Familienfrieden aus dem Labor?

Kommentar Justizministerin will heimliche Vaterschaftstests verbieten

Dass Bundesjustizministerin Brigitte Zypries im Rahmen des geplanten Gendiagnostik-Gesetzes Vaterschaftstests ohne Zustimmung der Mütter unter Strafe stellen will, stößt quer durch die politischen Parteien auf Ablehnung. Väter hätten ein Recht auf Gewissheit über ihre Vaterschaft. Von Kuckuckskindern ist die Rede, von jahrelang betrogenen Männern. Die "Lügen der Mütter" würden mit dem Verbot heimlicher Vaterschaftstests "unter staatlichen Schutz" gestellt, ist gar zu hören. Wer in der Diskussion der vergangenen Wochen Mütter nicht explizit dem Generalverdacht unterwirft, ihre Partner über den Tisch ziehen zu wollen, hat ihn zumindest verinnerlicht: Einen Vaterschaftstest hinter dem Rücken der Partnerin hinter sich zu bringen, sei allemal besser - so wird von gemäßigteren Gegnern des Verbotes argumentiert - als der Gang vor den Kadi. Besser fürs Familienklima, besser für die Kinder. Denn schließlich vermeidet die schnelle Antwort aus dem Labor eine den Familienfrieden störende Auseinandersetzung über vorhandene Ängste oder entstandenes Misstrauen, die bei einer gerichtlichen Vaterschaftsanfechtung anstünde.

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser - die technologischen Möglichkeiten der DNA-Analyse machen es möglich. Obwohl sich in etwa 90 Prozent der Fälle die Vaterschaft bestätigt, steigt die Zahl der heimlichen Vaterschaftstests beständig. Mittlerweile schicken in der Bundesrepublik jährlich etwa 40.000 zweifelnde Väter ihre und die Speichelproben ihrer Kinder an eines der zahlreichen Labore, die diese Tests anbieten, in der Regel ohne das Wissen geschweige denn die Zustimmung der Mütter. Die Tests sind gerichtlich, etwa für Unterhaltsfragen, nicht verwertbar; sie dienen ausschließlich der Überprüfung zum Teil jahrelang gelebter Wahrheiten.

Dass Brigitte Zypries dieser Entwicklung einen Riegel vorschieben will, scheint löblich. Aber ihr Vorstoß entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als Sturm im Wasserglas. Zum einen ist er nicht praktikabel: Auch außerhalb der Bundesrepublik gibt es Labore, die die Vaterschaft ohne Einwilligung der Mutter testen. Wer darauf ausweicht, muss das nur für sich behalten, dann passiert auch nichts. Denn Voraussetzung für Ermittlungen wegen eines heimlichen Vaterschaftstests ist eine Anzeige.

Wenn Brigitte Zypries die Notwendigkeit des geplanten Verbotes lautstark immer wieder mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung begründet, so ist das außerdem doppelzüngig. Denn der Gesetzentwurf aus ihrem Ministerium erlaubt auf einem ganz anderen Feld die nahezu schrankenlose Verwendung von genetischen Daten: Wenn es zu aufwändig ist, die Einwilligung der Spender in die Verwendung ihres genetischen Materials für ein Forschungsprojekt einzuholen, dann soll es auch ohne gehen. Da drängt sich die Frage auf, ob der Diskussion um den Vaterschaftstest nicht auch Kalkül zugrunde liegt. Dessen enge Verregelung steht jedenfalls in einem eigenartigen Missverhältnis zum deregulierten Gebrauch von DNA für die Forschung.


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