Die Grünen sind wieder die Deppen. Natürlich, das ihnen ans Herz gewachsene europäische Emissionshandelssystem wird ab Januar 2005 auch in Deutschland starten. Am vergangenen Freitag wurden dafür die wichtigsten Details in Paragraphen gegossen. Doch der wichtigste Baustein des Systems, der sogenannte nationale Allokationsplan (NAP), ist in den Verhandlungen weichgespült worden. Weder die angestrebte ökonomische Effizienz des Handels mit Kohlendioxid-Zertifikaten, noch dessen eigentliches Ziel, nämlich mehr Tempo im Klimaschutz einzulegen, werden mit dem vom Bundestag verabschiedeten NAP-Gesetz erreicht.
Weil der Plan Gesamtvolumen und Verteilungsregeln für die Emissionsrechte festschreibt, war er von Anfang an umkämpft. Schließlich werden die Zertifikate mit dem Start des Systems ab Januar 2005 bares Geld wert sein. Wer weniger braucht, als er benötigt, kann sie am Markt verkaufen, Betreiber von Dreckschleudern wären die Käufer. Im monatelangem Hickhack zwischen den Bundesministerien für Umwelt und Wirtschaft wurde der NAP deshalb mehrmals zerpflückt und neu zusammengesetzt. Das ohnehin komplexe Werk wurde im Verlauf immer komplizierter - und wirkungsloser.
Der Kanzler hat irgendwann ein Machtwort gesprochen und damit den Schlagabtausch zwischen Jürgen Trittin und Wolfgang Clement beendet. Aus grüner Sicht dürfte die Tragik der Geschichte in der transportierten Außenwirkung liegen: Hier umweltpolitische Träumerein, dort Verantwortung für Standort und Beschäftigung. Das sind die schlichten Bilder, die gemeinhin beim Wahlvolk nach solchen Duellen hängen bleiben. Auch die Gewerkschaften bedienten dieses bequeme Klischee mit gespenstischen Demonstrationen gegen den Umweltminister - wider besseren Wissens.
Es waren Trittin und seine Experten, die das europäische Emissionshandelssystem für Deutschland nicht nur ökologisch, sondern auch innovativ, kostensparend und beschäftigungswirksam ausgestalten wollten. Und es waren Clement und die hinter ihm drängelnden, heillos zerstrittenen Vertreter konkurrierender Energieversorger und Industriesparten, die genau das verhinderten. Durch den zweifelhaften Versuch, die höchst unterschiedlichen Interessen der großen Player wie RWE, E.ON, EnBW oder des Verbandes der Stahlindustrie halbwegs unter einen Hut zu bekommen, dürfte der Klimaschutz nun unter dem Strich teurer werden. Denn Emissionen sollten ursprünglich mittels des Handels dort vermindert werden, wo es am billigsten ist. Doch wenn kaum Käufer am Markt agieren, weil zu viele Zertifikate im Umlauf gebracht werden, kommt das System zum Erliegen. Der Staat muss wieder ordnungspolitisch eingreifen, sollen die Klimaziele erfüllt werden.
Die festgesetzte Menge an Zertifikaten, die den Anlagen bis September zugeteilt wird, schafft wenig Anreize, auf klimaschonende Technologien umzusteigen. Die Erstausstattung mit Emissionsrechten orientiert sich quasi am Status quo. Energieintensive Anlagen der Energiewirtschaft und der Industrie - nur sie sind emissionshandelspflichtig - müssen ihre CO2-Emissionen in Deutschland bis zum Durchschnitt der Jahre 2008 bis 2012 insgesamt nur um zwei Prozent reduzieren. Die rund 2.400 Anlagen, die diesem System hierzulande unterliegen, erhalten aber zunächst nur Zertifikate für die erste Zuteilungsperiode von 2005 bis 2007. Sie brauchen ihren CO2-Ausstoß in diesem Zeitraum quasi nicht zu vermindern, denn sie sollen ihn nur von 505 Millionen Tonnen im Jahr 2002 auf 503 Millionen Tonnen senken - um schlappe 0,4 Prozent.
"Energiewirtschaft und Industrie müssen damit wesentlicher weniger Einsparungen leisten, als sie sich 1998 in ihrer Selbstverpflichtung vorgenommen haben", erklärt Christoph Bals von der Umweltorganisation Germanwatch. Mit dem NAP hätten beide rund 15 Millionen Tonnen an Einsparungen geschenkt bekommen. Damit stehe sogar die Erfüllung des deutschen Kyoto-Ziels in Frage, denn "dieses Volumen müssen nun vor allem der Verkehr und die privaten Haushalte zusätzlich bringen." Die bislang beschlossenen Maßnahmen, wie Wärmedämmungsprogramme oder Ökosteuer reichten dafür aber definitiv nicht aus, so Bals.
Aus dem verabschiedeten Gesetz ergeben sich auch Einsparziele für die Sektoren jenseits des Emissionshandels. Verkehr, Haushalte und Gewerbe müssen demnach ihre CO2-Emissionen in der zweiten Zuteilungsperiode insgesamt auf 349 Millionen Tonnen und damit um sechs Prozent gegenüber 2002 senken. Das ist - bezogen auf die Prozentzahl - drei mal mehr als Industrie und Energiewirtschaft abverlangt werden. "Ob die EU-Kommission der Bundesrepublik das durchgehen lässt, wird sich zeigen", kommentiert Christoph Bals.
Felix Matthes, Energiespezialist des Öko-Instituts, meint, man könne neben fast jedem Paragraphen des Gesetzes den Namen der Firma schreiben, die ein Interesse an der jeweiligen Formulierung hatte. Dennoch hat der NAP für ihn etwas Gutes: "Wir haben die Architektur eines neuen Instruments. Das ist langfristig nicht zu unterschätzen", so der Wissenschaftler. Das könnte für die Grünen ein kleines Trostpflaster sein.
Der nationale Allokationsplan
Nach langem Streit wurde das Gesetz für den nationalen Allokationsplan am Freitag vergangener Woche verabschiedet. Es enthält gegenüber dem Entwurf der ersten Lesung zahlreiche Änderungen. So sind die Vorschriften für Härtefälle jetzt großzügiger ausgestaltet. Ferner ist nun der Reservefonds für Neuinvestoren nicht mehr auf jährlich drei Millionen Tonnen begrenzt. Wird dieses Volumen überschritten, so kauft die staatliche KfW-Bank (Kreditanstalt für Wiederaufbau) am EU-Markt Zertifikate und übergibt sie kostenlos an die Newcomer. Die Rechte sollen der KfW später aus einer zu bildenden Reserve der zweiten Zuteilungsperiode (2008 bis 2012) erstattet werden.
Auf Betreiben der Grünen ist die sogenannte Malus-Regelung schärfer ausgefallen: Alten Kohlekraftwerken werden 15 Prozent Zertifikate abgezogen, wenn sie im Jahr 2010 einen Wirkungsgrad von weniger als 32 Prozent (vorher 31 Prozent) haben. Dagegen brauchen Anlagen, die gegenüber Anfang 1994 Emissionsverminderungen von mindestens 40 Prozent nachweisen, nunmehr bis 2012 keine weiteren Einsparungen mehr zu erbringen. Ab sieben Prozent Effizienzsteigerung gelten die ursprünglichen Regelungen weiter, nach denen Vorleistungen im Klimaschutz anerkannt werden. Und schließlich wurden die Ausnahmeregeln für Stadtwerke verbessert: Die klimafreundliche, gemeinsame Produktion von Strom und Wärme (Kraft-Wärme-Koppelung) wäre sonst systematisch gegenüber anderen Erzeugungsarten benachteiligt gewesen.
Die genannten Änderungen gehen genauso wie die schon existierenden Sonderregeln zu Lasten der übrigen Anlagen. Die müssen ihren Ausstoß jetzt bis 2007 um knapp drei Prozent reduzieren, das ist ein Fünftel mehr als vorher. Unter dem Strich ändert dies aber nichts am magereren Gesamtreduktionsvolumen von 0,4 Prozent in der ersten und zwei Prozent in der zweiten Zuteilungsperiode gegenüber 2002.
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