Gerade hatte ich ein Erlebnis von nostalgischem Wert, ich traf die Parlamentsdelegation eines europäischen Landes. Was diese Zusammenkunft für mich so besonders machte, war der Ort, an dem sie stattfand. Der Pasha Room des American Colony-Hotels in Ostjerusalem ist ein wunderschöner quadratischer Raum im traditionellen arabischem Stil. In ebendiesem Raum habe ich mich auch in jenem Moment aufgehalten, als Yitzhak Rabin 1993 bei der Zeremonie zur Unterzeichnung des Oslo-Abkommens vor dem Weißen Haus Jassir Arafat die Hand reichte.
Wir – israelische Friedensaktivisten und Führer der Fatah – hatten uns spontan versammelt, das Ereignis zu feiern. Wir verfolgten die Geschehnisse auf dem Fernsehbildschirm und ließen Champagnerkorken knallen. Einen habe ich noch. Nur eine Stunde zuvor war ich damals Zeuge eines nicht weniger spektakulären Vorgangs geworden. Eine Gruppe junger Palästinenser marschierte außer sich vor Freude durch die Straßen. In den Händen trugen sie Olivenzweige, über ihren Köpfen wehte eine riesige palästinensische Flagge. An einer Straßenecke erwartete sie schon die Grenzpolizei, jene israelische Einheit, die am aggressivsten gegen Araber vorgeht. Seinerzeit stellte schon der bloße Besitz einer palästinensischen Flagge ein Verbrechen dar.
Einen Augenblick lang hielten wir den Atem an. Was würde passieren? Die Palästinenser rannten auf die Polizisten zu und drückten ihnen Olivenzweige in die Hände. Die wussten nicht, was sie tun sollten. Sie waren offenbar in einem Zustand totaler Orientierungslosigkeit und reagierten einfach gar nicht. Die enthusiastischen jungen Leute setzten ihren Weg durch die Straßen Ostjerusalems singend und jubelnd fort.
Als Scharm el-Scheich noch Ophira hieß
Heute, mehr als 15 Jahre später, kann man nur mit Sehnsucht auf die Friedensbegeisterung zurückblicken, die uns alle damals ergriffen hatte. Nichts ist übrig geblieben von der Inbrunst, der Hoffnung, dem Willen zur Versöhnung – stattdessen gibt es eine giftige Mischung aus Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung. Fragt man auf einer Straße in Tel Aviv zehn zufällig vorbei gehende Menschen, welche Chance sie dem Frieden einräumen, werden neun von ihnen mit den Schultern zucken und sagen: Den wird es nicht geben. Keine Chance. Der Konflikt wird einfach immer weiter gehen.
Was sie nicht sagen werden, das ist der Satz: Wir wollen keinen Frieden, der Preis wäre zu hoch. Ganz im Gegenteil werden viele erklären, sie seien bereit, die besetzten Gebiete, ja sogar Ostjerusalem zurückzugeben und den Palästinensern einen eigenen Staat zuzugestehen. Sicher. Warum nicht? Aber, werden sie hinzufügen: Dazu wird es nicht kommen. Es wird keinen Frieden geben.
Diese Stimmung hat sich jüngst bei den Knessetwahlen in einem allgemeinen Rechtsruck manifestiert: Die Linken haben die Kadima gewählt, die Kadima-Anhänger die Likud, die Likud-Anhänger gaben faschistoiden Gruppierungen ihre Stimme. Die Erklärung dadfür lautet, ohne Hoffnung gibt es keine Linke. Die Linke ist von Natur aus optimistisch, hegt den Glauben an eine bessere Zukunft und daran, dass alles sich zum Guten wenden lässt. Die Rechte ist naturgemäß pessimistisch. Sie glaubt nicht, dass es möglich sei, die Natur des Menschen zum Besseren zu wenden. Sie ist überzeugt, der Krieg sei ein Naturgesetz.
Doch unter denjenigen die verzweifeln, gibt es immer noch diejenigen, die hoffen, dass eine Intervention von außen – durch Amerikaner, Europäer oder sogar Araber – uns den Frieden bringen wird. Anfang des Monats wurde nun auch diese Hoffnung schwer erschüttert.
Im Fernsehen sah man eine eindrucksvolle Konferenz, eine große Versammlung der Regierenden aus aller Welt, die alle nach Scharm el-Scheich gekommen waren. Erinnern Sie sich noch daran, dass diese Stadt während der israelischen Besetzung des Sinai Ophira genannt wurde? Daran, dass unser damaliger Verteidigungsminister Mosche Dayan sagte, er wolle lieber Scharm el-Scheich ohne Frieden, als Frieden ohne Scharm el-Scheich?
An diesem 2. März 2009 waren sie alle da! Chinesen und Japaner, Schulter an Schulter mit den Saudis und den Qataris. Nicholas Sarkozy war überall gleichzeitig – es war geradezu unmöglich, ein Foto zu machen, auf dem der hyperaktive Präsident nicht irgendwo zu sehen war. Der Star der Veranstaltung war Hillary Clinton – Präsident Mubarak seinerseits rühmte sich, alle auf ägyptischem Boden zusammengebracht zu haben. Zu welchem Zweck? Für das kleine, arme Gaza, das wiederaufgebaut werden muss.
Was man erlebte, war ein Fest der scheinheiligen Heuchelei, in allerbester Tradition der internationalen Diplomatie. Es fängt damit an, dass niemand aus Gaza anwesend war. Wie in den Hochzeiten des europäischen Imperialismus vor 150 Jahren wurde über das Schicksal eines Volkes entschieden, ohne dass dieses selbst zugegen war. Wozu auch? So was macht man lieber ohne Primitive wie die.
Nicht nur Hamas fehlte, auch eine Delegation von Geschäftsleuten und Bürgerrechtlern aus Gaza durfte nicht kommen. Es war ihnen einfach nicht erlaubt worden, in Rafah die Grenze zu passieren. Das Tor des Gefängnisses namens Gaza wurde von den ägyptischen Aufsehern verriegelt.
Die Abwesenheit von Delegierten aus Gaza machte die Konferenz zur Farce. Die Hamas ist in Gaza an der Macht. Sie hat dort – wie in allen palästinensischen Gebieten – die Wahlen gewonnen und regiert noch immer, obwohl eine der mächtigsten Armeen der Welt 22 Tage lang versucht hat, sie zu stürzen. In Gaza wird nichts ohne Zustimmung von Hamas passieren. Die Entscheidung, Gaza ohne deren Beteiligung wieder aufbauen zu wollen, ist schiere Torheit.
Zwei Staaten für zwei Völker
Ob vielleicht der politische Teil der Aufführung ernstzunehmender war? Hillary redete von „zwei Staaten für zwei Völker“, andere vom „politischen Prozess“ und „Friedensverhandlungen“. Und sie alle, jeder einzelne, wussten, dass es sich dabei um leere Worte handelte. In seinem Gedicht If fragt Rudyard Kipling: “Kannst du ertragen, wenn Schurken die Wahrheit, die du gesprochen / verdrehen, um Narren zu verleiten?“. All diejenigen, die vor 60 Jahren an der Wiege der „Zwei-Staaten-Lösung“ standen, werden nun auf diese Probe gestellt.
Diese Vision bleibt die allein aussichtsreiche Lösung – die einzig realistische Alternative ist der Fortbestand der derzeitigen Situation, sind Besatzung, Unterdrückung, Apartheid und Krieg. Die Feinde dieser Vision behaupten bei jeder Gelegenheit, diese Lösung zu unterstützen. Der Rechtspopulist Avigdor Liberman ist für eine „Zwei-Staaten-Lösung“. Aber absolut. Und so stellt er sich das vor: Mehrere palästinensische Enklaven, von denen jede von israelischem Militär und von Siedlern – wie ihm selbst – umgeben ist. Dieses Bantustan wird dann als „palästinensischer Staat“ bezeichnet. In der Tat eine perfekte Lösung: der Staat Israel wird von Arabern gesäubert sein, aber weiterhin die Kontrolle über die gesamte Westbank und den Gazastreifen ausüben.
Benjamin Netanyahu hat eine ähnliche Vision, bei ihm klingt es nur etwa anders: die Araber werden „selbst regieren“. Sie werden in ihren Städten und Dörfern regieren, aber nicht die Macht über ihre Gebiete haben. Weder über die Westbank noch über den Gazastreifen. Eine Armee werden sie selbstverständlich nicht haben, auch nicht die Hoheit im Luftraum über ihren Köpfen. Genauso wenig wie direkten Kontakt mit ihren Nachbarländern. Bei Begin hieß das „Autonomie“. Tzipi Livni wiederum will „zwei Nationalstaaten“. Yes Ma’am, wann denn? Nun ja, erst einmal muss es Verhandlungen geben. Von unbefristeter Länge. In den Jahren, in denen sie diese Verhandlungen führte, haben sie allerdings nirgendwohin geführt. Wie lange sollen sich diese Verhandlungen noch hinziehen? Fünf Jahre? 50? 500?
Ehud Barak als Feigenblatt einer rechten Regierung?
Auch Hillary Clinton spricht – mit großem Elan – von den „zwei Staaten“. Sie ist bereit, mit jeder israelischen Regierung zu reden, sogar wenn die von Rechtsaußen-Politikern beeinflusst sein sollte. Hauptsache diese Regierung spricht mit Mahmud Abbas. Hauptsache, der erhält unterdessen eine Menge Geld.
Soviel dürfte feststehen: Es wird eine extrem rechtslastige Regierung geben. Die Kadima hält sich lobenswerterweise heraus. Andererseits aber versucht Ehud Barak, von dem die Behauptung „Wir haben keinen Partner für den Frieden“ stammt, verzweifelt hineinzukommen. Warum auch nicht? Er wäre nicht der erste aus seiner Partei, der politische Prostitution betreibt.
1977 verließ Mosche Dayan die Arbeitspartei, um als Außenminister und Feigenblatt für Menachem Begin zu dienen, der mit Gewalt die Errichtung eines palästinensischen Staates verhinderte. 2001 brachte Shimon Peres die Arbeiterpartei dazu, eine Regierung unter Ariel Sharon zu bilden, um dem Mann als Außenminister und Feigenblatt dienen zu können, dessen bloßer Name die Welt in Erinnerung an die Massaker von Sabra und Schatila erschaudern lässt. Warum sollte Ehud Barak nicht einer Regierung das Feigenblatt machen, in der unverhohlene Faschisten sitzen? – Wer weiß, vielleicht wird er ja bei der nächsten Konferenz in Ophira – Verzeihung, Scharm el-Scheich – die einberufen wird, nachdem Gaza wieder einmal durch einen Krieg dem Erdboden gleichmacht worden ist, als unser Repräsentant teilnehmen. Immerhin wird auch dann wieder viel Geld für den Wiederaufbau von Gaza benötigt werden.
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