Anzahl der Minijobs von 2005 bis 2014

Arbeit Die Anzahl der Minijobs von 2005 bis 2014 ist deutlich gestiegen. Findet eine systematische Ausbeutung von Minijobbern durch Unternehmen und Politik statt?

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Anzahl der Minijobs von 2005 bis 2014

Foto: JOEL SAGET/AFP/Getty Images

Die Zahl der geringfügig Beschäftigten hat in Deutschland seit 2005 kontinuierlich zugenommen. Das stößt verschiedentlich auf Kritik, dementsprechend gibt es einige bemerkenswerte Reformvorschläge zu diesem inzwischen auch umstrittenen Modell. Die Bertelsmann-Stiftung veröffentlichte schon 2010 eine Studie, die belegte, dass durch Minijobs vor allem der Zuverdienst von Ehepartnern (meist Ehefrauen) begünstigt wird, was unter steuerlichen und sozialversicherungstechnischen Gesichtspunkten als kontraproduktiv gilt.

Die Autoren der Studie schlugen statt des Minijob-Modells die Einführung eines Freibetrags bis zur Verdienstgrenze für Minijobs vor, der nicht übertragbar sein solle. Im selben Jahr forderten die Delegierten des 68. Deutschen Juristentages die Abschaffung der sozialversicherungsrechtlichen Privilegierung von Minijobs: Diese würden Normalarbeitsverhältnisse zurückdrängen. Auch entstünden durch Minijobs keine ausreichenden Rentenansprüche, es erhöhe sich also das Risiko von Altersarmut.

Zahlen zu den Minijobs

Die folgenden Zahlen belegen die Entwicklung auf dem Sektor der geringfügigen Beschäftigung.

http://www.geringfuegigebeschaeftigung.net/wp-content/uploads/2015/03/minijobs-deutschland-entwicklung.jpg

Quelle: Geringfügige Beschäftigung (Mit Daten der Bundesagentur für Arbeit)

  • 2005: 5,53 Millionen Minijobs
  • 2006: 6,21 Millionen Minijobs
  • 2007: 6,43 Millionen Minijobs
  • 2008: 6,60 Millionen Minijobs
  • 2009: 6,78 Millionen Minijobs
  • 2010: 7,19 Millionen Minijobs
  • 2011: 7,31 Millionen Minijobs
  • 2012: 7,38 Millionen Minijobs
  • 2013: 7,50 Millionen Minijobs
  • 2014: 7,51 Millionen Minijobs

Es stellt sich nun die Frage, wie es zu dieser bemerkenswerten Entwicklung gekommen ist. Beobachter gehen davon aus, dass die Unternehmen mithilfe von Minijobs teilweise Lohndumping betreiben.

Systematische Ausbeutung von Minijobbern?

Es scheint erwiesen zu sein, dass Unternehmen teilweise die Minijobber systematisch etwas schlechter bezahlen als Vollzeitbeschäftigte mit gleichem Aufgabenspektrum. Das ist zwar verboten, aber in der Praxis kaum zu kontrollieren. Für die Betriebe potenzieren sich damit die Vorteile durch die geringfügige Beschäftigung, die schließlich auch steuer- und abgabentechnische Ersparnisse sowie eine sehr hohe Flexibilität bei der Auslastung der Arbeitszeit mit sich bringt. Eine Win-win-Situation mit ebenso hohen Vorteilen für die Minijobber entsteht leider kaum, jedenfalls nicht in Bezug auf die Bezahlung und schon gar nicht bezüglich der Chance auf mehr Vollzeitstellen. Es ist belegt, dass die Brücke in den Vollzeitjob durch ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis nur äußerst selten geschlagen wird.

Neben den Wissenschaftlern der immerhin wirtschaftsnahen Bertelsmann-Stiftung und den deutschen Juristen warnen weitere Wissenschaftler etwa der Hans-Böckler-Stiftung sowie der Deutsche Frauenrat vor sozialen Folgekosten von geringfügiger Beschäftigung. Die Arbeitsmarktexperten konstatieren: Das Modell habe sich möglicherweise in eine Richtung entwickelt, die soziale Langzeitschäden heraufbeschwöre. Da inzwischen etwa 20 % der deutschen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse Minijobs sind, liegt die Vermutung nahe, dass Unternehmen das Modell missbrauchen: Sie beuten die Minijobber systematisch aus.

Falsches Signal an Steuerbürger

Durch die Minijobregelung werden nach Ermittlungen der beteiligten Forscher falsche Signale an Steuerbürger gesendet: Die Privilegierung beim Steuer- und Abgabenrecht verleitet Ehepaare, die Frau nur als Minijobberin arbeiten zu lassen. Das widerspricht der Intention des neuen Unterhaltsrechts, der reformierten Hinterbliebenenversorgung oder der Aktivierungspolitik am Arbeitsmarkt, denn eigentlich sollen Frauen ihre Existenz besser eigenständig sichern können. Mit geringfügiger Beschäftigung verschwindet der Anreiz dazu. Ein zweites Problem ist der Druck durch Minijob-Löhne auf die regulären Beschäftigungsverhältnisse. Ein Unternehmer kann möglicherweise viel preiswerter zwei bis drei Minijobber als einen Vollzeitbeschäftigten einsetzen.

Minijobs erweisen sich nachgewiesenermaßen als Niedriglohnfalle, die nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz nicht entstehen dürfte, denn dieses verbietet Lohnabschläge, wenn Beschäftigte kürzer arbeiten. Die Minijobber müssten also für vergleichbare Tätigkeiten dieselben Bruttostundenlöhne erhalten, was aber nicht geschieht: Das SOEP (sozio-ökonomisches Panel) belegt schon für 2009, dass 88 % von ihnen für einen Niedriglohn arbeiteten, der seit 2015 als Mindestlohn definiert ist. Das belegt die These, dass Minijobs zu Lohndumping führen, wenn nicht eine Umkehr einsetzt.

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Geschrieben von

U.Roede

Politisch interessiert, kritisch, nicht immer korrekt und auch mal überdreht, im Herzen aber bodenständig und auf der Suche nach Stabilität.

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