Mister "Macho-Macho"

Bomben auf Beirut Israel verfolgt die gleichen Ziele wie bei der Libanon-Invasion von 1982

Am Vorabend der Libanon-Invasion von 1982 sagte der damalige US-Außenminister Haig zu Ariel Sharon, bevor die Operation beginne, sei eine "klare Provokation" nötig, um für Akzeptanz in der Weltöffentlichkeit zu sorgen. Diese Provokation fand tatsächlich statt, als Abu-Nidals Terroristen versuchten, Israels Botschafter in London zu ermorden. Das Ganze stand zwar in keiner Verbindung zum Libanon und noch weniger zur PLO (sie war ein Feind Abu Nidals), aber es genügte - man hatte, worauf man wartete.

Diesmal ist die nötige Provokation durch die Hisbollah geliefert worden, die zwei israelische Soldaten gefangen nahm. Jeder weiß, dass sie nicht anders als durch Gefangenenaustausch befreit werden können. Die große Militäraktion jedoch, die seit Monaten vorbereitet ist, wird der israelischen Öffentlichkeit als Rettungsmaßnahme verkauft. Erklärtes Ziel dieser Operation ist es, die Hisbollah von der Grenze zu vertreiben und zu verhindern, dass weiter Raketen auf israelische Städte abgefeuert werden. Das erinnert an die Libanon-Operation Frieden für Galiläa von 1982. Damals wurde der Knesset erklärt, es gehe darum, die Katjuschas ins Landesinnere des Libanon abzudrängen - eine bewusste Irreführung, denn fast ein Jahr lang war keine einzige Katjuscha über die Grenze geschossen worden. Von Anfang an ging es darum, Beirut zu erreichen und dort einen willfährigen Diktator einzusetzen. Ariel Sharon selbst hat mir das neun Monate vor dem Feldzug erzählt, was ich mit seinem Einverständnis sogar veröffentlichen durfte. Freilich, ohne ihn direkt zu zitieren.

Die Idee, in Beirut ein Quisling-Regime zu installieren, ist insofern erprobt, als im Sommer 1982 im Sog des damaligen Vorstoßes der christliche Falangist Bashir Gemayel als Präsident ins Amt gehievt wurde - allerdings kurz darauf einem Attentat zum Opfer fiel. Im Sommer 2006 lautet das Kalkül, wenn die Luftwaffe genügend schwere Schläge gegen die libanesische Bevölkerung ausgeteilt, die See- und Flughäfen lahm gelegt, überhaupt die Infrastruktur zerstört hat, wird die libanesische Regierung Israels Forderungen erfüllen und die Hisbollah verbannen. Da aber Libanons Führung nicht einmal davon träumen kann, dies zu tun, wäre die Einsetzung eines Diktators durch Israel die einzige Alternative.

Ich habe Zweifel an dieser Logik. Man darf eher vermuten, dass der größte Teil der Libanesen wie jedes andere Volk auf der Welt reagiert: mit Zorn und Hass gegen die Invasoren. So geschah es 1982, als die Schiiten im Südlibanon - bis dahin so gefügig wie ein Fußabtreter - sich gegen die Besatzer erhoben und die Hisbollah gründeten, die zur stärksten Kraft des Landes wurde. Sollte sich die libanesische Elite als Kollaborateur Israels versuchen wollen, dürfte sie das von der Landkarte fegen. Nicht zufällig nahm die Hisbollah die Soldaten in einem Augenblick gefangen, da die Palästinenser aus Gaza um Beistand riefen. Sie zeigte sich als Freund in der Not, während andere Araber schmählich versagten, und hofft nun, nicht länger nur ein libanesisches Phänomen zu sein.

Weniger als drei Monate nach Bildung der Olmert-Regierung ist es ihr gelungen, Israel in einen Zwei-Fronten-Krieg zu ziehen, dessen Ziele unrealistisch und dessen Folgen nicht abzusehen sind. Sollte Olmert darauf setzen, als "Mister Macho-Macho" Sharon II. zu werden, dürfte er sich täuschen. Jeder hat längst begriffen, dass die Operationen in Gaza wie im Libanon lange von der Armee geplant waren, und Generalstabschef Dan Halutz die Entscheidungen trifft. Den einfachen Israelis bleibt nur stoischer Fatalismus, weil man ihnen erzählt, es gebe keine Alternative. Und in der Tat, wer könnte gegen diesen Krieg sein? Wer möchte nicht, dass die "entführten" Soldaten heimkehren? Wer möchte nicht, dass die Qassams entfernt werden und die Abschreckung wieder funktioniert?

"Inter arma silent musae" - "Wenn die Waffen sprechen, schweigen die Musen", heißt ein altes Sprichwort. Hier passt eher: Wenn die Kanonen donnern, hört das Gehirn auf zu arbeiten. Als der Staat Israel 1948 entstand, waren die Wände mit Plakaten zugepflastert, auf denen zu lesen war: "Das ganze Land - eine Front, das ganze Volk - eine Armee!" Seitdem sind 58 Jahre vergangen, der Slogan ist noch genau so gültig wie damals. Was sagt das über Generationen von Staatsmännern und Generälen aus?


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