Nix fürs Popscherl

Farce Die umstrittene Kabarettistin Lisa Eckhart verquirlt Fäkales, Rassismus, Bauernweisheiten – zur Posse „Omama“
Ausgabe 33/2020

Kulinarischen Genuss versprechen die wenigsten Romane. Nach linguistischen Schmankerln verzehren sich Leser oft vergebens, auch das Akustische kommt zu kurz. Das Augenmerk liegt auf dem gedruckten Wort, das vor allem visuell erfasst, je nach Saison pink oder bleu verpackt wird, vor allem aber dem herrschenden Tenor entsprechen soll. Einfühlsam und sicher werden gefühlte absolute Wahrheiten in die Welt hinausgeplärrt, die Papillen, die Ohrmuscheln und die Synapsen aber schmählich vernachlässigt. Lisa Eckhart, mit bürgerlichem Namen Lasselsberger, naturgemäß umstrittene österreichische, in Leipzig lebende Comedian, erhebt mit Omama einen anderen Anspruch: Genuss allerorten. Verzaubere ein Roman nicht dreifach, könne man sich „bestenfalls das Popscherl“ abwischen mit dem bekritzelten Papier. Kurzum: Für den Arsch soll nix aus Eckharts Feder sein.

Dem Analen allerdings kommt hier ein nicht unbedeutsamer Stellenwert zu. Das beginnt schon damit, dass ein „kotfarciertes Töchterchen“ auf die Welt kommt. Eine Farce kennen wir aus der Küchenkunst: Farcierte Tomaten, farciertes Geflügel und farcierter Fisch werden mit den richtigen Zutaten und raffiniertem Zubehör zu einem Hochgenuss. Die körperlichen Aufnahme- und Ausscheidefunktionen sind bei Eckhart – naturellement – eng miteinander verbunden. Es wird gemästet, was das Zeug hält, wobei nicht immer gehalten wird, was gehalten werden soll. Manche machen sogar eine Kunst aus diesem Haltverlust: Die Großmutter, Hauptprotagonistin des Romans, besitzt die eigentümliche Gabe, „im Schwimmen zu defäkieren“, was die Enkelin nicht davon abhält, sich mit der Omama in allerlei tiefes Gewässer und Fahrwasser zu begeben. Der Blitz soll andere „beim Scheißen treffen“, sofern sie es wagen, die Omama zu „verscheißern“. Gehäuft klingt’s monoton. Eckhart aber kennt sich aus in Exkrementeninspektion, ihr Wortschatz ist skatologisch geprüft und eine Bereicherung für die olfaktorische Tristesse deutscher Gegenwartsliteratur. In Omama werden Enkelinnen gestopft, ohne freilich zu dummen Puten und Gänsen zu mutieren. Die Enkelin wird schließlich mit der Gala fürs Leben instruiert, nicht mit Grimms Märchen. Dort werden Mädchen „Erfinderinnen, Feurwehrwehrfrauen (sic!) und hoffentlich auch irgendwann Sexualstraftäterinnen“. Prost Mahlzeit!

Sprache, prickelnd wie Brause

Die Kaltmamsell Eckhart macht ihren Kritikern ordentlich Feuer unterm Popscherl. In Russland „sind erfrischend wenig Neger“, und die Großmutter sieht „vom Neger ihr Geschäft bedroht“, denn im Grunde ist der ja auch nichts anderes als die österreichische Omama: Der eine schmuggelt Drogen, die andere ungarische Salami. Irgendwann passt sich zwar auch die dickköpfige Omama zeitgenössischen Sprachregelungen an und sagt ausschließlich „Schwarzer“, doch gelingt es ihr, „ihre Abschätzigkeit verlustfrei mitzunehmen“.

Das ist ein Hieb auf den Aberglauben an die Allmacht der Sprache und ein Stoß in die Magengrube für Adepten eines wohlverträglichen Buchstabensalats. Großmutter aber, so Eckharts Lob auf die eigensinnige Oma, erreichte mit ihrem gegen Hysterien à la mode immunen Sprachduktus und ihrer Vorliebe für Klatschzeitschriften „mehr als jede Genderpädagogik, die Kinderbücher produziert, wo die Prinzessin ein ebensolches Tabu ist wie der Neger“. Eckharts Roman ist trotz vehementer Sprachkritik an der Sprachkritik kein billiges Retourkutscherl. Kritiker, die ihre satirischen Qualitäten bestreiten und Rassismus unterstellen, kontert sie mit Bauernweisheiten respektive Stimmen des Volkes und der Völker, was sich als die differenziertere linguistische Perspektive erweist.

Daran kann man sich delektieren, sofern man es schon nicht goutieren mag. „Die postmoderne Paranoia hat uns alles madig gemacht“, so Eckhart. „Echte Butter ist der letzte Zufluchtsort des Absoluten“ ist ein Sprachbonbon, das prickelt wie Ahoi-Brause. Aber vielleicht gilt auch hier: „Womöglich ist das Dialektik. Womöglich auch nur postmodern.“ Gewiss aber ist die Lektüre des Romans ein Parforceritt durch den österreichisch-abendländischen Kulturkreis, mal führt uns Eckhart an der Longe, mal an der Nase herum. Ihre soziokulturellen Betrachtungen reichen vom Dorfdeppen über den Dorftrinker zur Dorfmatratze.

Das riecht nach Misthaufen und Hausruckviertel, aber hat nicht schon Thomas Bernhard das Ewig-Österreichische mitsamt seinen Kuriositäten und Kabinettstückchen am Kruzifix festgenagelt? Eckhart verleiht der Soziographie der Dorfbewohner noch einen besonderen Touch, indem sie das Auge für das Weibliche weitet. Da betatscht die Omama, was ihr zwischen die Finger kommt. Großmutter und Enkelin „kopulieren (...) kulinarisch miteinander dahin“, und die „Dorfmatratze“ ist alles andere als ein armes Hascherl, das vom männlichen Geschlecht mittels seines Gemächts missbraucht wird. Sie ist eine der vier „sakralen Säulen jeder dörflichen Gemeinschaft: Schönling, Matratze, Depp und Trinker“. Mitleid braucht man mit keinem dieser Spezis zu haben. Eckhart plädiert für die weniger inflationäre Verwendung des Begriffs und seine Substitution durch das diskretere und hilfreichere „Beileid“, das aber der Gier nach Spektakel und „Mitmachstimmung“ eher hinderlich ist.

Trotz ihres Degouts für sprachliche Sperenzien hat Eckhart ein Faible für sprachliche Differenzierung. Das muss man freilich begreifen und kann es wohl nur, wenn man die Existenz der Dummheit anerkennt. Doch Eckhart fragt zu Recht: „Fällt Ihnen auf, dass heute niemand mehr dumm ist? Auch nicht töricht, blöd, stupide oder einfach ein klassischer Trottel?“ Dummheit müsse wieder positiviert werden, so die Forderung. Zur Begründung: lesen! Eckharts Omama ist eine Farce, wie sie im Buche steht. Eine Posse in einem Mirakelspiel, in dem die Legende von der Omama durch den Fleischwolf gedreht wird, bis der Leser ein verzücktes Bäuerchen macht.

Info

Omama Lisa Eckhart Zsolnay 2020, 384 S., 24 €

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Geschrieben von

Ute Cohen

"Intelligenz lähmt,schwächt,hindert?:Ihr werd't Euch wundern!:Scharf wie'n Terrier macht se!!"Arno Schmidt

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