Es steht schlecht um das Ziel, die Erderwärmung unter zwei Grad zu halten. Eher steuern wir drei Grad an. Und wenn es so weitergeht, ist das Emissionsbudget eines 1,5-Grad-Kurses in sechs Jahren aufgebraucht. Zugleich fürchtet nach neuen Zahlen der UN weltweit eine große Mehrheit den Klimawandel. Was läuft falsch?
Grundproblem ist hier die Vernachlässigung sozialer Ungleichheit. Ärmere fürchten zu Recht, die gegenwärtige Klimapolitik beschneide ihre Kaufkraft. Vor diesem Unwillen hat die Politik Angst. Aber wir können den Teufelskreis durchbrechen.
Zehn Prozent der Weltbevölkerung sind – durch Konsum und Investments – für die Hälfte aller CO₂-Emissionen verantwortlich, die ärmere Bevölkerungshälfte f
aller CO₂-Emissionen verantwortlich, die ärmere Bevölkerungshälfte für zwölf Prozent. Es geht hier nicht nur um arme versus reiche Staaten. In den USA emittieren die ärmeren 50 Prozent zehn Tonnen CO₂ pro Kopf und Jahr, die reichsten zehn Prozent hingegen 75, ein Verhältnis von mehr als sieben zu eins. In der EU steht es sechs zu eins: Die ärmere Hälfte kommt auf fünf Tonnen, das obere Zehntel auf 30. Ergo müssen die Reicheren den Löwenanteil beitragen und die Ärmeren eine Chance bekommen, eine 1,5- oder Zwei-Grad-Politik zu verdauen. Doch leider geschieht oft das Gegenteil.Das zeigten 2018 Frankreichs „Gelbwesten“. Die Regierung hatte die CO₂-Steuern in einer Weise angehoben, die ländliche Geringerverdienende hart traf, Reiche aber verschonte. Wer per Auto zur Arbeit muss, hätte draufgezahlt, während Flugbenzin für Trips der Reichen von der Steuererhöhung ausgenommen blieb. Der Protest war wütend, die Reform scheiterte. Genau dieses Muster ist weit verbreitet: eine Klimapolitik, die Ärmere um Einkommen und Job fürchten lässt – was die Wirtschaftslobbys als Argument benutzen, um den Wandel zu bremsen.Nun wollen die Staaten ihre Emissionen bis 2030 massiv reduzieren und um 2050 emissionsneutral werden. Betrachtet man die Pro-Kopf-Emissionen, liegen die ärmeren 50 Prozent in den USA wie Europa bereits in dem Bereich, den der erste Meilenstein erfordert. Die Wohlhabenden aber sind weit davon entfernt. Adressieren ließe sich diese Ungleichheit durch individuelle Emissionsrechte, so wie zuweilen schon beim Zugang zu Wasser praktiziert. Natürlich würde das technische und informationelle Probleme aufwerfen. Doch nur eine solche egalitäre Strategie vermeidet das Paradox, mehr Anstrengung von denen zu fordern, die das Ziel schon erreichen – und weniger von denen, die es klar verfehlen.Wenn nun viele Staaten CO₂- und Energiesteuern einführen, ist aus dem französischen Fehler zu lernen. Ein positives Beispiel wäre British Columbia, die kanadische Öl-und-Gas-Provinz. Dort wurde 2008 eine CO₂-Steuer eingeführt, die Einnahmen gehen zu erheblichen Teilen direkt an Haushalte mit mittleren und kleineren Einkommen. Als Indonesien vor einigen Jahren die Subventionen für fossilen Treibstoff stoppte, war das anfangs wegen steigender Energiekosten bei den Ärmeren sehr umstritten. Akzeptiert wurde die Reform, als sich die Regierung entschloss, die frei werdenden Mittel in Gesundheits- und Sozialprogramme zu stecken.Neue Wege sind also gefragt. Wie wäre es etwa mit einer progressiven Vermögensteuer mit einem Verschmutzungsfaktor? Der Abschied von fossilen Energien ließe sich beschleunigen, indem man für entsprechende Unternehmen den Zugang zu Kapital verteuerte. Es ließen sich erhebliche staatliche Einnahmen generieren, die in grüne Energie, Innovation und sozialen Ausgleich fließen könnten. Am Ende wäre eine solche CO₂-Besteuerung wohl auch leichter durchzusetzen, weil nicht die Mehrheit, sondern ein zahlenmäßig kleiner Teil der Bevölkerung betroffen wäre.Es gibt viele Pfade dafür, das Umsteuern zu beschleunigen. Aber eines muss dabei anerkannt werden: Eine tiefgreifende Dekarbonisierung ist ohne erhebliche Umverteilung von Einkommen und Wohlstand nicht möglich.Placeholder authorbio-1