Märtyrer im Höllenfeuer

Baitullah Mehsud Freitag-Korrespondentin Ursula Dunckern zum Tod des Taliban-Führers Baitullah Mehsud, der als Nachfolger Osama Bin Ladens galt

Der charismatische Mittdreißiger Baitullah Mehsud, der ohne jegliche Schulbildung zum Meisterstrategen einer 30.000 Mann zählenden Guerilla aufstieg, war eine Integrationsfigur. Er verstand es, Gotteskrieger unterschiedlicher Couleur – Taliban, al-Qaida und rivalisierende Stämme – zu vereinen. Verheißt sein Tod nun eine Wende im Krieg am Hindukusch?

Soviel steht fest, den ausgebrochenen, teils bewaffneten Konflikt um die Nachfolge Mehsuds werden die USA zu nutzen wissen, um die pakistanische Armee in eine weitere Bodenoffensive gegen die Taliban zu pressen. In diesem Fall lassen sich verlustreiche Kämpfe prophezeien. Die Militanten aus dem islamischen Widerstand – wie zerstritten sie auch sein mögen – schweißt nichts zuverlässiger zusammen als der gemeinsame Feind. Darin bestand das Geheimnis von Baitullah Mehsuds Barfuß- und Lumpenarmee. Als Märtyrer des von amerikanischen Drohnen gegen ihn gerichteten „Höllenfeuers“ und als Opfer pakistanischen Verrats könnte er nun stärker als zu Lebzeiten auf die Kampfmoral die Taliban in Afghanistan und Pakistan einwirken.

Dass ihn die US-Armee trotzdem ausschalten wollte, hat Gründe, die vorrangig mit der ambivalenten Haltung der Regierung in Islamabad zu tun haben. Die versuchte in den vergangenen Jahren immer wieder, unter der Hand Friedensabkommen mit dem „Staatsfeind Nr. 1“ zu schließen. Im August 2008 war Mehsud so unvorsichtig, einen solchen Deal bekannt zu geben, so dass Islamabad fieberhaft dementieren musste.

Was jetzt mit ihm geschah, ist mehr als nur ein Indiz für den Willen der Amerikaner, diese verdeckte Kollaboration durch eine intensivierte Kooperation zwischen der CIA und dem pakistanischen Geheimdienst ISI zu ersetzen. Letztere begann im April mit einem geheimen Besuch des neuen ISI-Kommandeurs, General Ahmed Shuja Pasha Qureshi, bei CIA-Chef Leon Panetta in Washington. Qureshi ist ein Mann nach dem Geschmack der US-Regierung. Seine Berufung zum ISI-Chef durch Generalstabschef Kayani galt als signifikante Wende in den amerikanisch-pakistanischen Beziehungen. Kayanis pro-talibanische Vergangenheit, die – sagen böse Zungen – noch nicht ganz zu Ende ist, kennt man in Washington sehr wohl. Admiral Mike Mullen, Chef der „joint chiefs of staff“, hat es sich jedoch zur Aufgabe gemacht, den General öffentlich zu decken, wo immer es geht. Dabei zeigt man in Washington ein gewisses Verständnis für das Bedürfnis Pakistans, gute Beziehungen mit den afghanischen Taliban zu pflegen. Diese Kontakte sollen garantieren, dass bei einem Abzug der US-Truppen kein Vakuum entsteht, in das Erzfeind Indien stoßen könnte. Der tiefgreifende Interessenkonflikt zwischen Washington und Islamabad wird wieder einmal offenbar. Die Ausschaltung von Baitullah Mehsud war dazu angetan, ihn kurzzeitig zu überspielen. Mehr aber auch nicht.

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