Libanon hatte Olmert noch verkündet, es bleibe beim Konvergenzplan. Inzwischen ließ er wissen, diesen Plan könnten wir begraben. Die "Konvergenz" sah vor, 60.000 Siedler zu entfernen - 400.000 andere jedoch in der Westbank (inklusive der Region Jerusalem) zu belassen.
Was bleibt? Kein Frieden, keine Verhandlungen, keinerlei Lösung für den mittlerweile historisch zu nennenden Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern. Auf Jahre hin scheint alles vollends festgefahren, zumindest bis wir das Duo Olmert und Peretz los sind. Ohnehin wird in ganz Israel bereits über die "nächste Runde" geredet, den entscheidenden Schlag gegen die Hisbollah, um sie dafür zu strafen, dass sie unsere Ehre beschmutzt hat. Die Gewissheit, dass ein weiterer Krieg kommen wird, ist dem Anschein nach zu einer Binsenweisheit geworden. Selbst die Zeitung Ha´aretz bezeichnet einen nächsten Waffengang als selbstverständlich.
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