Der Kampf um 5G als Wegweiser für die EU

Digitalisierung Die EU muss sich aus dem geopolitischen Dilemma der 5G-Frage befreien. Das geht am besten durch eine EU-weite Lösung zur Konsolidierung des Telekommunikationsmarkts.

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Dass die EU-Finanzminister es nach tagelangen zähen Ringen endlich geschafft haben, ein 500-Milliarden-Euro Hilfspaket gegen die Corona-Krise zu verabschieden, ist eine gute Nachricht in diesen Zeiten. Dieser gewaltige Kraftakt ist ein viel erwartetes Signal der Solidarität der mitteleuropäischen Staaten an die vom Virus so hart getroffenen EU-Länder im Süden.

Aber wie bei so vielen in diesen Tagen geschnürten Hilfspaketen kommt die Rechnung für diese Unsummen erst in den nächsten Jahren, wenn die Krise vorbeigezogen ist. Der Fokus auf die derzeitige Situation ist richtig und wichtig, und Kosten sollten nicht gescheut werden. Dennoch muss es vielen klar sein, dass andere für die Zukunft so wichtige Entwicklungen dabei auf der Strecke bleiben werden – sehr zum Nachteil unserer post-Covid-19-Wirtschaft.

Traum und Wirklichkeit

Ein Paradebeispiel dafür ist die von der Bundesregierung lang anvisierte Digitalisierung und der Ausbau des 5G-Netzes. Deutschland hat schon seit Jahren seine liebe Not mit den Themen Netzausbau und 5G. Beides war schon vor der jetzigen Krise ein zähes Streitthema, denn obwohl die Politiker der Republik gerne über eine hochdigitalisierte Zukunft sinnieren, in der Künstliche Intelligenz und Smart Grids eine neues Informationszeitalter eingeläutet haben, hinkt Deutschland in Sachen Breitbandausbau und Technologie dem internationalen Feld weiter hinterher.

Berlin hat immerhin kleine Fortschritte zu vermelden, wenn auch nur auf dem Papier. Die im November letzten Jahres vorgestellte Mobilfunkstrategie soll mittels €1,1 Milliarden bis zu 5.000 neue Mobilfunkstandorte aufbauen, immer noch weit verbreitete Funklöcher bis 2024 stopfen und dadurch „den notwendigen Grundstein für einen schnellen und erfolgreichen Aufbau der 5G-Netze in Deutschland“ legen.

Aber die Corona-Krise hat diese Planung zunichte gemacht. Der Druck zu Handeln steigt also noch mehr. Deshalb ist es um so tragischer, dass das Problem mit 5G nicht nur rein technischer, sondern auch sehr politischer Natur ist.

Deutschland in der Huawei-Falle?

Wenn es um Anbieter von 5G-Technologie geht, ist das Feld sehr begrenzt. Neben den europäischen Firmen Ericsson und Nokia ist Chinas Huawei der unbestrittene Platzhengst auf dem Weltmarkt – eine Tatsache, die geopolitisch hochbrisant und mit vielen Risiken behaftet ist.

Weil Huawei enge Verbindungen zum chinesischen Staat und seinen Nachrichtendiensten nachgesagt wird, drängen die USA ihre europäischen Partner, Nutzung von Huawei-Material in ihren 5G-Netzen auszuschließen. Die Sorge der Amerikaner, Huawei könnte seine Technologie als „Trjoanisches Pferd“ für Spionage und Sabotageakte auf Befehl Pekings einsetzen und so Europas und NATOs Sicherheit gefährden, wird von Deutschlands Sicherheitsbehörden geteilt. Auswärtiges Amt, Bundesnachrichtendienst und unabhängige Experten haben mehrfach ausdrücklich vor dem Sicherheitsrisiko gewarnt. Auch der Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) forderte den Ausschluss von 5G-Anbietern, die ein Sicherheitsrisiko darstellen.

Für Angela Merkel ist die Sache weniger klar. Im Gegenteil: die Kanzlerin ist in einer äußerst unangenehmen Situation. Zum einen muss sie sich jetzt zwischen guten Beziehungen zu China und oder den USA entscheiden. Zum anderen steht viel für Deutschlands Wirtschaft auf dem Spiel, denn 5G ist für eine zukunftsfähige, innovative Wirtschaft unabdingbar – die Covid-19-Krise, in der Home-Office und Online-Unterricht zur Norm geworden sind, hat dies nochmals mehr als deutlich gemacht.

Außerdem ist China Deutschlands wichtigster Handelspartner – eine Tatsache, die Chinas Botschafter in Berlin für eine unverhohlene Drohung zu nutzen wusste und damit das Feuer weiter anfachte: China werde „nicht einfach still dasitzen“, sollte Deutschland Huawei vom Aufbau des 5G-Netzes ohne eindeutige Beweise ausschließen. Wenig überraschend, dass Merkel das Sicherheitsrisiko für kontrollierbar hält und sich gegen einen gezielten Ausschluss bestimmter Unternehmen aussprach – sehr zum Ärger der FDP und Norbert Röttgens, immerhin Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses.

Trotz der offiziellen Bedenken ist die Lage verzwickt, die Deutschland in ein schwieriges Dilemma bringt. Im Jahre 2019 war Huawei nach Siemens das Unternehmen mit den meisten Patentanmeldungen in Deutschland und ist ein Technologietreiber, dessen Komponenten schon in den 3G und 4G-Netzen verbaut sind. Die Herauslösung Huaweis aus bestehenden Netzen und Ausschluss aus den geplanten 5G-Netzen wäre daher teuer und würde die Digitalisierung erheblich verzögern.

Die europäische Lösung

In Anbetracht der immensen Kosten, welche die EU-Staaten aufgrund der Corona-Krise noch viele Jahre spüren werden, mag die Aussicht auf weitere Kosten bezüglich 5G wenig verlockend wirken. Trotzdem ist das letzte Wort noch lange nicht gesprochen.

Es kann gut sein, dass Berlin letztendlich die europäische Lösung im Netzausbau-Streit sucht. Auch wenn Merkel-Deutschland in den letzten Jahren innerhalb der EU eher egoistisch gehandelt hat, so ist der sich erhöhende Druck aus den eigenen Reihen ihrer Partei, zusätzlich zu diversen staatlichen Behörden sowie internationalen Partnern, ein signifikanter Faktor, der Merkel dazu veranlassen könnte, den USA zu folgen, statt vor Peking zu kuschen.

In diesem Sinne ist der Ruf von Norbert Röttgen nach europäischer Solidarität im Huawei-Streit eine Chance für Berlin, nicht nur sich, sondern die gesamte EU gegen China zu stärken, indem Europas eigenen Hauptlieferanten von 5G-Technologie – Ericsson und Nokia – unter die Arme gegriffen wird. Europas Staatchefs ist bewusst, dass diese Firmen aufgrund der staatlichen Subventionen für Huawei einen beachtlichen Wettbewerbsnachteil gegenüber dem Telekommunikationsgiganten haben.

Um den etwas entgegenzusetzen, sollten die EU-Staaten als Gegenleistung für Investitionen in robustere Sicherheitsanforderungen langsam Lizenz- und Frequenzgebühren senken und die Versteigerungsausgaben der Betreiber zu reduzieren. Gleichzeitig muss der Telekom-Markt vereinigt werden.

Derzeit ist der europäische Telekommunikationssektor durch nationale Grenzen zersplittert, was noch durch die Tatsache verschlimmert wird, dass jedes EU-Land seine eigenen Betreiber hat. Eine EU-weite Konsolidierung des Sektors würde es europäischen Anbietern somit ermöglichen, fast eine halbe Milliarde europäischer Kunden zu bedienen und so in Sachen Wachstum mit den amerikanischen und chinesischen Märkten mitzuhalten. Bisher wurden Schritte in diese Richtung von den Brüsseler Behörden blockiert.

Ein stärkeres Europa

Es steht außer Frage, dass China diese Entwicklungen mit Sorge betrachtet und den Druck auf Deutschland weiter hochfahren wird. China hat viel zu verlieren, würde die Bundesrepublik endgültig ins anti-Huwaei-Lager wechseln – Deutschland ist ebenfalls wichtiger Handelspartner für China und die Zentralregierung versucht seit jeher, Berlins Gewicht innerhalb der EU für ihre Zwecke auszunutzen.

Sollte Berlin sich gegen Huawei und damit gegen Peking entscheiden, so ist die Signalwirkung für die Europäische Union immens. Im Interesse der EU sollte Deutschland einen wirtschaftlichen Impuls geben, um technologische Unabhängigkeit, Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum Europas zu ermöglichen. Für ein starkes, geeintes Europa wäre dies genau das richtige Signal zur richtigen Zeit.

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