Die Schwelle zwischen den Welten

Frauen & Musik Die Songwriter-Familie Wainwright-McGarrigle trug ihre Konflikte gern musikalisch aus. Nun ist Kate McGarrigle gestorben. Sie war das Kraftwerk des Musiker-Clans

Der Januar ist noch nicht ganz rum, da trägt die Musikwelt schon mehrfach den Trauerflor. Nicht nur starben vor wenigen Wochen der Folkmusiker Vic Chesnutt und Soulstimme Teddy Pendergrass, auch zwei Musikerinnen hat die Welt jüngst verloren: Kate McGarrigle und Lhasa de Sala. Die eine über Jahrzehnte maßgeblich für ihr Genre, die andere wandernd zwischen musikalischen und räumlichen Welten.

Kate McGarrigle wurde zusammen mit ihrer Schwester in den 70er Jahren als Folkmusikerin bekannt. Zehn Platten nahmen die McGarrigle Sisters auf und kollaborierten mit Künstlerinnen wie Emmylou Harris und Joan Baez, aber auch Nick Cave. Als Songschreiberin verfasste Anna zum Beispiel „Heart Like A Wheel“, den Titelsong eines der erfolgreichsten Linda-Ronstadt-Alben.



Die Künstlerfamilie der McGarrigles wuchs durch Kates Ehe mit dem Musiker Loudon Wainwright. Die beiden gemeinsamen Kinder Martha und Rufus Wainwright sind mittlerweile weit über die Nischen der Folkmusik hinaus bekannt: Rufus als operesker Indie-Barde und Martha zuletzt noch mit ihrer Adaption von Edith Piaf.

Folkmusik-Matriarchin nennt der Guardian die Kanadierin deshalb auch, und Laura Barton bezeichnet in ihrem Nachruf das Wurzeln in persönlichsten Welten, in häuslichen Szenen und familiären Schauplätzen, als die Stärke des Songwritings der Musikerin.

Die Familienbeziehungen der McGarrigles-Wainwrights sind als liebevolle, traurige, wütende und sehnsüchtige Zeugnisse in zahllosen Songs verarbeitet worden. Nicht nur die kakophonische Scheidung des Ehepaars Kate und Loudon schlug sind in Songtexten nieder, auch widmete Martha Wainwright 2005 auf ihrem Debüt dem Vater einen Song, Titel: „Bloddy Mother F***ing A**hole“. Sie und ihr Vater hätten viele Songs über ihre Beziehung zueinander geschrieben“, erklärte sie in einem Interview, „aber wir haben nie über sie gesprochen“.

Für ihre Mutter findet Martha intimere Worte: Schon als Kind gemeinsam auf der Bühne zu stehen war ihre Art beisammen zu sein. Sie sei in einer sehr matriarchalischen Familie aufgewachsen, in der schon die Großmutter anders war, als es von Frauen zu dieser Zeit erwartet wurde .

Noch vor wenigen Wochen stand Kate McGarrigle beim Weihnachtskonzert mit ihrer Familie auf der Bühne der Londoner Royal Albert Hall für einen letzten gemeinsamen Auftritt – Sie starb am 18. Januar 2010 im Alter von 63 Jahren.



Mehr zu diesem Song und anderen, schreiben Jim Windolf in der Vanity Fair und Johannes Waechter im Musikblog der Süddeutschen Zeitung.

Ein viel geringes Echo in den Medien hat der Tod von Lhasa de Sela ausgelöst, die bereits Neujahr im Alter von nur 37 Jahren starb. Das beklagte auch Stefan Franzen beim Internetradio ByteFM und widmete der Songpoetin eine ganze Sendung unter dem Motto „Über die Straße legt sich Schweigen“, ein Zitat aus einem von Lhasa Songs.

Die in den USA geborene und Mexiko aufgewachsene Musikerin war eine multikulturelle Nomadin, die vor allem dem Genre Weltmusik zugeordnet wurde. Wohl auch, weil sie ihre Songs auf Englisch, Spanisch und Französisch sang und schrieb. Womit Lhasa außerdem beeindruckte war ihre Stimme, die, wie von feinem Sand aufgeraut, brillant genug war, um Glasscheiben zu zerschneiden.




Drei Alben hat Lhasa veröffentlicht: 1993 ihr Debüt La Llorona, 2003 The Living Road und im vergangenen Jahr das selbstbetitelte Album LHASA. Ein geplantes Werk über die südamerikanischen Prostestmusiker Víctor Jara und Violetta Parra blieb unvollendet. „Mit ihren polyglotten Balladen fügt sich die Sängerin Lhasa in die Reihe berühmter Melancholiker des Planeten“, schrieb die Taz 2004. Aber Lhasa bewegte sich nicht nur auf diesem Planeten, sie habe auch von der „Schwelle zwischen den Welten aus“ gesprochen, wird ein Freund auf ihrer Webseite zitiert. Mit den Tindersticks, diesen anderen großen Melancholikern, nahm sie als Duettpartnerin verschiedene Titel auf, unter anderem das wunderschöne „That Leaving Behind“. In der Nacht des 1. Januar 2010 erlag sie nach zweijährigem Kampf einem Brustkrebsleiden.

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Geschrieben von

Verena Reygers

Musikfetischistin, Feministin, Blames it on the Boogie

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