Nawaz Sharif heißt der Sieger

Volkswille Die pakistanische Regierung hat vor den Volksmassen kapituliert, die seit Tagen auf Islamabad marschieren. Der 2007 abgesetzte Oberste Richter Chaudhry kehrt zurück

Die Entscheidung zum Einlenken kam nach intensiven Gesprächen hinter den Kulissen, bei denen Armeechef General Ashfaq Pervez Kayani den Ton angab. Nicht nur der höchste Richter kehrt in sein Amt zurück, auch die Notstandsregierung in der Provinz Punjab muss wieder abdanken. Und die Macht von Präsident Zardari? Sie wird gestutzt, offenbar hat die Generalität besonders darauf Wert gelegt. Alle Versuche, die Demonstranten mit Kompromissangeboten zu besänftigen, schlugen fehl. Sogar die Zusage, die Regierung werde Berufung gegen das Gerichtsurteil einlegen, das die Brüder Sharif am 25. Februar von allen politischen Ämtern relegierte, wies Nawaz Sharif als Farce zurück, solange der Supreme Court in alter Besetzung das letzte Wort habe. Die Situation drohte, vollständig außer Kontrolle zu geraten.

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Was die Regierung zum Kotau zwang, war das Bewusstsein ihrer Machtlosigkeit. Polizei und Verwaltung gehorchten nicht mehr, sondern ließen der Flut des Protestes freien Lauf. Am Sonntag hatten einige hohe Polizeioffiziere sogar ihre Ämter niedergelegt und sich den Demonstranten angeschlossen. Unter ihnen der stellvertretende Generalstaatsanwalt von Pakistan, der Generalinspektor der Polizei von Punjab und der Polizeichef von Lahore. Sogar in der regierenden Volkspartei (PPP) beginnt die Erosion. Hohe Funktionäre traten aus Protest zurück, unter ihnen Parlamentsführer, Minister und sogar Nahed Khan, die altgediente politische Sekretärin Benazir Bhuttos (in deren Armen die Parteichefin der PPP am 27. Dezember 2007 nach dem Attentat in Rawalpindi gestorben war). Khans Ehemann, der PPP-Führer und Senator Safdar Abbasi, folgte diesem Schritt. Der härteste Schlag für Präsident Zardari war freilich der Rücktritt von Sherry Rahman, Informationsministerin und ehemalige enge Vertraute Benazir Bhuttos. Sie ging, als die Regierung am Freitag begann, private Fernsehsender auszublenden und Kamerakabel zerschneiden zu lassen.

Die Regierung ist machtlos

Pakistan hat sich in den vergangenen 48 Stunden dramatisch verändert. Das Ende der zivilen Diktatur Zardaris scheint nahe zu sein, die sich nach der Wahl im Februar 2008 geschickt in den Machtstrukturen und massgeschneiderten Verfassungsänderungen der vor einem Jahr abgewählten Militärdiktatur eingenistet hatte. Das könnte schwere Konsequenzen für die Kriegspläne Präsident Obamas in Afghanistan haben. Mit Zardari ist eine zentrale Marionette geschwächt und isoliert. Der Versuch, sie mit General Kayanis Hintergrundarbeit in Position zu halten, scheint gescheitert. Stattdessen sind dank der parteilich nicht gebundenen Anwalts- und einer breiten Volksbewegung für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit neue Tatsachen geschaffen worden, die den Zugriff Washingtons auf Pakistan empfindlich stören könnten. Prompt verlangte bereits Qazi Hussain Ahmed – Chef der Jamaat-i-Islami –, die Amerikaner sollten sich gerade jetzt aus den inneren Angelegenheiten Pakistans herauszuhalten.

Zudem dürfte der Einfluss General Kayanis auf das Lager von Ex-Premier Nawaz Sharif, des Gewinners der Kraftprobe mit dem Präsidenten, eher begrenzt sein. Schliesslich erwählte Ex-Präsident Musharraf General Kayani als seinen Nachfolger im Oberkommando, weil er sein loyalster Mann war. Es war auch Kayani, der im Auftrage Musharrafs als Unterhändler der Nationalen Versöhnungswerkes mit Benazir Bhutto und dem jetzigen Innenminister Rehman Malik verhandelte. Dieses Agreement gewährte Bhutto und ihrem Ehemann Zardari Straffreiheit in allen anhängigen Korruptionsverfahren und wurde von niemandem mehr angegriffen als von Nawaz Sharif.

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