Seit fast drei Wochen herrscht Krieg im Sudan. Am Samstag, dem 15. April, ist ein gewaltsamer Machtkampf zwischen dem Militär und der paramilitärischen Miliz RSF ausgebrochen, unter dem vor allem die Zivilbevölkerung leidet. Sie ist der Verlierer dieses Krieges – doch von Solidarität mit den sudanesischen Bürger*innen ist nichts zu bemerken.
Mitten ins Herz der Hauptstadt Khartum wirft die Luftwaffe der Armee Raketen auf Stützpunkte der Miliz, die sich in Wohngebieten verschanzt hat. Dort vertreibt die Miliz Bewohner*innen aus ihren Häusern, plündert Geschäfte und vergewaltigt Frauen. Im Westen des Landes, in Darfur, in den Städten Al-Fashir, Nyala und Al-Gineina, tobt der Kampf ebenso. Die dort seit Langem bestehenden Flüchtlingslager werden angegriffen und ehemals Geflohene weiter vertrieben. Sie flüchten nun vor allem in den Tschad.
Khartums Zentrum, eine Geisterstadt
Das Zentrum von Khartum, das aufgrund strategischer Ziele besonders von den Kämpfen betroffen ist, gleicht nach Berichten von sudanesischen Bekannten einer Geisterstadt. Tausende Menschen haben sich in die Vororte von Khartum gerettet oder in andere Städte des Sudans, die bisher noch nicht von den Kämpfen betroffen sind. Wiederum Tausende haben den weiten Weg in den Südsudan oder nach Ägypten auf sich genommen, um der Gewalt zu entkommen. Die Flucht ist gefährlich und weggehen können nur diejenigen, die es sich leisten können, denn die Fahrscheine für Busse sind in die Höhe geschnellt und Treibstoff ist kaum mehr erhältlich. Bargeld ist ohnehin knapp.
In Medienberichten loben Regierungen der EU die gelungene Evakuierung ihrer Bürger*innen aus dem Sudan. Es ist verständlich und wünschenswert, dass sich Regierungen um ihre Bürger*innen kümmern. Doch was ist mit den Menschen im Sudan? Sie sind nicht nur den Kämpfen schutzlos ausgeliefert. Die aus dem Land fliehenden Auslandsvertretungen haben ihre Botschaften geschlossen, aber die Pässe von Sudanes*innen, die gerade dabei waren, ein Visum zu beantragen, als die Kämpfe ausbrachen, wurden nicht zurückgegeben. In den sozialen Medien berichten viele Hilfe suchende Sudanes*innen, aus dem Land ausreisen zu wollen, es aber nicht können, weil ihr Pass in einer geschlossenen Botschaft liegt. Ganz abgesehen von der nun fehlenden Möglichkeit, ein Auslandsvisum im Sudan beantragen zu können, zeugt dies von bemerkenswerter Ignoranz und Planlosigkeit der Auslandsvertretungen.
Aber damit nicht genug: Bisher schweigt die Welt zum Krieg im Sudan und übt sich im Nichtstun. Hilfsaktionen der EU und der Vereinten Nationen, um die Menschen im Sudan mit Nahrungsmitteln und Medizin zu versorgen oder die in Nachbarländer Geflüchteten mit dem Nötigsten zu unterstützen, laufen nur sehr schleppend und mit großer Verzögerung an. Von der Schaffung sicherer und legaler Fluchtwege nach Europa ganz zu schweigen. Aktiv ist bisher vor allem die sudanesische Diaspora, die im Ausland lebenden Sudanes*innen organisieren Hilfsgüter und Spenden und rufen bei Demonstration in München, Berlin oder London zum Frieden und zur Unterstützung des Sudans auf. Auffällig ist, dass bei den Demonstrationen außer migrierten Sudanes*innen kaum weitere Bürger*innen zu sehen sind, die ihre Solidarität zeigen.
Millionen aus Europa
Weshalb schaut Europa weg? Weil es sich um eine schwarze, zum Großteil muslimische Bevölkerung handelt? Weil es Afrika ist, das zu weit weg erscheint? In einer globalisierten und kapitalistischen Welt ist dieser Krieg jedoch nicht auf den Sudan oder Afrika reduzierbar. Globale wirtschaftliche Verflechtungen und geopolitische Interessen anderer Staaten spielen eine Rolle im Wettstreit um Ressourcen, ebenso geht es um regionale und globale Machtinteressen und um Grenzkontrollen. Deshalb ist dieser Krieg auch nicht nur als Machtkampf zwischen zwei Generälen zu sehen. Es geht um viel mehr, nämlich um wirtschaftlichen und politischen Einfluss. Saudi-Arabien, die Vereinigte Arabische Emirate, Russland, die USA, Ägypten und weitere Staaten ringen um Macht, Ressourcen und Kontrolle.
Die EU hat mit ihrer Migrationspolitik, dem sogenannten Khartum Prozess, ab 2014/15 Millionen von Euro in den Sudan geschickt, um die Migration aus dem Horn von Afrika nach Europa bereits im Transitland Sudan aufzuhalten. Der ehemalige sudanesische Diktator Omar al-Bashir hat die RSF-Miliz, die jetzt Kriegspartei ist, damals als Grenzwächter eingesetzt. Es gibt Hinweise darauf, dass die RSF indirekt von den EU-Geldern profitiert hat, obwohl die EU das bestreitet. Es wäre also nicht nur eine humanitäre Pflicht der Menschlichkeit, die Bevölkerung des Sudans zu unterstützen.
Es herrscht Krieg im Sudan, die Menschen brauchen Solidarität, Unterstützung und Schutz, und zwar jetzt.
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