FDP will Artikel 15 Grundgesetz abschaffen

Vergesellschaftung Steht die FDP wirklich noch auf dem Boden des Grundgesetzes? Wer den Art. 15 GG streicht, verhindert Genossenschaftsmodelle und enteignet in letzter Konsequenz das Volk

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Die Initiative "Deutsche Wohnen & Co enteignen" hat die FDP aufgeschreckt
Die Initiative "Deutsche Wohnen & Co enteignen" hat die FDP aufgeschreckt

Foto: Omer Messinger/AFP/Getty Images

Wie sehr das von der Initiative ,,Deutsche Wohnen & Co. enteignen" angestrebte Volksbegehren die "Großheuschrecken der kapitalistischen Wohnungswirtschaft" aufschreckte, sehen wir jetzt am noch druckfrischen Bundesparteitagsbeschluss der FDP. Mit einem Dringlichkeitsantrag haben sich die Delegierten am 26. April 2019 mehrheitlich für die Abschaffung des Art. 15 GG - die Enteignungsgrundlage - ausgesprochen. Eine entsprechende Gesetzesinitiative soll nun im Bundestag eingebracht werden.(1)

Erst am 25. April deckte das ARD-Magazin ,,Panorama" auf, wie das mafiöse System der Immobilien-GmbHs funktioniert. Nicht nachvollziehbare Eigentümergeflechte und Briefkastenfirmen auf Zypern sind stets die Zeichen zwielichtiger Spekulanten. (2)

Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages führt in einer Stellungnahme vom 29. Januar 2019 aus, dass über den Artikel 15 GG Unternehmen erheblicher Größe und Marktmacht enteignet werden können. Sie müssen dann jedoch vergesellschaftet werden, eine Verstaatlichung ist nicht zulässig. Der Wissenschaftliche Dienst versteht unter Vergesellschaftung die ,,Bedarfsdeckung ohne Gewinnabsicht" sowie die ,,Verfolgung sonstiger Gemeinwohlziele". (3) Das läuft also auf das gute alte Genossenschaftsmodell hinaus. Auf diesem Weg könnte man problemlos aus einem Spekulantenmarkt die Luft herauslassen. Wohnungen würden wieder erschwinglich.

Damit ist die Geschichte aber noch nicht zu Ende. Die Streichung des Artikel 15 GG kommt einem Staatsstreich gleich, weil er die Grundlage unserer Wirtschaftsordnung bildet. Was ist denn die "Bedarfsdeckung" der Bevölkerung? Doch nichts anderes als die existentiellen Güter, die Lebensgrundlagen der Menschen wie Grund und Boden, Wasser, Luft, Energie. Sie sollen nach Ansicht der FDP also künftig dem uneingeschränkten Einfluss der Konzerne unterstehen. Denn wenn nicht mehr zu vergesellschaften ist, kann nur noch privatisiert werden.

Sollte der Art. 15 GG gestrichen werden, wird ein ganzes Volk enteignet. Damit entsteht eine andere Republik ohne Notausgang. Auf die Debatte im Bundestag können wir schon jetzt gespannt sein.

Vielleicht noch eine kleine Bemerkung zum Nachdenken in stiller Stunde: Warum denken wir nicht an genossenschaftliche, gemeinwirtschaftliche Eigentumsmodelle? Welche Art und in welcher Ausformung eine Gesellschaft Eigentum definiert und wie lange, hängt von den die Gesellschaft zu bildenden Bürgern ab. Große Eigentume werden nicht durch Arbeit erzeugt. Sie werden von der Gesellschaft durch Steuervorteile und der Erlaubnis zum Spekulieren toleriert und möglich gemacht. Eigentum wird in Form eines Titels verliehen. Einen derartigen Titel kann man auch wieder zurückziehen und das Eigentum zurückfordern. Man könnte es auch mit "biblischen" Worten ausdrücken: Die Gesellschaft hat's gegeben; die Gesellschaft hat's genommen. Nur mit der Umkehrung der bisherigen Betrachtungsweisen werden wir in der Lage sein, den Ausuferungen des Eigentums wirksam zu begegnen.

Quellen:

(1) https://www.fdp.de/sites/default/files/uploads/2019/04/26/2019-04-26-bpt-entschieden-gegen-enteignung-durch-vergesellschaftung-bauen-statt-klauen1.pdf

(2) https://daserste.ndr.de/panorama/archiv/2019/Eigentuemer-unbekannt-Wenn-Investoren-Wohnungen-kaufen,immobilien240.html

(3) https://www.bundestag.de/resource/blob/591138/56a3abe5d99481d9f72144aeae96bfce/wd-3-445-18-pdf-data.pdf

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