Es ist der öffentlichen Aufmerksamkeit weitgehend entgangen, dass die Bundeswehr in Nord-Afghanistan jüngst militärische Fortschritte erzielt hat – ein besonders kritischer Landstrich wurde den Taliban entrissen. Doch weiß die Bundesregierung wohl auch nicht, ob dieser Erfolg von Dauer sein wird, darum hat sie ihn gar nicht erst zu verkaufen versucht.
Solche teils resignative Zurückhaltung, ja Unsicherheit prägt den ganzen „Fortschrittsbericht Afghanistan“, den die Regierung diese Woche veröffentlichte. Auf seiner Grundlage wird der Bundestag im Januar auch erneut über die Verlängerung des Afghanistanmandats abstimmen.
Immerhin. Die Einsicht, dass die internationale Gemeinschaft seit 2001 in Afghanistan eine ungeheure Geldmenge für vergleichsweise kleine Fortschritte und viele bittere Rückschläge bezahlt hat, spricht aus beinahe jeder Zeile des über 100-seitigen, recht detaillierten Dokuments.
Und doch ist er an den Stellen mit Signalcharakter ganz auffällig uneindeutig. So wenig wie die Verabredungen des Nato-Gipfels von Lissabon im November taugt der Bericht dazu, Vertrauen in einen Abzugsbeginn 2011 und ein Ende des Einsatzes im Jahr 2014 zu stiften.
Vorgetäuschte Naivität
Diese Jahreszahlen sind aktuell zwar in aller Politiker Munde. Die SPD wird sich auf Grundlage dieser Kennziffern in einem Akt der vorgetäuschten Naivität ihre erneute Mandats-Zustimmung abringen lassen – sie weiß um die trügerische Natur der Zahlen, will ihrerseits aber Wähler damit gewinnen. Auch möchte Guido Westerwelle – nachzulesen in den Wikileaks-Dokumenten aus der US-Botschaft – vermutlich wirklich der Außenminister werden, unter dem der Einsatz beendet wurde.
Der Fortschrittsbericht ist aber wesentlich offener gefasst, als Westerwelles markige Erklärungen stets klingen. Dort steht bloß, es sei das „Ziel der Bundesregierung“, den afghanischen Sicherheitskräften im Laufe des Jahres 2011 die Verantwortung zu übergeben. Doch folgt: „Dies wird nicht sofort zu einem Abzug der Soldaten führen, dafür aber eine klare Perspektive ab 2012 eröffnen.“ Und weiter hinten: Die afghanische Regierung werde „auch über 2014 hinaus“ um „die Unterstützung durch Ausbildungskräfte und Schlüsselfähigkeiten der Bundeswehr“ bitten.
Schlüsselfähigkeiten, aha. Und was soll es schon heißen, wenn die Verteidigungspolitiker nun formulieren, die „Kampftruppen“ würden bis 2014 abgezogen, die Bundeswehr solle dann nicht mehr „auf der Straße“ sein? Auch jetzt schon wird ein Großteil der ISAF-Soldaten nicht mehr als Kampf-, sondern als Ausbildungstruppen bezeichnet – die eben gegebenenfalls kämpfen müsen. Von den 4.600 Bundeswehr-Soldaten in Afghanistan befinden sich auch jetzt nur jeweils wenige hundert „auf der Straße“. De facto halten sich Nato und deutsche Politik mit ihren Angaben alles offen – bis nach 2014.
Was ist Ihre Meinung?
Kommentare einblendenDiskutieren Sie mit.