Gegen die Penis-Zensur

Frauen & Musik Zorro Zensur besingt auf ihrem neuen Album die "größte Vulva der Welt" und will endlich dünne, nackte Männer sehen. Wir gratulieren! Und hätten da noch ein paar Fragen...

Während dieser Tage vor allem männliche Fußballerwaden das Blickfeld bevölkern, wünscht sich die Berliner Musikerin Zorro Zensur die Vollkommenheit: „Ich will dünne nackte Männer sehen“, singt sie auf ihrem Debüt, dessen Titel noch ein Stück kompromissloser daher kommt: „Ich habe die größte Vulva der Welt“. Da gratulieren wir doch direkt mal zum gelungenen Albumtitel:

Der Freitag

: Zorro Zensur, unseren Glückwunsch!

Zorro Zensur: (lachend) Vielen Dank! Einige meiner Freundinnen meinten, ‚Hey, meine Vulva ist doch die Größte’; das gab einen richtigen Battle zwischen den Mädels und mir. Und gleichzeitig bedeutet die größte Vulva zu haben auch, dass besonders viele Penisse reinpassen.

Aber reagieren die Leute nicht auch irritiert?

Nein, bisher nicht. Die meisten finden es witzig, auch die Männer. Aber ich bin ja auch nicht im Neukölner Kiez unterwegs, wo das vielleicht anders beurteilt würde.

Männer behaupten ja gerne mal von sich, ihr Glied wäre das Größte – und das völlig ironiefrei. Neben der „größten Vulva der Welt“ wirfst du noch die Forderung nach „dünnen nackten Männern“ ins Feld. Ist das ein ähnlicher Gegenentwurf zu den in Werbung und Medien vorherrschenden dünnen Mädchen?

Das Bild von Männern und Frauen in der Werbung stört mich schon extrem. Gerade wieder sieht man auf den H diese abgemagerten Models, während Männer in Rasierklingen-Werbung als der harte Macker rüberkommen. Ich stehe aber auf ganz dünne, schwache Männer ohne Muskeln und will die gefälligst auch sehen.

Aber du willst sie nackt sehen?

Ja, natürlich! Der Mann ist das schönste Ding der Welt. Es heißt zwar immer, die Frau, das schöne Geschlecht, aber das sehe ich überhaupt nicht so. Und nackt sollen sie sein, weil ich gegen die allgemeine Penis-Zensur angehen will.
Und gleichzeitig will ich dafür kämpfen, dass es ein Bild des Mannes als Softie gibt, lächelnd und nicht bloß hart und arrogant.

Apropos Peniszensur, wenn du dir gerne nackte Männer ansiehst, kennst du sicherlich das Jungsheft, das von Nicole Rüdiger und Elke Kuhlen seit 2005 unter dem Motto Porno für Mädchen herausgegeben wird?

Ja, aber ich muss sagen, dass ich davon ziemlich enttäuscht war. Ich kann nicht mal sagen warum, weil die Idee eigentlich klasse ist. Wahrscheinlich habe ich einfach ein schlechte Ausgabe erwischt.

Musikalisch kämpfst du eher reduziert mithilfe von Drumcomputer, Gitarre und deiner Stimme für nackte Jungs, stehst damit aber in der Punktradition des kompromisslosen D.I.Y.

Ich bin ein großer Fan von Bands wie DAF und Malaria! Als ich vor zwei Jahren aus der Schweiz nach Berlin gezogen bin, dachte ich, die Stadt wäre voller toller Bettina-Köster-Frauen. Ich wollte unbedingt Leute finden, mit denen ich Musik machen kann und war echt enttäuscht, als es überhaupt nicht lief. Ich habe ganz viel mit verschiedenen Leuten gejammt, und entweder, denen hat das Musikmachen nicht so viel bedeutet oder es hieß, mein Gitarrenspiel sei zu schlecht, um in der Band zu spielen.

Aber schließlich hast du mit hobbymusik ein Label gefunden, dass sich als „bewusst uncool“ präsentiert, weil sie es „blöd finden, dass Unprofessionalität und Arbeit, mit der man nicht seinen Lebensunterhalt verdient, gering geschätzt werden.“ Wie sind die auf dich aufmerksam geworden?

Ach Julian, einer von den drei Jungs, die das Label machen, hat mal nackt bei mir zuhause rumgetanzt und 'Yeah, ich bin voll der Feminist' gesungen. Da hat sich die Zusammenarbeit so ergeben.

Aber du hast den armen Julian nicht zorromäßig mit einem gepeitschten "Z" kennzeichnen müssen? Oder wie verhält es sich mit deinem "Vornamen"?

Nein, den Namen habe ich mir ausgesucht, weil „Zorro“ mein Kindheitsheld war. Beim Fasching durften sich die Jungs immer als Zorro verkleiden, während ich bloß ein Schlumpf war. Aber wenn ich über weibliche Kindheitsheldinnen nachdenke, fällt mir noch Pippi Langstrumpf ein.

Und? Glaubst du, du kannst mit deinen Songs die Welt verändern, so wie es sich für Heldinnen gehört?

Ich denke schon, dass man an den Zuständen etwas verändern kann, aber allein mit Musik? Da bin ich skeptisch. Dafür müsste ich wohl eher in die Politik gehen. So mache ich mir mal lieber keine Hoffnung.

Aber auf Männerunterhosen, die bei deinen Konzerten auf die Bühne geworfen werden, hoffst du durchaus, oder?

Auf jeden Fall! Ich freue mich auch über Männer, die sich ganz ausziehen. Aber bitte ohne sich vorher Muskeln antrainiert zu haben.

Verena Reygers, Jg. 1976, bloggt auf und schreibt als freie Journalistin über Bands, Konzerte und neue Platten. Sie findet, Mädchen sollten wild und gefährlich leben, solange sie stets ein buntes Pflaster in der Tasche haben. Auf freitag.de schreibt sie in einer zweiwöchentlichen Kolumne über Frauen und Musik. Zuletzt: Babyspeck ist ein Problem

Der digitale Freitag

Mit Lust am guten Argument

Geschrieben von

Verena Reygers

Musikfetischistin, Feministin, Blames it on the Boogie

Avatar

Wissen, wie sich die Welt verändert. Abonnieren Sie den Freitag jetzt zum Probepreis und erhalten Sie den Roman “Eigentum” von Bestseller-Autor Wolf Haas als Geschenk dazu.

Gedruckt

Die wichtigsten Seiten zum Weltgeschehen auf Papier: Holen Sie sich den Freitag jede Woche nach Hause.

Jetzt sichern

Digital

Ohne Limits auf dem Gerät Ihrer Wahl: Entdecken Sie Freitag+ auf unserer Website und lesen Sie jede Ausgabe als E-Paper.

Jetzt sichern

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden