Der Doktortitel muss aberkannt werden

Täuschung Ein Gespräch mit dem Bremer Staatsrechtler Andreas Fischer-Lescano, der Karl-Theodor zu Guttenberg nachgewiesen hat, dass Teile seiner Doktorarbeit abgeschrieben sind

Der Freitag: Herr Fischer-Lescano, was hat Sie getrieben, sich die Doktorarbeit von Minister Karl-Theodor zu Guttenberg vorzunehmen und auf abgekupferte Stellen hin zu untersuchen?

Andreas Fischer-Lescano: Reine wissenschaftliche Neugier, weil ich zu den Fragen, die das Buch behandelt, arbeite. Routinemäßig – so wie ich es auch mit den Arbeiten etwa von Studierenden mache – habe ich dann auffällige Textstellen bei Google eingegeben und entdeckt, dass sie abgeschrieben waren.

Wieso stachen Ihnen bei einer Doktorarbeit von 475 Seiten ausgerechnet diese Textstellen ins Auge?

Es waren teilweise einfach sehr kritische Wortgruppen. Sie befanden sich auf einem Argumentationsniveau, das ich für eine juristische Dissertation schwierig fand. Ich dachte, er hätte sie vielleicht aus seinen politischen Reden übernommen, begann im Internet zu suchen – und stieß auf ganz andere Quellen.

Es gibt doch jetzt diese akademische Plagiats-Software, mit der auch Seminararbeiten durchsucht werden – Sie vertrauen auf Google?

Ich für meinen Teil habe mit der Software gemischte Erfahrungen gemacht, außerdem muss man dafür die Texte in elektronischer Fassung vorliegen haben, das hatte ich aber nicht.

Sie kritisieren, dass zu Guttenberg für seine Arbeit die Bestnote "Summa Cum Laude“ bekommen hat – auch ohne Plagiate hätte ihm die nicht gegeben werden dürfen, finden Sie. Haben seine Doktorväter an der Bayreuther Uni sich blenden lassen?

Da möchte ich nichts unterstellen. Jedenfalls hätte zu Guttenberg bei mir an der Uni Bremen für diese Arbeit kein Summa bekommen.

Wie werden die zuständigen Stellen denn nun vorgehen?

Ich finde den Vorgang wissenschaftlich so skandalös, dass es eigentlich nur eine Entscheidung geben kann: Die Aberkennung des Doktortitels. Weitere Maßnahmen wären, dass der Vertrieb des Buches eingestellt würde und die Passagen im Text noch kenntlich gemacht werden.

Und wenn Guttenberg sich das nicht gefallen lassen und etwa dagegen klagen will?

Es gibt einen Fall mit großer Ähnlichkeit in Tübingen, in dem etwa im selben Maß und Umfang abgeschrieben wurde: Da hat das Bundesverfassungsgericht durch Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde bestätigt, dass der Entzug des Doktortitels rechtens war. Der Verwaltungsgerichtshof Mannheim hat in diesem Zusammenhang erklärt, dass gerade die kleineren Veränderungen am Text die Täuschungsabsicht belegten. „Plagiat“ ist ja ein rechtlich unklarer Begriff – was juristisch im Kontext der Doktorarbeit zählt, ist die Täuschung. Die ist meiner Ansicht nach in Guttenbergs Fall gegeben, damit hat er die Promotionsordnung verletzt.

Macht es dabei einen Unterschied, ob die abgeschriebenen Stellen sinntragend für die Arbeit sind, oder eher Füllmasse?

Nein. Es wird auch nicht gehen zu behaupten, es seien doch bloß fünf oder zehn Prozent abgeschrieben, der Rest sei eigenes Werk. Die Bagatellgrenze von wenigen Zeilen ist bei weitem überschritten, das zählt.

Interview: Ulrike Winkelmann


Andreas Fischer-Lescano (38) lehrt Öffentliches Recht, Völkerrecht und Europarecht an der Universität Bremen. Seine Rezension zu Karl-Theodor Frhr. zu Guttenbergs Doktorarbeit "Verfassung und Verfassungsvertrag. Konstitutionelle Entwicklungsstufen in den USA und der EU" erscheint im Februar in der Zeitschrift Kritische Justiz Heft 1, 44. Jahrgang 2011.

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Geschrieben von

Ulrike Winkelmann

Ressortleiterin Politik

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