Bieder

Linksbündig Der "Da Vinci Code" passt gut zur neuen Leitkultur

Das letze Mal, als Tom Hanks einen Professor gespielt hat, im Ladykillers-Remake der Brüder Coen, war das nur Tarnung für einen geplanten Einbruch ins Spielkasino. Diesmal ist es echt, sagt der Titel. Mit gerunzelter Stirn grübelt er jetzt auf allen Plakatwänden, um historisch-katholische Geheimnisse aus der Renaissance zu lösen. Oder geht es doch wieder um den großen Jackpot in der Spielbank? Denn über Da Vinci Code redet man nicht wegen seines Inhalts. Sondern weil sich das Buch 43 Millionen Mal verkauft hat. Sein Medienerfolg ist das eigentliche Faszinosum, kein religiöses, sondern ein kommerzielles Mirakel und deswegen das ehrfürchtige Flüstern: Wie hat Herr Brown das gemacht?

Besonders geheimnisvoll ist das nicht. Brown hat seine Geschichte aus vertrautem Stoff zusammengebaut. Überfordert wird hier so schnell niemand, der Roman liest sich wie eine Busfahrt "Europa in zehn Tagen", vom Louvre bis zur Westminster Abbey eine pittoreske Postkartenansicht nach der anderen. Über Leonardo da Vinci muss der Leser nicht mehr wissen, als dass es ihn gegeben hat, die Kriminalgeschichte kommt einem ziemlich bekannt vor, und beruhigend altmodisch ist das Buch auch. Hier gibt es noch Abhörgeräte und Kontrollen durch Interpol, Tweedjackets und ehrwürdige Institutionen der Bildung - und natürlich des Glaubens. Wir glauben nämlich gern daran, dass andere fest an etwas glauben. Am Schluss fahren der amerikanische Professor und seine französische Prinzessin in die Flitterwochen nach Florenz. Für den ganzen Roman gilt, was der Autor selbst über den romantischen Landsitz seines britischen Oberschurken schreibt: "Es roch nach der guten alten Zeit."

Bei Browns historischem Material ist das nicht viel anders. Die Wirkung von Verschwörungstheorien beruht darauf, dass dem Publikum alle Motive schon vertraut sind. Anders gesagt, Reden über Geheimnisse ist nur dann erfolgreich, wenn man nicht überrascht wird. Dan Brown hat lauter gut eingeführte Motive - apokryphe Evangelien über Jesu Heirat; der Heilige Gral ist weiblich; alle geheimen Bruderschaften sind ein und dieselbe Organisation - einfach neu aufgeschäumt. Das ist behaglich, denn das Labyrinth der historischen Daten und Texte selbst, in dem man leicht die Übersicht verlieren würde, wird ersetzt durch ein Bild vom Labyrinth, das mit einem Blick bequem erfassbar ist, wie Andrzej Stasiuk über solche Gralserzählungen einmal bemerkt hat. Browns kitschige religiöse Agentenromanze befriedigt das Bedürfnis nach dem Wunderbaren und verspricht gleichzeitig Aufklärung. Deshalb der beharrliche Verweis auf die Macht der katholischen Kirche, die seit Jahrhunderten die Wahrheit verdunkle. Die Andersartigkeit der Vergangenheit wird hier weichgespült; wenn sich etwas den eigenen vertrauten Kategorien entzieht, dann kann das nur das Ergebnis jahrhundertelanger Manipulation und geheimer Codierung für Eingeweihte sein.

Verkürzung des ohnehin schon Vertrauten also, ein erzählerisches Kindchenschema. Bedient wird dabei gleichzeitig die Sehnsucht nach einer übersichtlichen Welt. Denn Verschwörungstheorien von umfassenden geheimen Zusammenhängen und unsichtbaren Drahtziehern sind letzten Endes beruhigend. Was geschieht, so die Botschaft, ist nicht Zufall, sondern Resultat des großen Plans. Wirkliches Unbehagen würde nämlich Ungeplantes und Ungewolltes bewirken; etwa die Erkenntnis, dass die Fakten unzusammenhängend und absurd sind und es auch bei genauer Untersuchung bleiben. Gegen diese Kontingenz kämpfen im Da Vinci Code tapfere Harvard-Professoren, katholische Flics und fromme Weise an, und zuletzt siegen sie natürlich. Wie bei jedem guten Hollywoodfilm wird am Schluss auch eine Familie wieder vereint. Die jahrhundertealte geheime Bruderschaft entpuppt sich als family business, und die anfangs so bedrohlichen Institutionen des Opus Dei und der katholischen Kirche stehen zuletzt gar nicht so schlecht da, als etwas begriffsstutzige Wertkonservative, die von einem diabolischen Einzeltäter manipuliert worden sind. Und wie nebenbei wird so auch die Vergangenheit, dieses chaotische ferne Land, nachträglich in Ordnung gebracht.

Deswegen passen Buch und Film gut zur aktuellen deutschen Debatte um die "christlichen Werte". Ein praktisches deutsches Kürzel zur Leitkultur stünde jedenfalls bereit: Biedermeier.


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