Wenn man jemandem eine Falle droht, schreit man: "Pass auf!" Aber was soll man tun, wenn jemand sehenden Auges auf eine Falle zusteuert? Der Vorsitzende der Arbeitspartei, Amir Peretz, ist im Begriff, Verteidigungsminister zu werden - und er weiß, dass dies eine Falle ist. Warum tut er es trotzdem?
Seine Motive sind gewiss verständlich. Um einen fundamentalen Wechsel in Israels Sozialpolitik zu bewirken, muss er Premierminister werden, doch braucht in diesem Land - wer in ein solches Amt will - eine militärische Visitenkarte. Die jüngsten Wahlen haben dies erneut bestätigt: Peretz wollte als "sozialer" Kandidat gewinnen, und alle Umfragen bewiesen, dass er tatsächlich von einer Mehrheit als der glaubwürdigste Kandidat für soziale Belange wahrgenommen wurde. Die Schlacht aber gewann der Kandidat, der den Ort des Schlachtfeldes bestimmte. Peretz war es nicht vergönnt, Israels Sozialkonflikte ins Zentrum der Bühne zu hieven - Olmert gelang mit dem Thema "Sicherheitsfragen" genau das.
In den vergangenen 30 Jahren wurde Israel von sieben Premierministern regiert, drei von ihnen -Yitzhak Rabin, Ehud Barak und Ariel Sharon - waren Generäle, zwei - Menachem Begin und Yitzhak Shamir - hatten einen glänzenden Ruf als Kommandanten einstiger Untergrundgruppen. Shimon Peres war Verteidigungsminister, bevor er Regierungschef wurde, und gilt als Vater der israelischen Atombombe. Benjamin Netanyahu hatte nur als Hauptmann in einer Kommandoeinheit gedient, badete sich aber gern im Ruhm seines gefallenen Bruders Jonathan.
Amir Peretz benötigt also ein Zertifikat in Sicherheitsfragen, um die nächste Runde im Kampf um die Regierungsspitze bestehen zu können. Deshalb wird er Verteidigungsminister, wohl wissend, dass dies zu einer Horrorschau werden könnte. Einmal im Amt, wird er darüber zu entscheiden haben, sich den Kannibalen anzuschließen oder von ihnen gefressen zu werden.
Im Korridor, der zu seinem neuen Büro führt, hängen die Fotos sämtlicher Vorgänger. Peretz wäre gut beraten, einen Moment vor dem Bild des zweiten - dem von Pinhas Lavon - zu verharren. Auch der war ein Politiker der Arbeitspartei, dem jede "Erfahrung in Sicherheitsfragen" fehlte. 1953 überraschte Premier Ben Gurion alle, indem er Lavon zu seinem Nachfolger im Verteidigungsministerium ernannte. Es regte sich der Verdacht, dies sei eine Falle. Lavon, bis dahin die sanfteste Taube, wurde über Nacht zum kreischenden Falken. Als Soldaten bei einer Hausdurchsuchung die Möbel einer arabischen Familie zerstörten, bemerkte er zynisch: "Sie werden doch nicht aus Mahagoni gewesen sein, oder?" Minister Lavon autorisierte brutale "Vergeltungsaktionen" und billigte die Entscheidung seiner Militärs, das Regime des neuen ägyptischen Führers Gamal Abd-al-Nasser zu sabotieren.
Das Ende war traurig. Die Armee führte eine getarnte Sabotagekampagne gegen amerikanische und britische Ziele in Ägypten durch, um Zwietracht zwischen Ägypten und dem Westen zu säen. Die Aktion misslang, die Agenten gerieten in Gefangenschaft - die Armeechefs beschuldigten Lavon, der zog sich beschämt zurück.
Von Amir Peretz wird die Armee verlangen, dass er die "gezielten Tötungen" und die Erweiterung der Siedlungsblöcke (auch wenn ein paar aufgelöst werden) genehmigt. Nach einem Jahr wird man keinen Unterschied mehr zwischen ihm und seinem Vorgänger feststellen. Außerdem darf Peretz, wenn er mit den Generälen in Frieden leben will, das aufgeblasene Militärbudget kaum nennenswert kürzen, er riskiert ansonsten den Aufschrei, die Sicherheit des Staates zu gefährden, Israel der iranischen Bombe auszusetzen und schuld am Tod der Terroropfer zu sein. Wenn er sich dennoch für einen minimierten Verteidigungshaushalt entscheidet und der Generalität die Stirn bietet, wird er sich als sehr kleiner David gegen einen sehr bedrohlichen Goliath wiederfinden.
Israels "Sicherheitsestablishment" ist ein Machtzentrum - ohne Parallele in einem anderen demokratischen Staat. Es schließt nicht nur die riesige Armee und eine potente Rüstungsindustrie ein, sondern auch die Geheimdienste Mossad und Shin Beth, die allein dem Premierminister unterstehen.
Die Armee ist nicht nur eine professionelle Körperschaft, sondern auch ein ideologisches Treibhaus. Von der Vereidigung als junger Rekrut bis zum Erwerb der Generalsinsignien unterzieht sich ein Berufsoffizier einer täglichen Indoktrination, die ein nahezu unerschütterliches Weltbild in seinen Kopf pflanzt. Das nimmt er mit, wenn er aufsteigt - als Minister, Manager oder Generaldirektor eines öffentlichen Dienstleistungsbetriebes.
Gegen diese Maschinerie kann die Regierung nichts ausrichten, erst recht kein Kabinett, das von drei Zivilisten geführt wird: Ehud Olmert (der kaum Soldat war), Amir Peretz (der nur Etappenoffizier war) und Tsipi Livni (ohne signifikante Militärkarriere). Sie müssen befürchten, vom Generalstabschef angeklagt zu werden, sie hätten keine Ahnung von Militärangelegenheiten. Und sie wissen, dass die Armee eine Position hält, die wichtiger ist als jede andere (inklusive der des Premiers): der Armee-Nachrichtendienstchef allein trägt die Verantwortung für die "nationale Lagebeurteilung".
Möglicherweise will Peretz das ändern, möglicherweise will er zeigen, welch furchtloser Kämpfer er ist, indem er den oberen Offizieren eine ihnen fremde Weltsicht auferlegt, den Verteidigungsetat beschneidet und auf moralischen Standards besteht. Einige Militärexperten sagen, sollte Peretz versuchen, seine Vorstellungen zu verwirklichen, würden ihn der Generalstabschef und seine Generäle zum Frühstück verspeisen. Einige von Peretz Bewunderern glauben, er wird es sein, der dieses Mahl mit vollem Magen verlässt.
Aus dem Englischen: Ellen Rohlfs und Christoph Glanz
Was ist Ihre Meinung?
Kommentare einblendenDiskutieren Sie mit.