Spiel mir das Lied vom Rebhuhn

Volksinitiative Nach dem Erfolg in Bayern wird das Thema Artenschutz auch in Brandenburg debattiert
Ausgabe 09/2019
Spiel mir das Lied vom Rebhuhn

Illustration: Susann Massute für der Freitag, Material: MK-Photo/Adobe Stock

Ein Rebhuhn, das versucht, von einer Seite des Ackers auf die andere zu gelangen, läuft und läuft und läuft ... Und während es noch läuft und strampelt, muss es auf der Strecke verhungern.“ Das sagt Thomas Volpers, der stellvertretende Landesvorsitzende des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) in Brandenburg. Die Ackerflächen, so Volpers, seien einfach zu groß, sie böten Rebhühnern, aber auch Insekten, Schmetterlingen, Amphibien und kleinen Vögeln keine Möglichkeit, sich auf der Strecke auszuruhen oder Nahrung zu finden. Die riesigen Ackerflächen, sagt er, bräuchten eine Strukturierung zum Schutz von Insekten- und Kleintierarten.

Solch herzzerreißende Rebhuhngeschichten stoßen bei der Bevölkerung natürlich auf offene Ohren. Sie weisen aber auch auf ein Problem hin, das speziell für Brandenburg gilt: Die bewirtschafteten Ackerböden erstrecken sich in Brandenburg über besonders weite Flächen. Im Rahmen der früheren Enteignung und Kollektivierung privater Böden in der DDR wurden bäuerliche Ackerflächen fusioniert und zu großflächig strukturierten Agrarbetrieben zusammengelegt.

Nach der Wiedervereinigung, als moderne Maschinen und Geräte auf die Äcker kamen und somit weniger Arbeiter zur Bestellung der Felder nötig waren, wurden die wenigen Landschaftselemente, die bis dahin die Felder und Äcker durchzogen, sogar noch weiter reduziert.

Widerliche Bauernhetze?

Die damit verbundenen Probleme beschränken sich nicht nur auf die Minimierung des Schutz- und Lebensraums für Tiere. Die weiten Flächen führen auch zur schnellen Verbreitung von Keimen und toxischen Substanzen, beispielsweise von Pestiziden.

Deshalb tragen sie zusätzlich zum Tod von Insekten und Kleintieren bei. In einem Bundesland, in dem knapp die Hälfte der Gesamtfläche landwirtschaftlich bearbeitet wird, könnte eine bessere Strukturierung der Flächen – ein vergleichsweise geringer Mehraufwand, der durch eine Flächenprämie kompensiert werden könnte – einen erheblichen Beitrag zur Erhaltung der Arten leisten.

Nach dem Erfolg in Bayern streben BUND und NABU eine Volksinitiative an. „Wir wollen das weitere Artensterben in Brandenburg aufhalten“, sagen Thomas Volpers und sein NABU-Kollege Friedhelm Schmitz-Jersch. „Damit wollen wir noch im Frühjahr dieses Jahres starten.“

Im Zuge der Vorbereitungen für das Volksbegehren sprechen sie sich für einen Gesetzesvorschlag aus, der eine bessere Strukturierung der Äcker und Felder gewährleisten würde. Neben einer Strukturierung von Ackerflächen sollen aber auch Vorschläge zur Auflockerung von Monokulturen, striktere Kontrollen beim Gebrauch von Pestiziden und Düngemitteln sowie eine bessere Finanzierung von Umweltleistungen für Landwirte ins Programm genommen werden.

Vor allem in Bezug auf jenen letzten Punkt, der die Finanzierung nachhaltiger Landwirtschaftsbetriebe betrifft, liegt die Verantwortung in erster Linie bei der Landesverwaltung selbst. Momentan ist die Verteilung der jährlich ausgeschütteten EU-Gelder in Brandenburg hauptsächlich an die Größe der zu bewirtschafteten Fläche gebunden.

Es sind aber längst nicht alle begeistert von der Initiative. Sie sei eine „widerliche Bauernhetze“, sagte etwa der Ökobauer und Geschäftsführer des Bauernbundes Brandenburg, Reinhard Jung. Den Bauern werde die gesamte Schuld für ein Phänomen, das nicht auf ihrem Mist gewachsen sei, zugeschoben. Während er die Forderungen in Bayern als total praxisfremd erachtet, könne er zur Initiative in Brandenburg aber noch keine konkreten Aussagen machen.

Alle beteiligten Interessengruppen, darunter BUND und NABU, aber auch der Bauernbund und das Landesministerium für Landwirtschaft, sind sich gleichzeitig darin einig, dass Insekten- und Artenschutz nicht auf einen Konflikt zwischen Naturschützern und Landwirten verengt werden dürfe, sondern ein gesamtgesellschaftliches Problem darstellen.

Straßenlaternen für Insekten

Maßnahmen zum Artenschutz betreffen deshalb auch Städte und Dörfer, in denen beispielsweise ein neues Ideal im Gartenbau entstehen könnte. Als Vorschläge kursieren etwa mehr Begleitvegetation („Unkraut“) statt Kies und Plastikplanen in den Grünanalagen oder eine insektenfreundliche Straßenbeleuchtung.

Solche relativ einfachen Ideen könnten erheblich zum Schutz des Insekten- und Kleintierbestandes beitragen. Im Gesetzesvorschlag, der sich auf das angekündigte Volksbegehren zum Schutz der Arten in Brandenburg bezieht, sollen diese Vorschläge zur Sprache kommen.

Von der Biene in Bayern bis zum Rebhuhn in Brandenburg scheint das Thema des Insekten- und Artenschutzes auf großes gesellschaftliches Interesse zu stoßen und kurz vor der Brandenburger Landtagswahl in diesem September wie ein reifer Apfel vom Baum zu fallen.

Für einen Erfolg muss die Initiative zuerst mindestens 20.000 Unterschriften sammeln. Danach muss sich Brandenburgs Landtag damit beschäftigen. Sollte er die Forderungen nicht umsetzen, kommt es zum Volksbegehren, für das mindestens 80.000 Unterschriften zusammenkommen müssen.

Das Ministerium hat jedenfalls bereits einen „Insektengipfel“ angekündigt, um noch vor dem Ende der Legislatur mögliche Maßnahmen zu erarbeiten. Zu dem Gipfel sollen neben Naturschutzverbänden und Vertretern der Landwirtschaft auch Kleingärtenverbände und Vertreter der Verwaltung eingeladen werden. Die Chancen, den Schutz der Arten in Brandenburg voranzutreiben, stehen gut. Vielleicht gerade deshalb, weil die Forderungen auf konkrete Maßnahmen abzielen, anstatt sich im schwammigen Bereich der UN-Klimakonferenzen zu bewegen.

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