Wir sagen wir´s den Eltern?

George Bush in Indien Der US-Präsident könnte der Geburtshelfer innenpolitischer Allianzen gewesen sein, die der Kongress-Regierung schwer im Magen liegen

Die Karikatur in einer indischen Sonntagszeitung zeigt George Bush und Premier Manmohan Singh als verlegenes Brautpaar. "Der nächste Schritt wird schwieriger", sagt der Text. "Wie sagen wir´s den Eltern?" - Die gestrengen "Eltern", das sind der US-Kongress auf der einen, der amerikanischen Seite, der dazu bewegt werden muss, mit einer Änderung des Paragraphen 123 des US-Atomenergie-Gesetzes eine nationale Rechtsgrundlage für den Atomvertrag mit Indien zu schaffen - und die widerspenstige Linke Front (LF) auf der anderen, der indischen Seite. Die Allianz der unter Führung der CPI(M) vereinten kommunistischen Parteien toleriert die Kongress-Regierung und ist das Zünglein an der Waage bei Parlamentsabstimmungen. Ihre unversöhnliche Ablehnung der unstandesgemäßen Verbindung Bush-Singh wiegt umso schwerer, als sie ansteckend zu sein scheint. Der Widerstand gegen das pro-amerikanische Abenteuer Indiens hat sich bereits tief in die United Progressive Alliance (UPA) hineingefressen und kann deshalb der Regierung recht gefährlich werden.

Wie auch immer - während am 2. März George Bush und seinem indischen Gastgeber das elegante Hyderabad-Haus im Herzen Delhis zur Verfügung stand, um bei Small Talk und kühlen Getränken Geschichte zu schreiben, brannten überall in Indien die Scheiterhaufen. Der amerikanische Präsident starb in effigie Hunderte Flammentode. Die seine symbolische Hinrichtung als blutrünstiges Pin-up-Ungeheuer oder als überlebensgroße Pappmaché-Fratze über Gesterntem und Gestreiftem mit enthusiastischem Triumphgeschrei begrüßten, waren vorwiegend radikale Muslime. Allein in Delhi folgten mehr als 200.000 Strenggläubige dem Aufruf ihres nationalen Klerus und verwandelten die Ramlila-Anlagen in ein wogendes Feld weißer Kappen. Gewaltigen Muslim-Protest gab es auch in vielen anderen Städten. In Srinagar (Kaschmir) lieferten sich Tausende von Weißkappen Steinschlachten mit der Polizei, in Hyderabad trugen einige Fundamentalisten Osama-bin-Laden-Poster vor sich her - und immer wieder und überall loderten die Bush-Feuer. Ein Meeting in der Hauptstadt konnte sich dabei mit einer ansehnlichen Auswahl prominenter nicht-muslimischer Ehrengäste dekorieren: dem früheren Premier Vishwanat Prathab Singh, dem KP-Führer (CPI) A B Bardhan und J K Jain, dem wegen seiner pro-muslimischen Haltung gefeuerten Abgeordneten der Bharatiya-Janata-Party (BJP/Volkspartei), ferner der Schriftstellerin Arundhati Roy, die ihre volkstümliche Satire Bush´s Harem vortrug, in der sich der US-Präsident als Dompteur indischer und pakistanischer Politiker empfiehlt.

Hatte die Linke Front der Regierung einst Unterstützung geschworen, um den kommunalen Kräften des rechten Flügels der Volkspartei (BJP) Paroli zu bieten, scheint sie sich nun lieber den kommunalen Kräften auf islamischer Seite andienen zu wollen. Kokettiert hat sie mit ihnen schon immer, schließlich ist der Anteil der Muslime an der Gesamtbevölkerung der beiden kommunistischen Hochburgen Kerala und Westbengalen überdurchschnittlich hoch, und bei Wahlen, in denen die Linke Front gegen den nationalen Bündnispartner Kongresspartei zu kämpfen hat, kann das entscheidend sein. In beiden Bundesstaaten werden Anfang April die Regionalparlamente neu gewählt. In der Vergangenheit ging die CPI(M) in Kerala sogar so weit, Wahlabkommen mit dem gemäßigteren indischen Flügel der in Pakistan und Bangladesch extremistischen Jamaat-e-Islami einzugehen.

Dank der Amerika-Obsessionen des indischen Regierungschefs bekommt die nackte Wahlarithmetik nun den lange fälligen ideologischen Überzug: Ab sofort - so verkünden die Führer der Linken Front, Prakash Karat und A B Bardhan - werden wir den antiimperialistischen Kampf mindestens genauso konsequent führen wie bisher den kommunalen. Das klingt verdächtig nach einer Aufkündigung der Kooperation mit der Kongress-Partei auf nationaler Ebene, neue Allianzen und damit neue Ordnungen zeichnen sich ab.

Ihre erste Bewährungsprobe könnte ein als "Dritte Alternative" firmierendes Bündnis schon bald in Assam bestehen. Bei der für den 3. April geplanten Regionalwahl wollen die fünf regionalen Parteien zum ersten Mal mit der Linken Front zusammengehen. Ob sich das Experiment - sollte es gelingen - in die politische Szenerie Delhis übertragen lässt, bleibt abzuwarten. Verhandlungen mit der einflussreichen regionalen Telugu-Desam-Partei Chandrababu Naidus im Staat Andhra Pradesh haben jedenfalls schon begonnen.

Wird die größte Demokratie der Welt bald von einer kommunistisch geführten "Alternative" regiert? Sind Manmohan Singhs Tage im Sessel des Premiers gezählt? Oder wird ihm sein amerikanischer Partner den einen oder anderen Rettungsring zuwerfen? Häufig sind ja Regierungschefs in Seenot die fügsamsten Alliierten.


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