Baby on board

Frontfrauen Musikkarierre: Wenn der Nachwuchs backstage brüllt, wie musiziert dann die Mama auf der Bühne?

Lali Punas Frontfrau Valerie Trebeljahr sprach es neulich im Interview mit dem Radiosender MDR Sputnik an: Mit Baby auf Tour zu sein, sei nicht so einfach und sie hoffe, der Babysitter betreue den Nachwuchs rockstarfrei im Hotel statt im versifften Tourbus. Jetzt hat Trebeljahr noch das Glück, sich mit Bandkollege Markus Acher die Elternrolle zu teilen. Aber so oder so, wie jeder andere Beruf muss auch der Job der Musikerin mit dem Muttersein vereinbart werden. Und das scheint gar nicht mal so leicht. So verzichtet Everything But The Girl-Protagonistin Tracy Thorn, die just ihr neues Album veröffentlicht hat, vorerst ganz aufs Touring, und von Wir Sind Helden hat man seit Ankunft des Bandbabies von Sängerin Judith und Schlagzeuger Pola auch nicht mehr viel gehört. Außer diversen Statements gegenüber den überraschten Medien, dass man Sohn Friedrich mit auf Festivals nähme. Selbst die Welt berichtete damals über die Versuche, Baby- und Bandalltag unter ein Häkelmützchen zu kriegen.

Babybus im Schlepptau

Im Interview mit jetzt.de nannte Judith Holofernes Sohn Friedrich den Testballon, der zwar mit im Tourbus unterwegs sein dürfe, aber auch einen eigenen umgebauten Babybus mit Babysitter an der Schleppleine habe. Und statt 40 würden auch 15 Festivals genügen – denn ja, Vollgas geben geht eben nicht mehr. Barbara Streidl, Bloggerkollegin und Musikerin weiß nette Anekdoten aus der Zeit vor Schwangerschaft und danach zu berichten. Wie beim letzten Konzert vor der „Babypause“ der Schlagzeuger statt eines Solos eine Geburtsszene nachgespielt hatte. „Das Publikum war begeistert. Und plötzlich haben auch alle kapiert, dass ich nicht total fett geworden bin, sondern hochschwanger war,“ erzählt die Bassistin, die nicht nur bei den TriSonics spielt sondern auch Mitglied der Moulinettes ist.

Nicht zu unterschätzen sei aber, dass es schwierig würde, große Konzerte zu vereinbaren, wenn dann das Kind krank wird und zwar zu krank, um es von einem Babysitter betreuen zu lassen. Klar, dann wäre da immer noch der Vater. Aber was, wenn der in derselben Band spielt? Toll dagegen ist es, wenn Barbara ihren Sohn mittlerweile mit aufs Konzert nehmen kann und er vor der Bühne "Mama! Papa! Bravo Bravo Bravo!" ruft.

Vom Berufsstolz, die eigenen Kinder vor der Bühne abrocken zu sehen, ist auch Bernadette La Hengst erfüllt. Nachdem 2004 ihre Tochter Elle Mae auf die Welt kam, hat die Musikerin ihre Erfahrungen als Neu-Mama in solchen Songs wie „Rockerbraut und Mutter“ verarbeitet. (Hier eine Version beim 2005 Bavarian Open Air Festival) Darin heißt es: Wo sind die Role Models, die mir zeigen, wie es geht? Vielleicht gibt es welche, ich kenne keine. Und jetzt bin ich schon mittendrin in diesem Leben, das ich mir nicht zugetraut hab, wie solln das zusammen gehen? Rockerbraut und Mutter.

Karriereknick oder Kick?

Aber es scheint zusammen zu gehen. Im Buch „Wir sind jetzt! Frontfrauen im deutschen Pop“ antwortet la Hengst auf die Frage, ob eine Karriere als Musikerin trotz Kind möglich sei: „Auf jeden Fall! Sogar mit zwei Kindern wäre das noch möglich. Ich habe viele Freundinnen, die es ähnlich machen. Natürlich geht das meist nur mit Eltern, Großeltern oder einem Mann, der sich gut kümmert.“

Interessant, denn Mick Jagger oder Bob Dylan mussten sich wohl eher selten die Frage stellen lassen, ob ihr Nachwuchs die Karriere behindern könnte. Und besonders ehrgeizige Väter wie Joseph Jackson oder das Kelly-Family-Oberhaupt schubsten die Kleinen eh gut getrimmt ins Rampenlicht. Denn auch für Musikerinnen sollte gelten, Elternsein ist nicht allein die Aufgabe der Mutter.

Und wenn doch, dann lässt sich der Job immer noch so erledigen, wie Kelis es in ihrem neuen Video demonstriert: Das Baby bequem auf den Rücken geschnallt – geht doch!



Verena Reygers, Jg. 1976, bloggt auf und schreibt als freie Journalistin über Bands, Konzerte und neue Platten. Sie findet, Mädchen sollten wild und gefährlich leben, solange sie stets ein buntes Pflaster in der Tasche haben. Auf freitag.de schreibt sie in einer zweiwöchentlichen Kolumne über Frauen und Musik. Zuletzt: Wenn das Blut spritzt.

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Geschrieben von

Verena Reygers

Musikfetischistin, Feministin, Blames it on the Boogie

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