Hurra Herbst! Zeit für Ohrenwärmer, die mich weniger vor der Kälte schützen als vor all der geschlechterstereotypisierenden Musik da draußen. Denn mal im Ernst: Darf ich als Feministin gewisse Bands und Musikrichtungen überhaupt an meine Ohren lassen? Diese Frage stellte sich zumindest neulich bei einer Diskussion bei der Mädchenmannschaft.
Denn was da manchmal über die Bildschirme wackelt, kokettiert und Heirate-Mich-Augen macht, verträgt sich so gar nicht mit unseren hehren feministischen Idealen. Genausowenig wie die Mackerattitüde mancher Rockschaffender. Puh, Männer die Unbeugsamen und Frauen die Anbetenden – der musikalische Mainstream macht es sich viel zu oft noch in der Steinzeit bequem.
Aber wie sieht sie überhaupt aus, die feministisch korrekte Musik? So wohl eher nicht:
Und nein, das doppelte „r“ in „herre“ ist keine verkehrte Rechtschreibung, sondern der dezente Hinweis, dass es nicht nur hier (here) heiß ist, sondern auch in ihr (her)... ähem, ja...
Und während sich bei Nelly sonstwas regt, meldet sich mein Gewissen, mein feministisch schlechtes Gewissen, wie meine Blogger-Kollegin so treffend formulierte. Denn wäre ich feministically correct, müsste ich mein rhythmisches Mitwippen unverzüglich einstellen.
Aber ich darf es wieder aufnehmen für das hier:
Der Überlegung, mit feministisch vertretbarer Musik würde meine Plattensammlung kaum über Knöchelhöhe hinaus reichen, muss ich widersprechen. Denn Peaches ist keine Ausnahme. Da draußen gibt es jede Menge anderer großartiger Musikerinnen, die zwar auch schon mal stereotyp über Liebe und all den Kram singen, aber trotzdem keine inhaltsleere Staffage im Musikbiz sind: Björk, Ani DiFranco, Tori Amos, Salt N Pepa, Bernadette La Hengst – um nur einige Genre-Berühmtheiten zu nennen. Denn es kommt auch auf den Rahmen an, den man steckt.
Für manche ist ja schon die Zuneigung für Madonna ein feministisches Ausschlusskriterium. Wenn ich aber eine Künstlerin nur deshalb ablehne, weil sie sich sexy vermarktet oder die Suche nach Mr. Right besingt, gebe ich ihrer Musik von vornherein keine Chance. Dabei darf mich ein mitreißender Sound durchaus auf die Tanzfläche reißen, während ich mein feministisches Gewissen am Tresen stehen lasse. Und umgekehrt gilt, bloß weil eine Band aus Frauen besteht, die keinen Wert auf Äußerlichkeiten legen, aber über harten schnellen Sex singen und dabei entsprechend auf ihre Instrumente eindreschen, muss ich diese Musik nicht mögen.
Unser Gefühl für Musik ist so emotional gesteuert – entweder etwas berührt uns, oder eben nicht. Und dann erst nehmen wir Text und KünstlerIn wahr. Und oh weh, müssen feststellen, die sind ja feministisch unkorrekt. Weil sich im Video ein halbes Dutzend nackter Frauenhintern drängelt. Weil die Sängerin ihren cheaty boyfriend anfleht, sie nicht länger zu belügen und so weiter. Oder weil Mr. Sexmachine James Brown im wirklichen Leben jahrelang seine Frau verprügelt hat.
Ich will meinen Musikgeschmack aber nicht als Kriterium gelten lassen, ob ich eine gute oder schlechte Feministin bin. Das mag bei diesem R’n‘ B Gefühlsduselgedudel noch recht leicht zu verteidigen sein, schwieriger wird es bei Bands wie AC/DC oder Motörhead, deren Texte nicht nur explizit frauenfeindlich, sondern eben auch noch gewalttätig sind.
Ich bin nicht die einzige, die das Problem hat: Valerie Agnew war Drummerin bei der Punk Band 7 Year Bitch. Auf die Frage, wie sie als Feministin solche Bands gut finden kann sagt sie: „Mir den Genuß nicht zu gönnen, den mir ihre Musik verschafft, bloß weil ich ihre Texte ideologisch nicht gut finden kann... Wenn man das Für und Wieder abwägt, dann ist die Musik schon ein großes Für.“ Und als Vertreterin der feministischen Riot Grrrls weiß sie wohl, wovon sie spricht.
Kommentare 14
Danke für diesen Artikel! Er spricht mir aus der Seele. Ok, ich geb's zu, ich finde Hip-Hop/Rap viel sexistischer als Rockmusik jemals gewesen ist und das Gangsta-Getue der männlichen Protagonisten und die willigen Damen in den Videos gehen mir auf die Nerven. Das mag u.a. daran liegen, dass ich altersbedingt ;-) eben mehr auf Gitarrenrock stehe, weil ich damit groß geworden bin. Gerne auch der härteren Sorte und trotz feministischer Grundeinstellung tat ich mich immer schwer damit, eine E-Gitarre als phallisches Instrument männlichen Herrschaftsdenkens zu betrachten. Natürlich hörte ich auch gerne politisch korrekte (hach, den Ausdruck gab's damals noch gar nicht) Musik wie Jazz. Aber eben auch die klassichen (Hard)rocker von den Stones über Aerosmith, AC/DC, G'N'R bis hin zu Metallica. Das traf nicht nur auf Unverständnis bei meinem damaligen feministischen Umfeld, sondern das "primitive Zeug" verstörte insgesamt meine intellektuelle/linke Umgebung. Bis hin zu dem latenten und argwöhnischen Vorwurf, diese Art von Musik sei doch wohl prinzipiell eher der rechten Szene zuzuordnen.
Doch gut gemachter (Hard)rock gibt mir bis heute einen Energiekick, wie nichts sonst auf der Welt. Und dann der Supergau ;-) als ich 2007 alle feministischen Bedenken über Bord geworfen habe und nach all den Jahrzehnten auch noch anfing Motörhead zu mögen. Aber war es nicht Lemmy, der als erster Frauen im Hardrock ernst genommen hat und Girlschool gefördert hat? Neben all dem unausgegorenen Quark den er zum Thema Frauen schon von sich gegeben hat und den ich ihm gerade wegen seiner Intelligenz besönders übel nehme, stehen eben auch Zitate wie: "Was soll das denn heißen, Kelly spielt nicht schlecht Gitarre für ein Mädchen? Sie ist gut und nur das zählt." Oder: "Einen Kerl, der mit 'nem Haufen Frauen schläft finden die Leute toll. Eine Frau, die viele Männer hat ist eine Schlampe. Das ist ungerecht. Das habe ich nie verstanden." Witzigerweise gab's übrigens eine ähnliche Aussage Jahre später auch von Madonna, im Zusammenhang mit der AIDS-Erkrankung des NBA-Superstars Magic Johnson.
Das Problem ist aber: Die entsprechende Musik ist zumeist nicht gut - vielmehr gehen Frauenfeindlichkeit und musische Talentlosigkeit häufig eine brechreizfördernde Symbiose ein!
Ein Beispiel für gute, weibliche Musik ist dieser Song:Sheryl Crow: "All I want to do..."
www.youtube.com/watch?v=I6zIEfSxqkg
Und hier ein sehr gutes Beispiel dafür, was Männer über frauenfeindliches Verhalten und frauenfeindliche Texte so denken:
Dave Chappelle - "I Wanna Piss on You"
www.youtube.com/watch?v=jKnIpYUgAXs
Unschwer zu erkennen, dass es eine Persiflage auf "R Kelly" ist.
Die Fan-Beziehung zu Lemmy von Motörhead kommentiert auch Julia Miess ganz unterhaltsam in ihrem Artikel "Lemmy, I'm a feminist - but I love you all the way"
Darin erklärt sie unter anderem, dass "Emanzen" ja eigentlich nur gegen eine reaktionäre Weltanschauung anträten, die es zu verändern gälte. Demnach müsste es auch männliche "Emanzen" geben und das als Schimpfwort zu benutzen sei in etwa wie jemanden als "Langhaarigen" zu beschimpfen - "Lemmy, denk an deine Frisur" :)
Ich erinnere mich bei diesem Text an eine Mitbewohnerin von mir, die trotz Interesse am Thmea zugegebenermaßen keine Hardcore-Feministin war.
Einst hörte ich in meinem schlecht isolierten Zimmer sehr laut die erste Platte von den Queens of the Stone Age. Ich habe nie viel auf deren Texte gegeben und weiß offen gestanden nicht, welche Ansichten zur Gleichberechtigung darin vertreten werden, aber die Coverphotos im Stile von 70'er Jahre Porno lassen nichts Gutes ahnen.
Nachdem ich also etwa eine Stunde die WG mit diesem Machwerk männlicher Unterdrückungsphantasien beschallt hatte, war wieder gut. Ich traf besagte Mitbewohnerin kurze Zeit darauf im Flur. Kommentar: Was war das denn für sexy Musik?
Das hat sich eingebrannt und für einiges an Klarheit in meinem Kopf gesorgt.
Es ist eben nicht so einfach, es heißt nicht schwarz ODER weiß. Menschen sind vielschichtige, widersprüchliche Wesen, Luce Irigaray würde sogar sagen, Frauen mehr als Männer. (Ich bin mir nicht schlüssig, ob sie damit recht hat.) Und offen gestanden ist jeder Versuch, Frauen davon abzuhalten, beides zu sein (In jeder denkbaren Hinsicht, in diesem Fall aber speziell das alte Antagonistenpaar Hure und Heilige) genauso eine chauvinistische Unterdrückerscheiße, wie es derselbe Versuch bei Männern wäre.
Ich plädiere also für Offenheit im Umgang mit den Brüchen in der eigenen Persönlichkeit!
Da seh ich überhaupt kein Problem :-) Problematisch finde ich vielmehr Versuche, persönlichen Vorlieben mittels Verwendung von wertenden Zuschreibungen wie "gut" und "schlecht" scheinbare Allgemeingültigkeit zu verleihen. Da befällt mich eine sowohl brechreizfördernde als auch gesunde Skepsis. Und das nicht nur wenn's um Musik geht :-)
@Verena Reygers
Den Artikel von Julie Miess "Lemmy, I'm a feminist - but I love you all the way" aus dem imo auch sonst lesenswerten Reader "Hot Topic - Popfeminismus heute" jetzt.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/408952 finde ich auch klasse.
Hm, ich hätte hier jetzt gerne 'nen Link zum direkten anklicken gepostet, aber irgendwie klappt das leider nicht???
Ah, das mit dem Link hätte doch funktioniert, ist aber in der Vorschau nicht erkennbar. Sorry, bin noch neu hier ;-) :-)
Danke für den Link - und dann auch noch mit tollem Sonja-Eismann-Interview! :)
Das Buch kann ich echt nur empfehlen!!
Ich kann dieses weibische Emanzengejammer nicht mehr hören!
Mir ist gar kein Jammern aufgefallen...
Das ist gar nicht so von der Hand zu weisen.
Wenn die Frauen sich das auf die Dauer bieten lassen ist das nicht gut. Diese Videos sind doch eine Ausbeutung der Körper der Frauen. Es wird eine Scheinwelt vorgespiegelt in der für Geld angeblich alles zu haben ist. So ist es aber nicht. Die echte Liebe und Zuneigung einer Frau lässt sich nicht kaufen. Frauen sollten es nicht zulassen, dass sie so auf dem Altar des Geldes und der Wirtschaft geopfert werden. In meiner Jugend war vor den Beate-Uhse-Läden die Fensterscheibe fast zu und nur durch ein kleines Loch konnten die Männer auf die pikanten Inhalte darin sehen. Heute gibt es in den Innenstädten Transparente mit 20 mal 30 Metern und darauf ist eine
wunderschöne Frau im Tanga und knappen Bikini abgebildet. Warum macht man das? Weil damit Geld verdient wird. Das ist einfach nicht in Ordnung.
Die Riot Grrrls haben recht. Passt auf Euch auf und wehrt Euch!
poor on ruhr
Also hast du dich einfach drauf besonnen, dass du auch lesen kannst ;-) und dich gefreut, dass hier jammerfreie Zone ist - zumindest was uns Weiber betrifft.
@ honolulubaby
"...tat ich mich immer schwer damit, eine E-Gitarre als phallisches Instrument männlichen Herrschaftsdenkens zu betrachten." - Schon den Film 'It Might Get Loud' (Davis Guggenheim) mit Jimmy Page, The Edge und Jack White gesehen? Für Liebhaber*innen des 'Gitarrenrock' zu empfehlen. Es kommt zwar an einer Stelle auch die übliche Phrase von der Gitarre als Frau, die Mann eben liebt (von Jimmy Page), aber ansonsten hat man den eher Eindruck, alten Handwerkern, die ihr Werkzeug und ihr Material lieben, zuzusehen.