Das Lied des Nahen Ostens

Musik-Kolumne Was eine arabische Revolution sein kann, sehen wir: Aber was macht den "typischen" Sound arabischer Musik aus? Mehr als Percussion und Orient-Sehnsuchtsmelodien

Vergangene Woche war ich in den Vereinigten Arabischen Emiraten unterwegs und gespannt, ob sich musikalische Inspirationen auftun. Aber es ist nicht viel los in Abu Dhabi. Vom Balkon unseres Domizils hören wir von irgendeiner Wochenend-Veranstaltung David Guetta herüber schallen und in den Clubs unserer nächtlichen Ausflüge dröhnen House-Mixe durch die Boxen, die in jedem beliebigen Club dieser Welt zu erwarten sind.

Besser läuft es im Radio. Auf dem Weg zur Oase Al Ain erwischen wir – zwischen Lady Gaga und Kanye West – ein paar arabische Rhythmen. Aber wo fängt Arabien musikalisch eigentlich an? In Ägypten und den benachbarten Staaten proben die „Araber“ den Aufstand. Trotzdem erscheint es von den Nordstaaten des afrikanischen Kontinents hin zu den wohlständischen Emiraten ein weiter Weg. Musikalisch wird da weniger unterschieden. Laut Wikipedia spielt die „Arabische Musik“ sowohl in den Maghrebstaaten und Ägypten als auch in Jordanien, Syrien, dem Iran und der arabischen Halbinsel ihre traditionelle Rolle.

Fast vierzig Jahre nach ihrem Tod gilt die Ägypterin Umm Kulthum als einer der populärsten Vertreterinnen der arabischen Musik. Da fallen auch schon mal Vergleiche mit den Beatles oder Maria Callas - mehr ihren Einfluss betreffend als die musikalische Ähnlichkeit.

Mein Geschmack ist das nicht unbedingt. Zu jaulend, zu melodramatisch in Text und Instrumentierung. Vielleicht aber auch nur deshalb, weil die einzige Erfahrung mit arabischer Musik oft die ist, mit der sich Ofra Hazra 1988 auch in Europa wochenlang an der Spitze der Charts hielt.

Im Nachruf der bereits 2000 verstorbenen Israelin schrieb Spiegel Online, dass sich die Musikerin auch stets um den Austausch mit anderen Kulturen bemühte.Sie arbeitete mit Michael Jackson, Paul Anka, Iggy Pop und sogar mit Stefan Waggershausen, mit dem sie den Song „Jenseits von Liebe“ aufnahm. (Den hier zu spielen, wir uns aber sparen)

Während Ofra Haza sich mit Kollege Waggershausen dem deutschen Schlager annäherte, verhalf sie Künstlerinnen wie Paula Abdul zu mehr Arabic Style in deren Pop. Abduls Song „My Love Is For Real“ featuret nicht nur Hazas Gesang im Hintergrund sondern auch typische Instrumente wie Zither und Flöte. Außerdem bietet die Amerikanerin die entsprechende Video-Ästhetik mit Wüstensand und Henna-Tattoos. Das war 1995 und kaum stelle ich fest, dass in den Vereinigten Arabischen Emiraten amerikanischer Pop und globaler House im Trend liegen, entdecke ich europäische Künstlerinnen, denen der Nahe Osten musikalisch näher zu sein scheint, als den Araberinnen.

In meiner Plattensammlung finde ich Künstlerinnen wie Hindi Zahra, die ich letztes Jahr auf arte entdeckte. Zwei Tage später hatte ich mir ihr Debütalbum „Handmade“ besorgt, auf dem die französisch-marrokanische Sängerin vor allem englische Texte singt. Mit den mediterran-nordafrikanischen Elementen klingen diese aber mindestens so sehnsüchtig wie ein Wüstenwanderer mit der Fata-Morgana vor Augen.

Auf Zeit Online hieß es über „Handmade“, Manu Chao treffe Portishead und Zahra nenne Umm Kulthum als eines ihrer Vorbilder. So könnte sich der Kreis schließen, hätte im vergangen Jahr nicht die Schwedin Taken by Trees mit ihrem in Pakistan aufgenommenen Album „East of Eden“ auf sich aufmerksam gemacht.

Und auch Jane Birkin hat schon 2002 bewiesen, dass sie mehr kann als "Je t'aime moi non plus" zu stöhnen. Ihr Album „Arabesque“ vereinigt verschiedene Serge Gainsbourg Songs zu einem orientalisch dominierten Sound. Der Algerier Djamel Benyelles unterstützt die Französin an der Geige, andere Musiker sorgen mit Perkussion und Laute für den richtigen „Arabesque-Klang“.

So bleibt mir, zurück im deutschen Dauerregen, der arabische Sound in der eigenen Musiksammlung. Und als Erinnerung, wenn ich neben Pop und House in Abu Dhabi noch etwas anderes typisch „arabisches“ hören konnte: Den Ruf des Muezzins vom Minarett gegenüber.

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Geschrieben von

Verena Reygers

Musikfetischistin, Feministin, Blames it on the Boogie

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