Zwölf Jahre für zwölfstellige Profite

Atomkraft Schwarz-Gelb hat sich auf eine Laufzeitverlängerung für die Atomkraftwerke geeinigt. Wenn sie nicht sachlich sein muss, hält die Koalition sogar Wahlversprechen ein

Sage keiner, die Kanzlerin sei keine begnadete Kommunikationsstrategin. Die „Forschung im Bereich von Speicherbausteinen und Gebäudesanierungen zur besseren Wärmedämmung“ werde von Schwarz-Gelb ab sofort mit aller Macht vorangetrieben, erklärte Angela Merkel am Montagmorgen.

Ach ja: Und die Laufzeiten der Atomkraftwerke, die würden auch verlängert. Die alten AKW dürfen acht Jahre länger laufen, die neuen 14 Jahre, macht im Schnitt zwölf Jahre. Und nein: Wann der letzte Meiler vom Netz gehen wird, das lasse sich noch nicht sagen, bedauerte die Kanzlerin.

Um die politische und mediale Durchschlagskraft der Laufzeitverlängerung zu relativieren, haben die Koalitionsspitzen beschlossen, auch die Vorstellung des lange erwarteten, dann auf Ende September terminierten Energiekonzepts vorzuziehen. Drum soll es hier erst einmal ignoriert werden. Denn der Konflikt um die Laufzeitverlängerung mag von vielen Beobachtern als rein symbolische Politik abgetan werden. Doch schreiben die vier Atomkonzerne damit erst einmal gar nicht so symbolische zwölfstellige schwarze Zahlen, ohne dass erkennbar wäre, ob irgendwer sonst etwas davon hat außer den Aktionären von RWE, E.on, EnBW und Vattenfall.

Nach Berechnungen der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) könnten die Energieversorger bei einer Laufzeitverlängerung um zwölf Jahre mit Zusatzgewinnen von 119 Milliarden Euro rechnen, bei steigenden Strompreisen sogar mit bis zu 233 Milliarden Euro, zitierte denn Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin auch sofort eines seiner aktuellen Lieblings-Gutachten.

Umso unlogischer kommt daher auch die geplante Brennelementesteuer daher, mit der die Regierung wenigstens einen Teil dieser Zusatzgewinne abschöpfen möchte: Wenn die Steuer nun politisch an die Laufzeitverlängerung geknüpft wird – warum bloß wird sie auf sechs Jahre begrenzt und nicht auf zwölf Jahre? Weil man einer 2013 zu wählenden nächsten Bundesregierung das Geld nur für eine halbe Legislaturperiode gönnt?

Zwölf Jahre aber sind nun die Frist, die Schwarz-Gelb für einen Kompromiss hält zwischen der Geduldsspanne der mehrheitlich atomgegnerischen Bevölkerung einerseits und dem Preis der Kooperationsbereitschaft der vier Großkonzerne samt ihrer Freunde und Vertreter in Union und FDP andererseits. Es sind zwölf Jahre, in denen Jahr für Jahr rund 400 Tonnen hochradioaktiver Müll anfallen, von denen keiner weiß, wo sie verbuddelt werden sollen. Vermutlich setzen die Ministerpräsidenten von Hessen (Biblis A/B) oder Baden-Württemberg (Neckarwestheim) darauf, dass sich noch ein irgendein Handel mit einer instabilen Republik oder Diktatur weiter östlich treffen lässt (Moldau? Weißrussland?), der man im Gegenzug für die Müll-Abnahme etwas versprechen kann.

Diese Frist hat in der Sache, nichts, aber auch gar nichts mit irgendwelchen – sei's erkauften, sei's redlich angestellten – Berechnungen zum möglichen Ausbau der Erneuerbaren Energien zu tun. Es ist vielmehr ziemlich genau das, was Angela Merkel im Wahlkampf 2009 den Energieversorgern versprochen hat: Schon damals sprach sie von zehn bis 15 Jahren. Immerhin in diesem einen Belang muss man Schwarz-Gelb zugestehen, dass sich die Koalition an ein Wahlversprechen hält.



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Geschrieben von

Ulrike Winkelmann

Ressortleiterin Politik

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