Die Eselsfrage

Condoleezza Rice im Nahen Osten War diese Reise wirklich nötig?

Als uns die britische Mandatsregierung Palästinas im Zweiten Weltkrieg bewegen wollte, Benzin zu sparen, griff sie auf ein wunderbares Plakat zurück: Ein Mann reitet auf einem Esel, der ihn fragend ansieht: "Ist diese Reise wirklich nötig?" Condoleezza Rice hat uns im Nahen Osten schon wieder besucht, sie traf sich mit Königen, Präsidenten und Ministern. Das Resultat: Scheinbar Null.

In Israel hat man den Besuch so gut wie ignoriert, das Land hat andere Probleme. Der arrogante Generalstabschef Dan Halutz, der im vergangenen Sommer den Krieg im Libanon angezettelt und dann vermasselt hat, musste endlich abdanken. Da ihm kein anderer dankte, hat er sich selbst gedankt. Der unglückselige Verteidigungsminister versucht auszuharren, bis der Sturm der Kritik sich ausgetobt hat, ihm bleiben wenig Chancen. Der Premierminister mit nur noch 14 Prozent Zustimmung in den Meinungsumfragen - von allen Seiten wegen des verpfuschten Krieges angegriffen und jetzt auch noch vom Staatsanwalt wegen möglicher Korruption unter die Lupe genommen - überlebt von einem Tag zum andern. Wer hat da noch Zeit für den Besuch einer nörgelnden Tante, die nichts mitbringt?

Nur ein Detail dieser Visite hat wirklich Aufregung verursacht. Frau Rice, die in amerikanischen Karikaturen oft als Bushs Papagei zu sehen ist, hat etwas ganz Unglaubliches getan: Sie hat dem Minister Lieberman einen offiziellen Besuch abgestattet.

Was würde man sagen, wenn Kanzlerin Merkel in Frankreich Jean Marie Le Pen mit einem Termin bedacht hätte? Oder Tony Blair in Österreich auf Jörg Haider getroffen wäre? Im Vergleich zu Lieberman, schauen diese beiden Buben so harmlos aus wie Max und Moritz, denn Avigdor Lieberman ist der Prediger der ethnischen Säuberung. Er will den Judenstaat "Araber-rein" haben. Er glaubt, dass zwischen Mittelmeer und Jordanfluss kein Platz für Araber ist. Auch nicht für die 1,4 Millionen, die Bürger Israels sind.

Derzeit ist er Minister, weil Olmert seine Stimmen in der Knesset braucht. Sein pompöser Titel lautet "Minister für strategische Bedrohungen", doch ein Ministerium gibt es nicht. Als Lieberman jüngst umgerechnet fünf Millionen Euro aus dem Staatshaushalt für sein "Ministerium" forderte, wurde er im Knessetausschuss ausgelacht. Was hat sich Bush nur gedacht, als er seinen Papagei ausgerechnet zu diesem Mann fliegen ließ? Die einzige "strategische Gefahr" die Israel droht, ist eine mögliche iranische Atombombe - das jedoch dürfte mehr Sache der Armee und des Regierungschefs sein. Lieberman sollte nicht das Geringste damit zu tun haben.

Aber vielleicht war es wirklich Zweck der Reise, einen militärischen Coup gegen den Iran vorzubereiten? Viele in der Welt glauben das, auch in Israel sind nicht wenige davon überzeugt, man müsse dies früher oder später tun. Vize-Verteidigungsminister Ephraim Sneh proklamiert das ganz offen. Und George Bush ist ein verwundetes politisches Tier, und solche Tiere sind gefährlich. Er hat noch genau zwei Jahre Zeit, um irgendetwas zu tun. Ist es nicht stets eine große Versuchung, einen verlorenen mit einem "besseren" Krieg vergessen zu machen? Nur ist es für den Präsidenten momentan politisch wie auch militärisch schwierig, den Iran anzugreifen. Da liegt es nahe, Israel einzubeziehen. Schließlich hat Ehud Olmert nahezu die gleichen Probleme wie Bush: Einen so gut wie verlorenen Libanon-Krieg, schlimme Meinungsumfragen, bösartige Kritiker. Könnte da ein populäres Kriegsabenteuer nicht nützlich sein? Nur hat der Luftwaffengeneral, der für ein derartiges Unternehmen der ideale Oberkommandierende gewesen wäre, gerade abgedankt. Ohnehin ist das allgemeine Vertrauen in die Armeespitze erschüttert. Vielleicht war Condoleezza Rice auch nur unterwegs, um den Iran politisch unter Druck zu setzen.

Oder will Bush, dass die arabischen Führer seine "neue" Strategie im Irak unterstützen? Natürlich tun sie das - mit Lippenbekenntnissen. Keiner glaubt, dass es eine gute Idee ist, weitere 20.000 Soldaten in den Rachen dieser Schlacht zu werfen. Die Araber wissen nur zu gut, was dort wirklich los ist.

Möglicherweise flog Rice auch deshalb durch die Gegend, um einen gemäßigten sunnitischen Block gegen die Schiiten aufzustellen. Sollte das der Fall sein, dürfte ihr wenig Glück winken. Der andere Staat, dem eine amerikanische Attacke droht, heißt schließlich Syrien und ist zu 80 Prozent sunnitisch.

Um den Amerikanern zuvorzukommen, und offenbar in der Annahme, Israel bestimme die Politik der USA, hat Syriens Bashar al-Assad jetzt einen glaubwürdigen Frieden angeboten und über inoffizielle Kanäle seine Vorschläge lanciert. Unter anderem: die Einrichtung eines Naturparks auf den Golan-Höhen, zu dem auch Israelis Zutritt hätten. Doch Ehud Olmert hat kurzerhand alles abgelehnt. Die offizielle Erklärung lautet, das Weiße Haus erlaube uns das nicht. Also ist es doch nicht so, dass wir George Bush beherrschen.

Jedenfalls kann kein arabischer König oder Präsident daran denken, die Politik der Amerikaner wirksam zu unterstützen, solange keine wirklichen Friedensverhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern stattfinden. Genau die will Olmert nicht. Er denkt gar nicht daran, den 200.000 Siedlern den Krieg zu erklären. Außerdem hat er praktisch schon 45 Prozent des Westjordanlandes annektiert. Da kein palästinensischer Führer - auch nicht der machtlose Mahmud Abbas - damit einverstanden sein kann, glaubt Israels Regierungschef, es wäre das Vernünftigste, mit Verhandlungen gar nicht erst anzufangen. Die so genannte Road Map, dieses tot geborene Kind, das Condoleezza jüngst mit sich herumschleppte, als wäre es lebendig und kerngesund, interessiert weder Olmert noch Abbas. Es bleibt die Eselsfrage: War diese Reise wirklich nötig?


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