Die unbekannte Zeichnerin

Ausstellung In Berlin wird das Lebenswerk der nahezu vergessenen Dörte Clara Wolff gezeigt, die in den 20 Jahren für das „Illustrierte Wochenblatt für Humor und Satire“ zeichnete

Es passiert nicht mehr oft, dass es Künstler wiederzuentdecken gilt. Die Forschung war gründlich. Künstlerinnen dagegen gibt es schon eher neu zu entdecken. Vor allem jüdische, die Deutschland nach 1933 verlassen mussten. Zu ihnen gehört die Zeichnerin Dörte Clara Wolff, 1907 als Tochter eines jüdischen Unternehmers in Berlin geboren. Unter diesen Namen kannte sie allerdings niemand, denn sie bestand darauf, kurz und einfach Dodo genannt zu werden. Und als Dodo kann man ihr nun in einer Schau der Berliner Kunstbibliothek erstmals wieder begegnen.

Grundlage der Ausstellung sind einige Blätter aus der Sammlung „Modebild – Lipperheidesche Kostümbibliothek“ der Staatlichen Museen zu Berlin, ergänzt durch viele Leihgaben. Ihre Entdeckerin ist die Berliner Sammlerin Renate Krümmer, die auf einer Auktion zufällig eine Dodo-Zeichnung fand und so begeistert war, dass sie begann, Leben und Werk zu rekonstruieren.

Betrachtet man die 120 ausgestellten grafischen Arbeiten ist es unbegreiflich, dass diese Künstlerin bisher zu den Unbekannten gehörte. So sicher der Strich, so genau die Charakterisierung ihrer Figuren und ihrer Zeit, so frech, so traurig, so gekonnt – Dodo war die perfekte Zeichnerin für das legendäre Magazin ULK, das „Illustrierte Wochenblatt für Humor und Satire“ aus Berlin. Dodos Interessen galten den mondänen Posen der modernen Großstädterin, deren Mode, Lust auf Emanzipation und Unfähigkeit, vom Geld der Männer loszukommen. Das kam gut an im ULK-Magazin, häufig wurden Dodos Zeichnungen Titelblätter. Die Ausstellung feiert sie als Chronistin mit scharf-konturiertem Stil und die Zeichnungen als „Embleme des modernen Zeitgeistes“.

Ein Künstlerin-Leben in den goldenen 20-er

Dodo erlebte nur eine äußerst kurze Zeit der Bedeutung, der Bekanntheit, des Ruhms. Die Zeit der „Goldenen Zwanziger“ in Berlin, die den Mythos der Stadt begründeten. Den Lockungen des Lebensgefühls erlag auch die junge Künstlerin. Voller Lust auf Provokation, Unbeschwertheit und Abwechslung stürzte sie sich in ein modernes Leben, an dem sie fast zerbrach.

Hin und her gerissen zwischen dem Strom verführischer Selbstbestimmung und dem Halt traditioneller Beständigkeit heiratete die 23-Jährige den 25 Jahre älteren Anwalt Hans Bürgner und bekam kurz hintereinander zwei Kinder, deren Pflege sie völlig überforderte. Depressionen, ein Liebhaber, psychotherapeutische Analysen, die Scheidung und eine neue Hochzeit machten es nicht viel besser. Der neue Mann, Gerhard Adler, hatte, schon bevor er sie heiratete, eine Geliebte. Die Ehe hielt kaum ein Jahr. 1936 emigrierte Dodo nach England. Obwohl die politische Situation belastend war für die jüdische Familie, die finanzielle Situation schlecht, stabilisierte sich das Leben der Künstlerin. Später heiratete sie ihren ersten Mann wieder, als Künstlerin hatte sie allerdings keinen Erfolg mehr. Ihre Art des Zeichnens und ihr Humor waren nicht gefragt. Dodo fand nur wenige Auftraggeber, illustrierte mal ein Kinderbuch, mal eine Serie von Grußkarten oder entwarf das Design für Verpackungspapier.

Dass es die Berliner Ausstellung nun gibt, ist schön und verdienstvoll. Schöner allerdings wäre es gewesen, wenn Dodo diese Wiederentdeckung noch hätte erleben können: Sie starb 1998 in London.


Dodo Ein Leben in Bildern. Kunstbibliothek Berlin. Bis 28. Mai, ab 22. Juni im The London Jewish Museum of Art, Katalog 39,80


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