Schließlich geht es um viel Geld

Dreck Wer die Kosten für den Diesel-Skandal weder bei der Autoindustrie, noch bei den Fahrern abladen will, löst das Problem nicht
Wird doch noch alles gut?
Wird doch noch alles gut?

Foto: Mark Renders/Getty Images

Seitdem vor drei Jahren der Dieselskandal aufflog, steckt die Bundesregierung in einem scheinbar unlösbaren Dilemma. Auf Deutschlands Straßen fahren zu viele Diesel, die zu viele Schadstoffe ausstoßen, um den verbindlichen EU-Grenzwert einzuhalten. Da die Regierung gleichzeitig weder die Autoindustrie (Kosten) noch die Millionen dieselfahrenden Wähler (Fahrverbote) allzu sehr strapazieren will, gibt es keinen politischen Ausweg, der alle zufrieden stellt: Jede Lösung, die den Namen verdient, würde schließlich bei irgendeiner Seite auf Unmut stoßen. Und das will die Regierung nicht riskieren.

Entsprechend mager und wenig wirksam waren die bisherigen Vorschläge: Software-Updates, Umtauschprämien für E-Autos und ein schlecht konzipierter Mobilitätsfonds mit Fördermitteln für überlastete Kommunen. Inzwischen drohen flächendeckende Fahrverbote, die ja eigentlich unbedingt verhindert werden sollten. Schon im Mai hat die EU-Kommission Deutschland zudem vor dem Europäischen Gerichtshof wegen Missachtung der Gesetze zur Luftreinhaltung verklagt; hohe Strafzahlungen könnten folgen.

Nun stehen die Landtagswahlen in Bayern und Hessen bevor, die für die Union zum Debakel werden könnten. Der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) hat deshalb Druck gemacht. In Frankfurt kommt es ab 2019 schrittweise zu Fahrverboten. Bouffier will Schlimmeres verhindern, er fordert Hardware-Nachrüstung – auf Kosten der Hersteller. Kanzlerin Angela Merkel kann dieser bislang verpönten Lösung plötzlich doch etwas abgewinnen. Sie beauftragte Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU), ein Konzept zu schreiben, und lud die Chefs deutscher Autokonzerne vergangenen Sonntag zu einem neuerlichen Dieselgipfel ins Kanzleramt. Auch Finanzminister Olaf Scholz war dabei. Schließlich geht es um viel Geld.

Phänomenal schadstoffarm

Wird also doch noch alles gut? Es sind, vorsichtig formuliert, Zweifel angebracht. Das Treffen am Sonntag endete ohne Einigung. Scheuer sprach hinterher zwar auch von möglichen Hardware-Nachrüstungen. Doch gleichzeitig machte er klar, wo die Priorität des angekündigten Konzepts liegen wird: auf der „Erneuerung der Flotte“. Umbauten am Motor sollen nur Handwerkern und Lieferdiensten in betroffenen Städten angeboten werden.

Ganz abgesehen davon, dass gar nicht genug Fahrzeuge im Angebot sind, um eine Flottenerneuerung zu einer realistischen Option zu machen, würde die Bundesregierung mit einer solchen Prioritätensetzung die Autoindustrie ein weiteres Mal schonen, die das Problem mit ihren Tricksereien doch erst verursacht hat. Dabei spielt sicherlich eine Rolle, dass die Politik selber dazu beigetragen hat.

Der Grenzwert für Stickstoffdioxid, der in Dutzenden deutschen Städten nicht eingehalten werden kann, wurde bereits 2008 auf EU-Ebene beschlossen und galt ab 2010. Dabei gab es großzügige Übergangsfristen von bis zu fünf Jahren, wenn Städte einen sogenannten Luftreinhalteplan vorlegten. Die Kommunen hatten also alles in allem sieben Jahre Zeit, um sich auf die veränderten Gegebenheiten einzustellen.

2015, als die Frist ablief, gab es zwar überall schöne Pläne. Die Grenzwerte wurden aber immer noch nicht eingehalten. Man hatte sich einfach darauf verlassen, dass die Versprechungen der Autobauer wahr sind, wonach ihre neuen Dieselfahrzeuge gleichzeitig leistungsstark und phänomenal schadstoffarm sein können. Dann flog der Dieselskandal auf, und es zeigte sich, dass die schöne saubere Dieselwelt nur auf dem Papier existiert.

Wie die Politik aus dem selbst mitverschuldeten Dilemma herausfinden soll, ist also nach wie vor vollkommen unklar. Sicher ist nur: Ohne eine schlüssige Idee, wie man das ständig weiterwachsende Verkehrsaufkommen auf den Straßen (und bei allen anderen Verkehrsträgern ebenfalls) so in den Griff bekommt, dass weder Gesundheit und Lebensqualität der Bürger noch Umwelt und Klima leiden, wird es nicht gehen.

Verena Kern ist stellvertretende Chefredakteurin bei klimareporter°

der Freitag digital zum Vorteilspreis

6 Monate mit 25% Rabatt lesen

Geschrieben von

Der Freitag im Oster-Abo Schenken Sie mutigen Qualitätsjournalismus!

Print

Entdecken Sie unsere Osterangebote für die Printzeitung mit Wunschprämie.

Jetzt sichern

Digital

Schenken Sie einen unserer Geschenkgutscheine für ein Digital-Abo.

Jetzt sichern

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden