Wer wird diesen Krieg gewinnen?
Noch funktioniert die Hisbollah und kämpft weiter. Allein dies wird in die Geschichtsbücher der arabischen Völker als glänzender Sieg eingehen. Wenn ein Leichtgewichtler gegen einen Schwergewichtler kämpft und in der 15. Runde immer noch steht, so ist dies ein Sieg, egal wie das Ende aussieht.
Kann die Hisbollah aus dem Grenzgebiet vertrieben werden?
Die Frage beruht auf einem Missverständnis über das Wesen der Hisbollah. Nicht zufällig wird die Organisation Hisb-Allah ("Partei Allahs") und nicht Jeish-Allah ("Armee Allahs") genannt. Es handelt sich um eine politische Organisation, die in der schiitischen Bevölkerung des Südlibanon verwurzelt ist. Praktisch vertritt sie diese Gemeinschaft. Die Schiiten machen 40 Prozent der libanesischen Bevölkerung aus - zusammen mit den anderen Muslimen bilden sie die Mehrheit im Libanon. Hisbollah kann nur "entfernt" werden, wenn die ganze schiitische Bevölkerung vertrieben wird. Das wäre eine ethnische Säuberung - ich hoffe, dass keiner daran denkt. Nach dem Krieg wird die Hisbollah weiter wachsen.
Könnten internationale Streitkräfte hilfreich sein?
Das ist ein Slogan, der besonders für Diplomaten zugeschnitten wurde, die nach einer Idee Ausschau halten, der sie zustimmen können. Sie klingt gut und besonders gut, wenn noch das Wort "robust" hinzugefügt wird.
Aber was genau soll eine "robuste internationale Truppe" dort tun? Man schlägt vor, sie solle die Hisbollah in einem bestimmten Abstand von der Grenze halten. Nicht durch Worte - wie die glücklose UNIFIL*, die jeder von Anfang an ignorierte, sondern durch Gewalt. Wenn die Aufstellung dieser Kräfte in Absprache mit beiden Seiten stattfinden sollte, das heißt, mit Israel und der Hisbollah - dann ist das in Ordnung. Dies mag sogar eine Leiter für die israelische Regierung sein, um von dem Baum herunterzukommen, auf den sie geklettert ist.
Aber wenn diese Kräfte gegen den Willen der Hisbollah dort aufgestellt werden, wird sich ein Guerillakrieg entwickeln. Wird eine internationale Streitmacht an einem Ort standhalten und kämpfen, von dem sich die mächtige Armee Israels vor sechs Jahren mit eingezogenem Schwanz zurückgezogen hat?
Bei alldem gibt es noch ein spezielles Dilemma: Was wird geschehen, wenn die Hisbollah Israel trotz der Pufferkräfte angreift? Wird Israel dann wieder in das Gebiet einmarschieren und einen Zusammenstoß mit der internationalen Truppen riskieren, zum Beispiel mit deutschen Soldaten?
Wie kann man den Verlauf der militärischen Kampagne bewerten?
Generalstabschef Dan Halutz hat die Regierung in diesen Krieg gestoßen, um zwei beschämende militärische Fehlschläge zu vertuschen: die palästinensische Kommando-Aktion in Kerem Shalom, als der Soldat Gilat Shalit entführt wurde, und die Hisbollah-Aktion an der libanesischen Grenze. Kein Offizier wurde deshalb zur Rechenschaft gezogen. Die Hauptverantwortung ruht natürlich auf dem Generalstabschef.
Halutz, der erste Generalstabschef, der aus den Reihen der Luftwaffe kommt, war davon überzeugt, dass er die Hisbollah mit einem Bombardement aus der Luft und durch Artillerie und Kriegsschiffe erledigen könne. Er hat sich gewaltig geirrt. Selbst nach der vielfältigen Zerstörung der Infrastruktur im Libanon gelang es ihm nicht, den Gegner zu besiegen.
Olmert hat erklärt, nach dem Krieg würde die Situation anders sein als vorher. Gibt es dafür ein Chance?
Absolut. Aber die Situation wird für uns viel schlimmer als vorher sein. Eines der Ziele von Hisbollah-Führer Hassan Nasrallah ist es, die Schiiten und Sunniten in einem gemeinsamen Kampf gegen Israel zu vereinigen.
Man sollte wissen, dass Sunniten und Schiiten Jahrhunderte lang Todfeinde waren. Viele orthodoxe Sunniten betrachten die Schiiten als Ketzer. Indem die Schiiten den Palästinensern zu Hilfe kommen, die ihrerseits Sunniten sind, hofft Nasrallah, eine neue Allianz zu schmieden
Im Nahen Osten könnte demnach eine neue Achse entstehen, die Hisbollah, die Palästinenser, Syrien, den Irak und den Iran einschließt. Syrien ist ein sunnitisches Land. Der Irak wird jetzt mehrheitlich von Schiiten kontrolliert, von denen die Hisbollah unterstützt wird. Aber die irakischen Sunniten, die einen harten Guerillakrieg gegen die Amerikaner führen, sympathisieren gleichfalls mit der Hisbollah.
Dieser Block erfreut sich großer Beliebtheit in der gesamten arabischen Welt, weil er gegen die USA und Israel kämpft. Der andere Block, der Saudi- Arabien, Ägypten und Jordanien einschließt, verliert täglich an Popularität.
Was sollte also getan werden?
Den israelisch-palästinensischen Konflikt beenden, der den ganzen Nahen Osten am Brodeln hält. Die Hamas aus dieser feindlichen Front herausholen, indem man mit ihr als der gewählten palästinensischen Regierung verhandelt.
Ein Abkommen mit dem Libanon erreichen. Damit es Bestand hat, müssen in diesem Abkommen die Hisbollah und Syrien mit eingeschlossen sein, was Israel verpflichtet, den Golan zurückzugeben. Man sollte sich daran erinnern, dass Ehud Barak fast schon damit einverstanden war und einen Friedensvertrag unterzeichnet hätte, ähnlich dem mit Ägypten - aber unglücklicherweise im letzten Augenblick aus Furcht vor der öffentlichen Meinung gekniffen hat.
Übersetzung: Ellen Rohlfs
(*) UN-Beobachtermission im Libanon
Was ist Ihre Meinung?
Kommentare einblendenDiskutieren Sie mit.