Bikini olé

Musik Knappe Strandoutfits sind in der Musikbranche nicht nur Accessoire für fitnessgestählte Frauen, auch Männer zeigen in Videos gerne Figur

Nicht nur in HipHop-Videos dürfen Frauen ungestraft im Bikini herumrennen, auch die alljährliche Spielwiese der Sommerhits bietet so manche Gelegenheit, sich knapp bestofft zu räkeln. Noch besser, wenn der Song hüftschwingendes Potential hat und die Macher die entsprechende Choreographie gleich mitliefern.

Der erste Sommerhit, an dessen „Skandaltanz“ sich meine damals noch unschuldigen Hüften erinnern, dürfte Lambada von Kaoma gewesen sein. Das war 1989 und ich war 13. Eigentlich recht züchtig, bis auf die hochfliegenden Röckchen, die aber der nackten Oberkörperhaut der männlichen Gegenparts in nichts nachstehen. Und oho, die Sängerin darf auf ein reduziertes Outfit verzichten und sich auf das konzentrieren, worum es geht: den Song. Nicht zu vergessen, dass das Video sogar eine Handlung hat, die über den „dreckigen“ Tanzstil hinausgeht.

1989, war das nicht auch kurz nach Dirty Dancing? Laut Wikipedia haben Kaoma und ihr Lambada-Tanz „den Stringtanga in Europa gesellschaftsfähig gemacht“. Wirklich hardcore dagegen muss das Video von Los dél Rio zu „Macarena“ sein – Man erinnert sich: „Dale a tu cuerpo alegria, Macarena / Heeeeey Macarena/ AAAhAA!“
Für youtube scheinbar starker Tobak, denn dort ist das offizielle Video erst ab 18 abrufbar.

Sinnfreies Tanzen

Sehr merkwürdig, denn an dem harmlosen „Tu deinem Körper was Gutes“-Text kann es wohl kaum liegen. Alles, woran ich mich bei diesem Sommerhit von 1996 erinnere, sind zwei untersetzte Spanier im Anzug, die um ein von der Decke hängendes Mikro zuckeln, sowie die obligatorische Gruppe Vortänzerinnen.

Tanzen im Bikini, hm ja – eine feine Sache. Völlig sinnfrei auf die Sonnenschirmspitze auch von Las Ketchup 2002 getrieben. (Interessant, dass die ersten Kameraeinstellungen die Körper scannen, bevor auch das Gesicht ins Bild darf.)


Aber Strandmode wurde schon in den 80ern auch außerhalb der Bade- und Sommerhitsaison getragen. Von Samantha Fox zum Beispiel. Wobei es sich natürlich auch um einen von Jane Fonda gestifteten Aerobicdress handeln dürfte. Schließlich hüpften zu dem Zeitpunkt die Frauen tagein, tagaus auf der Fitnesswelle.

Das hat wohl auch Eric Prydz zum Video seines Call on me-Mixes 2004 inspiriert. Knackige Pseudo-Fitness, in dem besonderen Wert auf einen trainierten Arsch gelegt wird. Das hatte auch in meinem näheren Umfeld Fans: Der Freund einer Freundin erwägte gar den Vorschlag, den Song zu „ihrem“ Lied zu machen. Seine diffusen Argumente dafür haben weder sie noch ich ganz verstanden.

Definitiv in Strandnähe und daher „legal“ präsentierten die Ladies ihr knappes Outfit, die den Van Halen Sänger David Lee Roth als California Girls begleiteten.


Die Beach Boys, von denen der Song im Original stammt, verließen sich 1965 im Video noch auf ihr eigenes – bekleidetes – Charisma.


Schon klar, dass der Sommer Grund genug ist, die Backgroundsängerinnen und Tänzerinnen in Strandmode durchs Bild hüpfen zu lassen, beziehungsweise die Frontfrauen der kurzlebigen Musikprojekte auf ihre Bikinifigur hin zu engagieren, aber es gibt auch andere Beispiele, in denen es weder Sommer noch Fitnessstudio braucht, um den Bikini anzulegen. Jessica Simpson zum Beispiel wäscht in ihrer Version von Nancy Sinatras These Boots are made for walking ein Auto im – jawohl – knappen Busenspanner. (Die entscheidende Szene kommt erst im letzten Drittel, die Tänzchen davor sind aber auch nicht zu verachten. Dass der graubärtige Willie Nelson, da noch so tapfer lächelnd seine Gitarre spielen kann... hat wahrscheinlich schon ganz andere Sachen erlebt, so als vom Wetter gegerbter Cowboy.)


Und die Herren? Die tragen entweder ein seliges Lächeln wie Willie Nelson, einen schicken Anzug wie David Lee Roth, oder im besseren Fall der Gleichberechtigung einen nackten Oberkörper wie im Video zu Lambada. Dabei hat sich vor allem ein Mann für entsprechend männlich genitalbetonte Badekleidung eingesetzt: Borat. Sein legendärer Badeanzug hat es auf youtube in diverse Privat-Strandvideos geschafft – natürlich ausschließlich im humorvollen, oftmals alkoholgeschwängerten Rahmen. Die Musiker von The Scraps dagegen beweisen Mut, den Badedress in ihr Konzert einzubauen – obwohl, ganz ernst meinen die das auch nicht, während jeder Bikini im Musikvideo eine ganz und gar nicht komische Angelegenheit ist.


Verena Reygers, Jg. 1976, bloggt auf maedchenmannschaft.net und schreibt als freie Journalistin über Bands, Konzerte und neue Platten. Sie findet, Mädchen sollten wild und gefährlich leben, solange sie stets ein buntes Pflaster in der Tasche haben. Auf freitag.de schreibt sie in einer zweiwöchentlichen Kolumne über Frauen und Musik. Zuletzt von ihr erschienen: Mehr als Pata Pata

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Geschrieben von

Verena Reygers

Musikfetischistin, Feministin, Blames it on the Boogie

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