Von der Leyens vergiftete Gabe

Arbeitsmarkt Die Ministerin legt ein Gesetz vor, das die Chancen der Schwächsten unter den Erwerbslosen weiter sinken lässt

Erneut streut Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) Arbeitnehmern und Erwerbslosen Sand in die Augen. Hinter dem eingängigen Titel ihres Gesetzentwurfs „Leistungssteigerung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente“ verbirgt sich ein rigoroses Kürzungsprogramm zu Lasten arbeitsloser Menschen. Die hehren Zielsetzungen – mehr auf die individuellen Anforderungen der Arbeitslosen einzugehen und die Qualität von Vermittlung und Qualifizierung zu verbessern – sind Makulatur. Denn von der Leyens Vorschläge sind Produkt des Spardiktats.

Mitte 2010 beschloss der Bundestag, bis 2014 im Bundeshaushalt 80 Milliarden Euro einzusparen – die Rettungsschirme für die Banken wollten bezahlt sein. Der Sozialetat ist mit 30 Milliarden Euro dabei, die Arbeitslosen schultern davon 16 Milliarden Euro: Die finanziellen Mittel für die Arbeitsmarktpolitik werden 2012 um 2,5 Milliarden Euro und danach pro Jahr um 3 Milliarden Euro zusammengestrichen.

Wenn von der Leyen nun die „soziale Balance“ des Kürzungspaketes beschwört, müsste sie ab sofort alle weiteren Opfergaben der Arbeitslosen verweigern. Schließlich hat auch die Atomwirtschaft soeben die Zahlung ihres Sparbeitrags – die Brennelementesteuer – eingestellt.

Richtig ist, dass die inzwischen über 40 verschiedenen arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen – vor allem für Jugendliche ohne Ausbildung und Arbeit sowie berufliche Weiterbildung – zusammengefasst werden. Natürlich müssen sie auch auf ihre Wirksamkeit kontrolliert werden. Es ist allerdings für die Arbeitsvermittler ein Danaergeschenk – also eine vergiftete Gabe –, wenn ihnen größere Entscheidungsspielräume versprochen, die finanziellen Mittel aber gestrichen werden. So könnten Rechtsansprüche in der Praxis unerfüllt bleiben, wenn Pflichtleistungen in Ermessensleistungen umgewandelt werden: Bedroht wären dann sogar auch das erst vor wenigen Jahren eingeführte Recht auf Nachholen des Hauptschulabschlusses und die Eingliederungsmaßnahmen für Behinderte.

Weg in die Privatisierung

Ebenso doppelbödig ist die Neuregelung der öffentlichen Beschäftigung Langzeitarbeitsloser: Die Einschränkung der Ein-Euro-Jobs mit massiven Missbräuchen und ohne Perspektiven für die Betroffenen ist zwar notwendig. Allerdings fehlt jeglicher Ersatz für eine existenzsichernde öffentliche Beschäftigung. Gestrichen wird auch bei der Förderung der Selbstständigkeit – für manche die einzige Möglichkeit, dem Hartz-IV-Schicksal zu entkommen.

Eindeutig geht dafür der Weg in die weitere Privatisierung der Arbeitsvermittlung zu Lasten der Erwerbslosen. Denn die Vermittlungsgutscheine, der Treibstoff für die Hartz-IV- und Weiterbildungsindustrie, werden ohne die bisherigen zeitlichen und regionalen Begrenzungen angeboten. Die Vermittlung der Schwächeren unter den Arbeitslosen gerät dadurch unter die Räder. Mit den echten Problemfällen, die am meisten auf intensive Betreuung angewiesen sind, wollen die privaten Vermittler ihre Erfolgsquoten nicht gefährden.

Nun werden zusätzlich zu den 2010 beschlossenen Kürzungen der Bundesagentur zur Finanzierung der Hartz-IV-Kinderleistungen bis zu vier Milliarden Euro aus den ihr zustehenden Mehrwertsteuereinnahmen gestrichen. In der arbeitsmarktpolitischen Realität wird die Bundesagentur so zu weiteren Sparmaßnahmen gezwungen. Es darf daher unterstellt werden, dass die wiederholten Versicherungen aus dem Bundesarbeitsministerium, nicht bei benachteiligten und behinderten Menschen und bei der beruflichen Rehabilitation kürzen zu wollen, reine Absichtserklärungen sind.

Denn die Bundesagentur kann nun zwischen Pest und Cholera wählen. Erfüllt sie die Kürzungszwänge, muss sie die Fördermaßnahmen drastisch einschränken. Dies geht unweigerlich zulasten der Schwächsten. Erfüllt sie die Sparzwänge nicht, erhalten die politischen Kräfte wieder Auftrieb, denen die BA längst ein Dorn im Auge ist. Die wirklich nötigen Reformen bleiben, man braucht es kaum noch zu betonen, auf der Strecke: vor allem Ausbildung und Arbeit mit Perspektive für junge Menschen. Von der Leyens Gesetz muss nun durch Bundestag und Bundesrat – Letzterer ist nicht mehr schwarz-gelb dominiert. Das ist eine Chance.

Ursula Engelen-Kefer war bis 2006 DGB-Vizevorsitzende und saß bis dahin auch im Vorstand der Bundesagentur für Arbeit

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