Zu Beginn der Wahlkampagne schrieb ich, das ganze politische System Israels werde sich nach links bewegen. Viele dachten, mit der Realität habe derartiges Wunschdenken nichts zu tun. Nun ist genau dies geschehen.
Es ist das entscheidende Ergebnis dieser Knesset-Wahl, dass der Einfluss des national-religiösen Blockes, der länger als eine Generation in Israel dominiert hat, gebrochen wurde. All diejenigen, die glaubten, die Linke sei tot und Israel dazu verurteilt, eine lange, lange Zeit vom rechten Flügel regiert zu werden, sind jetzt widerlegt. Alle rechten Parteien zusammen gewannen nur 32 Sitze - die religiösen 18. Mit 50 von 120 Sitzen im Parlament hat der rechts-religiöse Flügel seine Vetomacht verloren - er kann nicht mehr jede Maßnahme in Richtung Frieden blockieren.
Das ist ein Wendepunkt. Der Traum von Großisrael, vom Mittelmeer bis zum Jordan, ist ausgeträumt. Bezeichnenderweise hat die Nationalunion, die Partei, die sich vollkommen mit den Siedlern identifizierte, künftig nur neun Sitze - das heißt, nach dem herzzerreißenden Drama des Abzugs aus dem Gaza-Streifen bleiben die Siedler weiterhin unbeliebt. Sie haben die entscheidende Schlacht um die öffentliche Meinung verloren.
Benjamin Netanyahu erklärte vor dem 28. März - an diesem Tag werde es ein "nationales Referendum" über den Rückzug aus den besetzten Gebieten geben. Das war es dann auch - die Allgemeinheit hat überwältigend mit "Ja" gestimmt. Und das Hauptopfer ist Netanyahu selbst. Der Likud brach zusammen. Seit der Gründung durch Ariel Sharon 1973 ist diese Gruppierung zu keiner Zeit derart in die Schranken gewiesen worden.
Die aufrichtige Freude über diese Niederlage der Rechten wird freilich durch einen sehr gefährlichen Trend gedämpft: der Aufstieg von Avigdor Liebermans Partei Unser Haus Israel, eine Mutation der Rechten mit offen faschistoider Tendenz.
Lieberman, ein Einwanderer aus der früheren Sowjetunion und selbst ein Siedler, holt sich den Rückhalt hauptsächlich aus der "russischen" Gemeinde, die fast einstimmig extrem nationalistisch ist. Er ruft zur Vertreibung der Araber auf, einem Fünftel der Bevölkerung Israels - angeblich durch einen Austausch von Land, aber die Botschaft ist klar. Es gibt die üblichen Merkmale einer Partei dieses Typs: den Führerkult, den Ruf nach "Gesetz und Ordnung", den Hass gegenüber "dem inneren wie äußeren Feind".
Die freudigen Szenen im Hauptquartier der Arbeitspartei mochten manchem auf den ersten Blick übertrieben scheinen. Schließlich hat die Partei nur 19 Sitze gewonnen - wie beim letzten Mal. Doch erzählt diese Zahl nicht die ganze Geschichte, denn in der nächsten Knesset wird jede Koalition ohne Israels Labour Party nur eine theoretische Größe - um nicht zu sagen: vollkommen unmöglich sein. Noch wichtiger: Parteichef Amir Peretz, der erste "orientalisch" jüdische Führer einer großen israelischen Partei, hat den historischen Hass gegenüber den Einwanderern aus muslimischen Ländern und ihren Nachkommen überwunden. Er zerstörte die übliche Gleichung: Orientalisch gleich arm gleich rechts. Gewiss, der Zuwachs für die Arbeitspartei durch orientalische Juden ist nur mäßig. Aber keiner, der gesehen hat, wie Amir Peretz auf den offenen Marktplätzen empfangen wurde, die bisher Festungen des Likud waren, kann bezweifeln, dass sich etwas Grundsätzliches geändert hat.
Als Peretz vor kaum drei Monaten auf der Bildfläche erschien, war diese Labour Party eine wandelnde Leiche. Nun aber lebt sie, vibriert und ist aktionshungrig. Peretz könnte ein möglicher Kandidat für den Posten des Ministerpräsidenten schon bei den nächsten Wahlen sein. Bis dahin wird er sicher großen Einfluss auf die sozialen Belange und den Friedensprozess haben, denn das bleibt die Hauptfrage: Kann uns die nächste Regierung dem Frieden näher bringen?
In seiner Siegesrede rief Ehud Olmert den palästinensischen Präsidenten dazu auf, dem Frieden eine Chance zu geben - eine leere Geste. Kein Palästinenser kann die Bedingungen akzeptieren, die Olmert im Sinn hat - auch wenn der designierte Premierminister droht: Sollten die Palästinenser nicht zeigen, dass sie "Partner" sein können, würden "Israels permanente Grenzen einseitig" festgelegt und zwischen 15 und 55 Prozent der Westbank annektiert. Es ist andererseits nicht ausgeschlossen, dass die gesamte Grenzziehung unter dem Vorwand aufgeschoben wird, die künftige Regierung müsse sich erst einmal mit der sozialen Krise befassen. In der Zwischenzeit geht freilich der Kampf gegen die Palästinenser weiter - mit Mauer- und Siedlungsbau.
Haben die Wahlen nicht gezeigt, dass die israelische Öffentlichkeit ein Ende des Konfliktes wünscht? Dass sie die Träume der Siedler und ihrer Anhänger zurückweist und eine Lösung sucht? Ist es nicht jetzt die Mission der israelischen Friedensbewegung, darauf hinzuweisen, dass Olmerts einseitiger Friede gar kein Friede ist und zu keiner Lösung führt?
An unserem Wahltag bestätigte das palästinensische Parlament seine neue Regierung, mit der wir verhandeln können und müssen. Im Augenblick ist die Mehrheit in Israel noch nicht dazu bereit - aber die Wahlen zeigen, dass wir auf dem Weg sind.
Aus dem Englischen: Ellen Rohlfs
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