Weihewilliges Talent

Frauen als Priesterinnen Vertreterinnen weiblichen Geschlechts haben wenig Chancen, in der katholischen Kirche Karriere zu machen. Um das zu ändern, ließen sich vor rund einem Monat sieben Frauen zu illegitimen Priesterinnen weihen. Gisela Forster ist eine von ihnen

Passau, nahe der deutsch-österreichischen Grenze. Während sich oben in der Domkirche gerade eine Gruppe Männer zu Priestern weihen lässt, legt unten am Ufer der Donau die MS Passau an. Die Stimmung der Schiffsbesatzung ist ausgelassen. Am Ufer wartende kirchliche Fundamentalisten können nicht fassen, was sich an Bord ereignet hat: Nach wilden Polemiken, Drohungen und Disputen im Vorfeld, haben sich sieben katholische Frauen gegen geltendes Kirchenrecht zu Priesterinnen weihen lassen. Unter ihnen Gisela Forster, Sprecherin der deutschen Weihekanditatinnen. Die Zeremonie auf dem Fluss verläuft so, wie sie es sich ausgemalt hat. Während sich das Schiff durch die Wellen pflügt, werden Hände auf Häupter gelegt und Öle gesegnet. Das Gesicht flach nach unten, legen sich die Frauen mit ausgestreckten Armen - als Zeichen der Demut - auf den Boden. Im Raum hängt der Duft von Weihrauch und Kerzen. Am Ende der feierlichen Zeremonie tragen die Frauen ein seidenes Priestergewand und eine Stola am Leib. Romulo Braschi, ein von Rom nicht anerkannter Bischof, hat vor rund 200 Zuschauern alles zelebriert, was zu einer katholischen Weihe gehört.
Den Wunsch, katholische Priesterin zu werden, hat Gisela Forster lange in sich getragen. Wie bei ihren anderen Mitstreiterinnen hat ihre Weihe eine bewegte Vorgeschichte. Der Weg zu der vielleicht schillerndsten Figur unter den Neu-Priesterinnen führt nach Berg am Starnberger See. Eine urkatholische Gegend mit hohen Grundstückspreisen und einer hohen Dichte an Prominenz. Der Physiker Carl-Friedrich von Weizsäcker und Loriot wohnen in Berg, Heinz Rühmann hat hier seinen Lebensabend genossen. Gisela Forster fällt in dieser Umgebung aus dem Rahmen. Sie ist Bildhauerin, Architektin, Philosophin und streitbare Katholikin. Die Oberbayerin wohnt in einem verwinkelten Haus Marke Eigenbau. Beim Eintreten breitet sich eine wundersame Welt aus. An der Küchendecke öffnet sich ein barocker Himmel. Eine fröhliche Engelschar schaut im Rund andächtig herab. Musikinstrumente und Tonplastiken liegen kunstvoll verstreut im Raum. Eine Villa Kunterbunt soll das sein , in der ein grüner Papagei aus einem Käfig alle paar Minuten mal ein kehliges "Hallo" durch den Raum schickt. An diesem Ort hat Gisela Forster die Weihe minutiös vorbereitet.
Das "Projekt Priesterinnenweihe" erfordert eine Portion Härte, Unabhängigkeit, ja Rücksichtslosigkeit im Blick auf die Folgen für die Kirche und sich selbst. "Der Wunsch, katholische Priesterin zu werden, ergibt sich fast zwangsläufig aus meiner Biographie", sagt Gisela Forster. Als junge Frau erfährt sie die Kirche positiv. "Ich hatte immer eine Schwäche für musikalisch umrahmte Feste, Prozessionen und wallende Gewänder", erinnert sie sich. Sie macht daraus kein Geheimnis. Nach einer frühen, kurzen Ehe, aus der ein Sohn hervorgeht, verliebt sie sich in den Schulleiter des katholischen Gymnasiums, an dem sie als Kunsterzieherin arbeitet. Er ist Benediktinermönch. 17 Jahre erfährt niemand etwas von der Beziehung zwischen der Lehrerin und dem Pater. "Das ganze endete dramatisch mit der fristlosen Kündigung, als herauskam, dass ich bereits zwei Kinder vom Schuldirektor hatte." Als sie schließlich standesamtlich heiraten, wird auch ihr Mann, Anselm Forster, immerhin 35 Jahre Mönch, entlassen. Heute leitet er wieder eine Privatschule. "Ein charismatischer Mann", Forster zeigt auf ein Schwarz-Weiss-Foto an der Zettelwand in ihrer Küche, das ihren Mann im Kreise seiner damaligen Mitbrüder zeigt.
Die fristlose Kündigung war ein harter Schlag. Kinder von einem katholischen Priester als Kündigungsgrund - das versteht Forster nicht. "Ich dachte, dass es mich auszeichnet, die Kinder nicht abgetrieben, sondern großgezogen zu haben. Von der Kirche habe ich dafür nicht mal Geld erhalten. Ich fühlte mich eher als Heldin. Nun war ich plötzlich die Böse", sagt sie mit heute noch spürbarer Erregung. Elf Jahre versuchte sie vergeblich, gegen ihrer Entlassung aus der Klosterschule zu prozessieren.
Finanziell unabhängig, als Besitzerin mehrerer geerbter Häuser, kann sie ihre Studien in Philosophie und Architektur fortsetzen und lässt sich zusätzlich als Altenpflegerin ausbilden. "Um mich selbst wieder zu fangen, habe ich angefangen, in einer Alzheimer-Station zu arbeiten. Diese Menschen sprechen frei vom Herzen. So lernt man Menschen wirklich kennen." Forster möchte bewusst eine "Arbeit ganz unten" ausüben. "Am Sterbebett wurde mir meine priesterliche Sendung bewusst", bekennt Forster, die auch heute noch ambulant in der Sterbehilfe mit eigenen Patienten arbeitet.
Zur Priesterin "berufen" fühlt sie sich nach eigenen Worten nicht, redet lieber vom Talent. Ihre Vielseitigkeit ist es, die Gisela Forster so schwer zu fassen macht. So wie ihr nie fertig werdendes Haus. Hingeworfen wie eine launige Performance, führen Treppen in ungeahnte Räume, hinter Türen öffnen sich kuriose Welten. Papagei und Trompete, Theaterlibretti und Kirchenmanifeste - ein Versuchslabor für Lebensentwürfe.
Die fristlose Kündigung durch die Folgen des Zölibats verstärkt in ihr das Bedürfnis, "das System Kirche etwas zu ändern." An ihrem Küchentisch in Berg entsteht in nur fünf Tagen das Buch Ein Sprung in der Kette - Vom Zölibat betroffene Frauen und Priester durchbrechen ein Tabu. Schon früh beginnt Forster in reformkirchlichen Zirkeln mitzuarbeiten, die heute als Mitauslöser der Idee einer Priesterinnen-Weihe zählen. "Die Stimmen wurden jedoch immer schwächer, somit auch die Rufe nach Gleichberechtigung der Frau in der Kirche", erinnert sie sich.
Eine Gruppe von Frauen wird nun selbst aktiv. 1999 beginnt die Linzerin Christine Mayr-Lumetzberger mit einem "Ausbildungskurs für weihewillige Frauen". Von der Öffentlichkeit unbemerkt, nimmt Gisela Forster zusammen mit Frauen aus mehreren Ländern über drei Jahre im Ambiente eines alten Klosters an einem eigens auf sie zugeschnittenen Ausbildungsprogramm teil und legt bei katholischen Theologen eine Prüfung ab. Immer wenn ihr Mann Anselm Zeit hat, gesellt er sich dazu. "Wir wollten keine Selbsthilfegruppe aufbauen. Es sind Frauen, die sehr früh bemerkt haben, dass ihnen in der Kirche etwas fehlt, nämlich Mitsprache und Anerkennung", sagt Forster über die Beweggründe ihrer Kolleginnen. Für die Kandidatinnen gelten harte Bedingungen. Nur Frauen, die wirtschaftlich abgesichert sind, falls sie durch die Kirche eine Anstellung verlieren, dürfen dabei sein. "Wir wollen keine Arbeitsprozesse. Denn bei der Kirche verliert man immer alles", sagt Forster nicht ohne bitteren Unterton. Alle sind theologisch ausgebildet. Gisela Forster hat in Religionsphilosophie über Augustinus doktoriert. Ein Wechsel zu den Protestanten oder zu den Altkatholiken, wo Frauen längst geistliche Ämter ausüben, würde Forster viel Ärger ersparen. Sie aber will Ärger. "Die katholische Kirche mit ihren Traditionen ist mir am nächsten", sagt sie.
Unerwartet starke Kritik kommt Gisela Forster anlässlich der Weihe jedoch nicht von der Amtskirche entgegen, sondern ausgerechnet von Teilen der Bewegung, die als Mitinitiator für die Weihe gilt: der Kirchenvolksbewegung Wir sind Kirche. Als 1995 in deren Forderungskatalog das Priesteramt für Frauen genannt wurde, war die Zustimmung groß. "Wir wollen soweit sein, wenn es soweit ist", hieß es damals. Doch jetzt stellt die österreichische Plattform von Wir sind Kirche klar, "dass derartige Aktionen von ihr weder initiiert noch gut geheißen werden." Die Initiative Kirche von unten (Ikvu), die die Frauenweihe anfangs mitgetragen hat, kritisiert die fehlende Seriosität der Weihbischöfe und fehlende Abstimmung mit kirchlichen Reformgruppen. Gisela Forster muss beobachten, wie ihr Vorhaben in den eigenen Reihen zu Spaltungen führt. Das enttäuscht sie tief.
Nach ihrer Weihe in Passau ist Gisela Forster in ihrem Haus am Starnberger See erst einmal abgetaucht. Eindrücke sortieren. Sätze aus offiziellen kirchlichen Stellungnahmen wie "Sektenschwindel" oder "Wir ignorieren das" hallen in ihr nach. Neben Drohbriefen hat sie jedoch auch Berge an zustimmender Post erhalten. Auch ihr Mann Anselm, der bei der Weihe im Priestergewand dabei war, spendet Kraft. Sie erinnert sich an ihr "Ja", als sie gefragt wurde, ob sie die priesterlichen Dienste ein Leben lang ausüben wolle. Die Starnberger Hautevolee hat inzwischen schon angefragt, ob sie Schiffe und Gebäude, die längst auf den kirchlichen Segen warten würden, weihen könne. "Es haben sich auch schon einige zum Beichten bei mir angemeldet, und die meinen das durchaus ernst", beteuert Forster.
Wie immer Rom reagieren wird, die ausgebildete Altenpflegerin wird weiterhin in der Randseelsorge tätig sein. "Natürlich werde ich versuchen, auch einmal eine Eucharistiefeier zu halten. Sollte sich die Ortskirche aber dagegen aussprechen, werde ich es akzeptieren", sagt sie. Niemand kann jedoch verhindern, dass die streitbare Katholikin ihrem Lebensprinzip treu bleibt: weiterhin gegen den Stachel zu löcken.
In allen Institutionen brauche es Menschen, die etwas vorpreschen und Spuren für andere legen, sagt sie. Noch immer steht das Wort Exkommunikation im Raum. Gisela Forster weiß genau: "Man kann nur aus den bestehenden Strukturen heraus die Kirche reformieren, nicht von außen." Trotz aller Unwägbarkeiten strahlt sie eine gewisse Zuversicht aus. Sie verweist auf das Donauschiff, auf dem die Weihe stattgefunden hat, während sie zu Wasser Landes- und Bistumsgrenzen überschritten. "Eine alte kirchliche Weisheit heißt: Die Kirche ist ein Fluss, der sich sein Bett selbst sucht."

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