Haste Töne

Kolumne Wenn eine Schauspielerin sich der Musik zuwendet, heißt es gern: "Auch das noch!". Dass die Klage nicht immer berechtigt ist, zeigen Julia Hummer und Zooey Deschanel

Diese Woche erscheint das neue Missy Magazine mit einem Dossier über Rollenbilder im TV. Vor allem in Deutschland gibt es kaum eine Serie, in der die stereotyp attraktiven Protagonistinnen nicht auf der Suche nach dem Richtigen ist – ob Mörder oder Mann fürs Leben sei mal dahingestellt. Denn die emanzipierten Ausnahmen im deutschen TV sind eine Handvoll Kommissarinnen, während in den USA in Serien wie Buffy - The Vampire Slayer, The L-Word oder Mad Men Klischees hinterfragt und aufgebrochen werden

Was das alles mit Musik zu tun hat? Nun, ich überlegte, ob es sich für Frauen in der Populärkultur eher lohnt, Musikerin als Schauspielerin zu sein– gerade nun, da MTV kürzlich die Musik seines Logos verwiesen hat und man denken könne, es sähe schlecht aus für die Rolle der Musik in den Flimmergeräten.

Vielleicht sind Frauen im Fernsehen präsenter, sie moderieren Nachrichten und Talkshows, sind aufgrund ihrer Optik allgegenwärtig – vor allem auf den Titeln von Fernsehzeitschriften, während der aktuelle Rolling Stone mit Sade auf dem Cover eine überraschende Ausnahme ist. Aber sie sind selten Macherinnen. In den USA sind im Schnitt nur 30 Prozent Frauen Autorinnen von Filmbesprechungen oder sitzen in Redaktionen von TV-Shows. Bei dem hiesigen Backlash-TV zwischen Dailysoap und Feierabend-Schmonzette wird das kaum anders sein. In der musikalischen Meinungsmache, in Zeitschriften, Blogs und Redaktionen ist das Verhältnis durchaus ähnlich.

Aber auch wenn hier vor allem Männer über Frauen schreiben, so gibt es doch zahlreiche Möglichkeiten, sich an den Zuschreibungen vorbei ein Publikum zu erobern. Im Fernsehen geht das nicht so einfach. Dort gibt es so gut wie keine Nischen, sich als individueller Charakter zu positionieren. Fernsehen ist ein viel schwieriger zu kalkulierendes Medium. Hier lässt sich keine Karriere mit ein paar Flyern und Myspace bewerkstelligen.

Und während Schauspielerinnen, die ihre Drehflauten mit einer Musikkarriere auffrischen wollen, oft belächelt werden, ist anders herum das Fernsehen seit Jahrzehnten ein zuverlässiger Garant, Musikerinnen in ihrer Repräsentation zu unterstützen. Denn welcher Late-Night-Talk oder andere TV-Sofarunden kämen ohne musikalische Untermalung aus? Gäbe es den Musikantenstadl nicht, wir hätten keine Ahnung, welches Grauen in manchem Gebirgstal lauert.

Wir gucken haufenweise Musikvideos im Netz, jingeln Werbemelodien zu Hits oder kaufen Soundtracks zu Serien und Filmen. Kein Mensch würde Vonda Shepard kennen, wenn sie nicht jahrelang in der Bar Klavier gespielt hätte, in der Ally McBeal ihre Feierabend-Drinks nahm.



Gastauftritte in TV-Serien sind für Musikerinnen eine gute Möglichkeit, sich auch mal ohne Mikrophon ins mediale Geschäft einzuschalten. Jewel, die für Men in Trees ihrer alten Heimat Alaska einen Drehbesuch abstattete oder Alanis Morissette, die für Sex and The City mit Sarah Jessica Parker knutschen durfte. Nicht zu vergessen die ganzen Stars, die sich bei den Simpsons die Klinke in die Hand geben, wobei Britney Spears bisher der einzig weibliche Superstar war. Neben dieser in Begleitung ihres Bruders Drumsticks und Fäuste schwingenden Dame:




Musikerinnen wie Lady Bitch Ray oder Nina Hagen haben sich mehr durch TV-Auftritte zum Gesprächsthema gemacht als durch ihre im Radio gespielten Songs oder tiefschürfende Spiegel-Interviews. Und wenn sie sich dafür mehr als verbal zwischen die Beine greifen mussten.



Da kann das am Reißbrett entworfene Image diverser Castingshows und Disney-Musicals nicht mithalten. Denn da geht es schon lange nicht mehr um Musik, wenn Talent made by Bohlen ist und die Jonas Brothers sich über ihre Keuschheitsringe vermarkten. Identifikationsfläche bietet es für die minderjährigen TV-Süchtigen leider doch. Aber es ist Montag, und ich will den Wochenstart nicht mit Jammern vertun.

Denn es gibt auch Gesichter, die uns erst auf dem Bildschirm auffallen, bevor sie uns als Musikerinnen überzeugen. Deren Talent kein Medienspektakel ist sondern einfach der Versuch, die eigene Kreativität auf einem weiteren Weg auszudrücken. Dazu gehören Charlotte Gainsbourg oder Minnie Driver genauso wie die deutsche Julia Hummer, die als Schauspielerin unter anderem in Christian Petzolds Die innere Sicherheit beeindruckte und 2005 mit ihrer Band Julia Hummer Too Many Boys die Platte Downtown Cocoluccia veröffentlichte.

Oder auch die US-Schauspielerin Zooey Deschanel, die mit M. Ward, wunderbar luftigen Folkpop macht



Das zweite Album des Duo wird übrigens Anfang April veröffentlicht und weder bei Deschanel noch den anderen Medien-Zwittern kann man sich beschweren: „Jetzt singt sie auch noch“.

Verena Reygers, Jg. 1976, bloggt auf und schreibt als freie Journalistin über Bands, Konzerte und neue Platten. Sie findet, Mädchen sollten wild und gefährlich leben, solange sie stets ein buntes Pflaster in der Tasche haben. Auf freitag.de schreibt sie in einer zweiwöchentlichen Kolumne über Frauen und Musik. Zuletzt über das neue It-Girl Ke$ha

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Geschrieben von

Verena Reygers

Musikfetischistin, Feministin, Blames it on the Boogie

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