Dieses Land steht an der Schwelle zu zwei Koalitionen: die eine könnte geeignet sein, ein neues demokratisches Pakistan zu regieren, die andere, den "globalen Krieg gegen den Terror" zu führen. Hatte sich die US-Regierung von freien und fairen Wahlen in Pakistan eine demokratische Fassade für Präsident Musharraf, den unersetzlichen Partner im "Krieg gegen Terror", sowie parlamentarischen Rückhalt für drakonische Militäroperationen im Grenzgebiet zu Afghanistan versprochen, muss sie vom Wahlergebnis am 18. Februar enttäuscht sein. Was daraus folgt, könnte ihre Möglichkeiten in der Region erheblich beschneiden. Ein schwer angeschlagener Pervez Musharraf bleibt nach wie vor ihr zuverlässigster Garant, während die militärische Lage in Afghanistan immer prekärer wird.
Folglich arbeiten reisende US-Diplomaten in Islamabad mit Hochdruck daran, die drei rivalisierenden und widerstrebenden Machtblöcke in Islamabad in eine bedingte Kooperation zu drängen. Die bevorzugte Variante wäre eine Koalition zwischen der Volkspartei (PPP) und Nawaz Sharifs Muslim-Liga PML-N - eine Allianz, die sich an Musharrafs Verbleiben im Präsidentenamt nicht stört. Während Zardari als Parteichef der PPP dazu bereit scheint, zaudert Sharif, seinem Erzfeind den Gefallen zu tun. Ob er sich noch dazu durchringt? Bisher sieht es nicht danach aus. Aber bereits die Koalition zwischen der PPP und der Muslimliga PML-N, wie sie gerade geschmiedet werden soll, ist ein abenteuerliches Unterfangen, dem - trotz aller Kameraderie des Augenblicks - auf lange Sicht keine großen Chancen eingeräumt werden. Zu tief sitzen überkommene Rivalitäten und Antipathien, zu unterschiedlich sind die politischen Interessen.
Für Nawaz Sharifs Partei, die auf ihr überraschend gutes Wahlergebnis nicht vorbereitet war, gilt es nun vor allem, die Stellung in der traditionellen Hochburg, dem Punjab, zu konsolidieren. Dazu braucht sie die Unterstützung der PPP, nur mit deren Hilfe lässt sich Sharifs Minimalprogramm durchsetzen: Absetzung des Präsidenten, Rückkehr der entlassenen Richter, Wiederherstellung der Verfassung von 1973, wodurch die Klausel gelöscht würde, die in der jetzigen Konstitution die dritte Amtszeit eines Premierministers verbietet. Beobachter erwarten, sollte Sharif überhaupt einer Koalition als Notgemeinschaft zustimmen, dürfte er bald danach Neuwahlen erzwingen. Insofern hätte man mit den Wahlen vom 18. Februar nur eine erste "Halbzeit" erlebt - die zweite stünde noch bevor.
Pervez Musharraf bleibt in einer solchen Situation nichts anderes übrig, als die Amerikaner wieder einmal seiner sturen Treue zu versichern. In einem Interview mit dem Wall Street Journal versprach er vor wenigen Tagen: "Wir werden weiterhin unseren amerikanischen Langzeitverbündeten in einem gemeinsamen Kampf zur Seite stehen. Wir werden Pakistan und die Welt von militanten Extremisten befreien." Er hat damit formuliert, was die drei großen politischen Parteien - die Volkspartei (PPP), die Muslim-Liga PML-N und die Muslim-Partei PML-Q - nicht bestreiten werden, aber anders verstehen. Sie sagen: Wenn Pakistan Terroristen bekämpft, dann nur in seinem eigenen Interesse. Dem islamischen Fundamentalismus in den Gebieten der Paschtunen sollte eher durch Verhandlungen als durch Militäroperationen begegnet werden. Das Wahlergebnis - im nachhinein oft als Referendum gegen Musharrafs umstrittene Gefolgschaft gegenüber den USA gedeutet - war schließlich auch ein Zeichen der Opposition gegen den "Anti-Terror-Krieg" im eigenen Land, mit dem man sich nicht länger zum Handlanger der Amerikaner degradieren lassen will. Keine Regierung in Islamabad kann es sich leisten, diesen Teil des Votums zu ignorieren.
Für Washington könnte nun besonders die Nord West Frontier Provinz zum Hornissennest werden. In diesem bisher von religiösen Parteien beherrschten sensiblen Gebiet an der afghanischen Grenze hat am 18. Februar die Awami National Party (ANP) gewonnen - eine von paschtunischen Nationalisten getragene, säkulare Formation, die sich als entschiedener Gegner der USA empfiehlt. Eine ANP-Regierung in Peshawar wird Militäroperationen im Grenzgebiet keinesfalls unterstützen und - wie es bisher für die Partei üblich war - zwischen Militanten und Terroristen unterscheiden. Und militante Paschtunen betrachtet die ANP als Freiheitskämpfer gegen die Besetzung Afghanistans.
Wie die US-Armee zur Zeit ihre Operationen in dieser Region sehr viel aggressiver als bisher betreibt, das zeigen unbemannte, Computer gesteuerte Flugzeuge, die sämtliche Ziele bombardieren, bei denen auch nur der leiseste Verdacht besteht, sie könnten etwas mit "Terroristen" zu tun haben. Für den geschwächten Präsidenten Musharraf ist das alles andere als ungefährlich. Je höher die Zahl der Opfer unter der Zivilbevölkerung, desto brüchiger dürfte das Fundament seiner Präsidentschaft sein. Nicht zu Unrecht besteht im Pentagon die Befürchtung, der Ex-General könnte aus Sorge um sich selbst gegenüber den US-Militärs bald weniger großzügig sein, als man es gewohnt ist.
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