Hass blitzt in unserem Gedächtnis vor allem als Tattoo auf. In unsere Erinnerung eingegraben hat sich das ikonische Bild von vier Buchstaben auf Fingerknöcheln, gepaart mit seinem sympathischeren Gegenstück, der Liebe. Hate/Love sind die tiefsten Gefühle, die ein Mensch zu empfinden mag. Beide gehen unter die Haut. „I got you under my skin“ oder schmerzhaft blau unter die Epidermis gestochen.
Hass manifestiert sich in einer unheiligen Trias: körperlich, sprachlich und visuell. Daniel Hornuff, Professor für Theorie und Praxis der Gestaltung in Kassel, versucht die visuelle Dimension des Hasses zu durchdringen. Für die im Verlag Klaus Wagenbach von Annekathrin Kohout und Wolfgang Ullrich herausgegebene Reihe Digitale Bildkulturen analysiert er En
analysiert er Entstehung und Wirkung von Hassbildern in den sozialen Medien. Die knackigen kleinen Bändchen zu Netzfeminismus, Selfies, Bildprotesten, Modebildern und Screenshots haben inzwischen Kultstatus bei Bildmenschen. Den Anspruch, Theorie, Gesellschaftskritik und ästhetischen Genuss zu vereinen, lösen die Herausgeber mit Bravour ein.Überall Stereotypen„Hassbilder“ sind im aktuellen Diskurs um Hate Speech das Missing Link. Hornuff definiert als Aufgabe des Hassbildes, „durch ästhetische Unterstützung oder Ergänzung die Abwertung von Personen und/oder Personengruppen zu kommunizieren“. Nur im Kontext ihrer Verwendung ließen sich die Funktionen von Hassbildern erklären. Sinnstiftend in Hass-Postings seien nicht die Bilder selbst, sondern die sie begleitenden und rahmenden Texte. Anhand von vier Beispielen veranschaulicht Hornuff seine Thesen zur Kommunikation von Hass: Antisemitismus, Dschihadismus, linksextreme Gewaltverherrlichung und Lebensschutzpropaganda. Am Beispiel des Antisemitismus zeigt Hornuff auf, wie rechtsextreme User tief in den Fundus historischer Hetzdarstellungen greifen. Eindeutigkeit gewinnen die Bilder jedoch erst durch die Verbindung mit physiognomischen Stereotypen. So wird die Zeichnung eines umherschleichenden, langnasigen Juden mit Versen des Sozialdemokraten Max Kegel gekoppelt: „Verpestet ist ein ganzes Land, Wo schleicht herum der Denunziant.“ Klischees werden gruppenbezogen instrumentalisiert für das Sujet „Denunziantentum“. Als Denunzianten gelten auch Facebook-Kontrolleure, Whistleblower und User, die zur Löschung von Beiträgen aufrufen. Ewige Wiederholung und fortgesetzte Verbreitung von Klischees normalisieren so auf digitalem Wege Antisemitismus. Formalisiert wird der Hass durch eigens bereitgestellte Schablonen, die nach Belieben zur Diskreditierung eines Gegners genutzt werden können. Die strategische Kommunikation von Hass setzt auf Nutzerfreundlichkeit, indem sie Meme mit einer festen grafischen Struktur und Platzhaltern versieht, die mit immer neuen Porträts und Anmerkungen gefüllt werden können.Vereinfachung ist zweifelsohne ein zentrales Merkmal von digitaler Hasskommunikation. Wirkungsmächtig wird Hass jedoch erst durch seine krakenhafte Verlängerung in eine gewaltsame Wirklichkeit. Diesen Konnex erkennt Hornuff in Foren radikaler Antifa- oder Schwarzer-Block-Verbünde, wo massenweise Bilder verletzter Polizisten gepostet und mit höhnischen Kommentaren versehen werden. Durch die permanente Teilung von Gewaltdarstellungen soll Hass verstärkt und die Möglichkeit realer physischer Konsequenzen bis zur Auslöschung von Individuen demonstriert werden.Hornuffs Einhegung von Hass auf eine kommunikative Praxis und die Lossagung vom metaphorischen und essenzialistischen Hassbegriff erleichtern die Analyse der Sprache-Bild-Strategien, bieten aber auch eine propere Angriffsfläche. Der totale Ausschluss der Affekte greift bei der Erfassung des Hasses und der Macht von Bildern zu kurz. Hass ist zuvörderst ein sedimentiertes Gefühl, ein verfestigter Affekt, dem mit Argumentation schwer beizukommen ist. Der Philosoph Aurel Kolnai betont, dass Hass bestrebt sei, „ein Weltbild des Hasses“ auszugestalten, das keineswegs auf pragmatische Konfliktlösung ausgerichtet ist. Hass zu durchleuchten und wirksame Techniken im Umgang mit Hass zu entwickeln, ist ohne eine Theorie oder eine Ökonomie der Affekte kaum möglich. Die „Affective Economy“ erzeugt durch die fortwährende, wiederholte Zirkulation von Bildern und Texten Gefühle, die als Bindemittel auch von Hasskollektiven dienen. Hasspostings sind manichäisch, sie zielen in erster Linie auf eine Gruppenbildung, auf eine Verstärkung von Vorurteilen. Diese aber können mit argumentativen Mitteln kaum gelöst werden. Es ist der weitverbreitete, im Judith-Butler-Epigonentum beherbergte Irrglaube, durch Reenactment, Hate Poetry und Resignifizierung den Hass zu minimieren oder gar aus der Welt schaffen zu können. Die Reduktion von Hass auf Techniken und Kommunikationsmittel unterschätzt die schwelende, zusammenschweißende, irrational-explosive Kraft von Hass und Bildern. Die Gefühlsansprache und die emotionale Rührung werden aber gerade durch simple Bilder ermöglicht oder auch durch eine poetische Fassung.Soziale MedienDie reflexhafte Reaktion aus einer Gefühlsregung heraus wiederum wird befeuert durch die Schnelligkeit der sozialen Medien und deren relative Gefahrlosigkeit für Leib und Leben. Den Blick nur auf die zerstörerischen und bedrohlichen Aspekte des Hasses zu richten, verkennt, dass Hass in der Menschheits- und Sprachgeschichte auch positiv gesehen wurde. Hasspoesie hat eine lange Tradition gerade in Befreiungskämpfen. So verwendete Georg Herwegh in seinem Lied vom Hasse lyrische Hassrhetorik für den sozialistischen Kampf gegen Freiheit und Unterdrückung: „Wir haben lang genug geliebt, Und wollen endlich hassen.“Wohin dieser Hass führen wird, unters Joch oder in die Freiheit, bleibt offen. Sicher aber ist der Weg vom Hass zur Gewalt nicht so kurz, wie Hornuff ihn zeichnet. Im Gegensatz zu verschiedenen juristischen Begriffen der Hassrede in den Vereinigten Staaten folgt aus Hass nach europäischer Rechtsauffassung nicht notwendig Gewalt. Dazwischen liegt die Hetze oder im besten Falle Poesie.Placeholder infobox-1Placeholder authorbio-1