Sieg der Wissenschaft

Guttenberg Guttenberg tritt ab – es war der Aufstand der Akademiker, der ihn zum Rücktritt bewogen hat. Gut so

17.000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, unterstützt von unzähligen Anhängern eines der Wahrheit verpflichteten Wissenschaftsbegriffs, waren womöglich einer zuviel: Karl-Theodor zu Guttenberg ist doch noch zurückgetreten, und es war wahrscheinlich der Aufstand der Akademiker, der ihn dazu bewogen hat. Eine Unterschriftenliste wurde blitzschnell vertausendfacht durchs Netz gereicht, die gesamte Hochschul-Community schrie auf: Wenn Guttenberg im Amt bleibt, ist Wissenschaft in Deutschland nichts mehr wert.

Es waren aber auch die Stellungnahmen einzelner Professoren, die an Deutlichkeit („... einem Betrüger aufgesessen“) täglich zunahmen, die den beiden Doktorinnen Angela Merkel und Annette Schavan wie Fausthiebe vorgekommen sein müssen: Wer diesen Mann im Kabinett duldet, möge sich mit Geschwätz zum Bildungs- und Forschungsstandort bitte künftig zum Teufel scheren.

Ja, jeder weiß, dass im Wissenschaftsbetrieb abgekupfert wird, dass die Professoren im Uni-Alltag das hehre Ideal nicht jederzeit hochhalten, sondern sich womöglich selbst der gerade im Trend liegenden Textbausteine bedienen, um Drittmittel und Exzellenzgelder einzuheimsen. Doch das Ausmaß, in dem Guttenbergs Arbeit zusammenkopiert ist, sprengt jede bislang bekannt gewordene Dimension. Und ja – es begann an den Rändern der Union zu bröckeln: ein Ministerpräsident, der in wenigen Tagen abtritt (Wolfgang Böhmer), ein Ex-Ministerpräsident, der nichts mehr zu beschicken hat (Günther Beckstein), ein Bundestagspräsident, der sich bei Merkel bereits unbeliebt gemacht hat (Norbert Lammert) äußerten Kritik. Doch das hätte bislang auch die wenigsten beeindruckt.

Nein, es waren genau die Universitären, die oft belächelten Gelehrten, die Elfenbeinturmbewohner, die Nicht-Bild-Leser, die hier die Machtprobe gegen die Bild-Zeitung und einen Bild-gestützten Umfrageliebling gewagt und gewonnen haben. Hätte es ihren Aufschrei nicht gegeben, hätten die Stimmungspegler bei Spiegel Online und anderswo kein Material mehr gehabt, um die Aufmacher zu bestreiten. Wer jetzt nölt, dass hier die privilegierten Bürgersöhnchen und -töchterchen an den Hochschulen ihren Status verteidigen: bitte schön. Die Alternative ist gegenwärtig, dass Bild-Chef Kai Diekmann dem Volk einen Kanzlerkandidaten verordnet, weil er sein Kumpel in Gel und Geist, sowie familiär auf dem Boulevard optimal vermarktbar ist.

Vielleicht kommt ja auch gleich morgen noch eine andere Wahrheit heraus – etwa dass Gutenberg zurückgetreten ist, weil sein Referent oder die Referentin enttarnt wurde, der oder die für ein hübsches, vielleicht fünfstelliges Sümmchen das „Summa cum laude“ erschlichen hat. Doch auch dies würde den Triumph der Akademiker kaum schmälern. Sie haben ihren Begriff von Wahrheit und Ehre verteidigt und sich selbst darauf verpflichtet. Dem Wissenschaftsbetrieb kann das nur gut tun.


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Geschrieben von

Ulrike Winkelmann

Ressortleiterin Politik

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