Lobbyisten päppeln mit der ZEIT

Rüstungsindustrie Was treibt seriöse Zeitungen dazu, Politiker der Rüstungsindustrie zuzuführen?

Im Grand Elysee, einem der teuersten Hamburger Hotels, sprach gestern Abend ein hoher Gast. Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg, von Bild wie Spiegel gerade zum König von Deutschland gekürt, erklärte auf der „ZEIT-Konferenz Internationalen Sicherheitspolitik“, dass die Rüstungsindustrie mit ihrer Produktentwicklung wirklich in die Schuhe kommen müsse. Schließlich bekommt die Bundesregierung sonst Probleme, den Kauf der hochpreisigen Ware zu rechtfertigen.

„Wir können nicht Jahrzehnte an Dingen herumbasteln, wo dann möglicherweise die Ausbilder schon wieder in den Ruhestand zu schicken sind, ohne dass überhaupt das Gerät bereit ist", sagte der Minister. Zur Illustration: Den Kauf des Eurofighters, zwischenzeitlich auch „Jäger 90“, plante die Bundesrepublik ab 1984. In den Dienst gestellt wurde der erste Flieger 2004.

Dies war dann aber auch die harscheste Kritik an der Industrie, die vom Minister aus Hamburg überliefert ist, der an anderer Stelle auch schon weit offenherziger erwogen hat, Rüstungsprojekte ganz zu streichen. Dabei saß vor Guttenberg die wirklich denkbar geeigneteste Auswahl von Ansprechpartnern: Rüstungslobbyisten zuhauf. Ein Blick in die Konferenzbroschüre zeigt, dass es der Wochenzeitung ZEIT gelungen ist, politische, militärische und wirtschaftliche Entscheider in geeignetem Ambiente zusammenzuführen.
Allein auf den Podien saßen und sitzen noch am heutigen Dienstag etwa der Geschäftsführer Kai Horten der ATLAS ELEKTRONIK, die Sensoren vor allem für Kriegsschiffe entwickelt, Ulrich Bernhardt vom WEW Westerwälder Eisenwerk, das Tankcontainer liefert, und natürlich ein unvermeidlicher Unternehmensberater von Roland Berger, spezialisiert auf die Sicherheitsindustrie. Gesponsort wird die Veranstaltung von den genannten Unternehmen sowie unter anderem von EADS, Krauss-Maffei Wegmann und ThyssenKrupp Marine Systems. Trotzdem scheint es nötig, jedem Teilnehmer noch 1.600 Euro Gebühr abzuverlangen – ob es Studentenermäßigung gab, ist nicht bekannt.

Ob sich die ehrwürdige ZEIT von einer solchen Konferenz wohl die Orientierung erhofft, die sie selbst ihren Leserinnen und Lesern stets verspricht? Herausgeber Josef Joffe schreibt in seinem Geleitwort zur Broschüre freundlich: „Wie begründet man Kampfeinsätze fern vom eigenen Land? Wie lange hält man sie durch? Im Guerilla-Kampf in Afghanistan ist eine andere Ausrüstung gefragt als für die Panzerschlacht in Europa.“ Es müsste den einen oder die andere in der grundsätzlich seriösen ZEIT-Redaktion eigentlich schütteln bei der Vorstellung, dass die ZEIT die sicherheitspolitische Debatte vor allem mit Erwägungen bereichern sollte, wie die Rüstungsindustrie der Politik helfen kann, das richtige Gerät für die Bundeswehr zu erwerben. Mit freundlicher Unterstützung oben genannter Betriebe.

Wobei das Konferenzwesen, in dem Zeitungsverlage Politik und Lobby zusammenführen, insgesamt recht weit gediehen ist. Das Handelsblatt hatte seine Rüstungs-Konferenz erst vor zwei Wochen in Berlin, konnte dafür allerdings nur den Staatssekretär Christian Schmidt gewinnen, eine weit weniger glamouröse Person als der Minister und außerdem bedeutungslos. Prompt schrieb das Handelsblatt im Konferenz-Bericht, dass Guttenberg offenbar dem „Schreckensszenario über den Zustand der Verteidigungsindustrie seit der schwarz-gelben Regierungsübernahme“ sowie dem „Horror“ der unter Auftragsschwäche leidenden Industrie ausweichen wollte.

Interessierte sollten sich auch schon einmal Ende November für „Health“ freihalten, der regelmäßigen Handelsblatt-Tagung für „Top-Entscheider im Gesundheitswesen“ mit, wen wundert's, erkennbarem Pharmaschwerpunkt. Das Handelsblatt ist nun ein Wirtschaftsmedium und macht aus seiner Zielgruppe keinen Hehl – so wenig wie die Financial Times Deutschland, die für kommende Woche zu einer verwirrend klingenden Veranstaltung einlädt: Auf dem oder im „CMO-Circle 2010“ in Düsseldorf sollen offenbar Kundenorientierung und Marketing vertieft besprochen werden. Was aber die ZEIT nötigt, sich auf das glitschige Parkett des Lobbyisten-Päppelns zu begeben, zudem die Auflagenzahlen sich doch angeblich stets so wunderbar entwickeln, bleibt ihr Geheimnis.

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Geschrieben von

Ulrike Winkelmann

Ressortleiterin Politik

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