Gesteigerte Hechelfrequenz

Musik-Kolumne Unsere Kolumnistin Verena Reygers mag Eiscreme. Aber nicht, wenn sie so sexistisch schmeckt wie in dem neuen Video von „Battles“

Bei manchen Songs sollte man lieber die Augen schließen. Vor allem dann, wenn das dazugehörige Videos so ein sexistischer Mist ist wie bei Battles’ neuem Clip „Ice Cream“.


Battles Ice Cream Featuring Matias Aguayovon le-pere-de-colombe

Schon „geil“, wie das Mädchen nackt in der Badewanne sitzt und das Hörnchen beschleckt. Nicht? Immer schön Zunge raus und schleck, schleck, schleck, während das verzerrte Stöhnen von Gastsänger Matias Aguayo seine Hechelfrequenz steigert.

Leck mich möchte man sagen. Und zwar am Arsch!

Laut stereogum steckt hinter dem Video das Regieteam von CANADA, einer in Barcelona beheimateten Werbe- und Kreativagentur. Das Regie-Trio drehte nicht nur eines der letzten Videos der New Yorker Neo-Diskohüpfer Scissor Sisters sondern linste auch für dieses Video zwischen weibliche Schenkel:

„Bombay“ ist, genauso wie „Ice Cream“ auf youtube erst ab 18 frei gegeben, was natürlich angesichts ein paar blitzender Brüste auch albern ist, aber dass Videoclips aus dem Hause CANADA des Öfteren mit dem Label NSFW (not safe for work) getaggt werden, spricht durchaus für sich und weniger für die emanzipierte Zurechnungsfähigkeit der spanischen Clip-Regisseure. Ihre Videos zeigen so richtig, wo es im Leben für Frauen und Männer lang gehen sollte:

Die Jungs als coole Macher, die Mädels als Deko, am besten topless.

Für „Ice Cream“ mögen der Eishörnchen-Nymphe vielleicht noch die langen Haare über die Brustwarzen drapiert worden sein, aber weniger in-your-face wirkt ihre Nacktheit trotzdem nicht. Das „Bombay“ Video erinnerte einen Amy Blogger gar an die Soft-Pornos auf TM 3, zu denen er sich immer mit seinen Kumpels zum Wettwichsen traf. Ach Jungs!

Ihr könnt wohl nur mit soften Girls, denn den Frauentyp, den CANADA in ihren Videos generieren, ist genau der, den ätzende Hipster-Blogs wie Amy oder VICE bejubeln.
Dieser als Ästhetik getarnte American-Apparel Sexismus, wo junge langhaarig verträumte Mädchen mit Kulleraugen und knospigen Brustwarzen eine Schmollschnute ziehen. Erst vor einigen Tagen fragte mich ein Kumpel, was dieser duselige Trend in den Medien solle, dass Mädchen und Frauen dieses Entengesicht machen würden. Wohlgemerkt Frauen, an deren Intelligenz zu zweifeln, er bisher keinen Grund gehabt hätte.

Nicht mal bei dem – sonst sehr schönen – Song von Marlango gelingt es den Clipmachern, die Sängerin jenseits von Fragilität und Zähmbarkeit zu inszenieren. Hauptsache, das Shirt wird ausgezogen.

Und man beachte mal den Frauentyp an sich. Beth Ditto hätte wohl kaum eine Chance bei der hippen Elektro-Zappelei ihren Körper in Szene zu setzen. Bitte nur 0815-Frauen, schmal an Hüften- und Brustumfang und die bitte nur zur sexuellen Verfügbarkeit, nicht aber zur sexuellen Bedrohung taugen. Deshalb winkt in „Bombay“ vielleicht auch nur der als Penis angedeutete Finger durch den Hosenstall, statt eines echten männlichen Glieds.

Echte Kerle, echte Schwänze, das wünsche ich mir.

Dann geht das vielleicht auch mit dem Blick in den weiblichen Schritt in Ordnung.

Sein genitales Potential zu zeigen, dagegen habe ich ja gar nichts. Das macht Amanda Palmer zum Beispiel auch, wenn sie über „Map of Tasmania“ singt.

Wie man Körper, Bewegung und Sound visuell umsetzen kann, zeigt das Video zu Ovals Song „Ah!“, das bei den Internationalen Kurzfilmtagen in Oberhausen vergangene Woche den 3. Preis beim Mu(sik)vi(deo)-Preis gewonnen hat.

In der Begründung der Jury heißt es: Mehr noch, gelingt es der Inszenierung, eine eigentlich unerotische Musik in Bilder eines multiplen Begehrens zu übersetzen, in denen die tanzende Protagonistin einerseits ihre männlichen Mittänzer dominiert und andererseits von ihren Blicken, ihrem Begehren immer wieder in die Enge getrieben wird.

Also, Sex, Erotik, Körper, Begehren – all das darf und soll im Musikvideo stattfinden. Nur bitte nicht so platt glitschig wie eine Erdbeereispfütze, die Battles mit „Ice Cream“ hinterlassen. Und das Argument, das sei Kunst, was ich schon von weitem angaloppieren höre, könnt ihr auch vergessen. Denn wenn das Kunst ist, kann es weg.

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Geschrieben von

Verena Reygers

Musikfetischistin, Feministin, Blames it on the Boogie

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