Keine Fragen an die Frau

Musik Unsere Kolumnistin traf Yo-Landi und Ninja von "Die Antwoord" und wundert sich, warum sonst immer nur ein Teil des südafrikanischen Duos zu Wort kommt – der männliche

Sind die gefährlich oder wollen die nur spielen? Das ist eine der Fragen, die man dem südafrikanischen Hype-Duo Die Antwoord verunsichert in den Weg stellt, statt einfach fett zu dem trashigen Eurodance-Rap abzuhotten. Die Sorge ist groß, dass die inszenierten Klischees vom weißen Vorort-Proll und seiner Zef-Kultur die konservativen Apartheids-Befürworter nicht karikiert, sondern unreflektiert imitiert.

Interviews mit Die Antwoord werden deshalb gerne mit Fragen zu Apartheid, Nelson Mandela und der gegenwärtigen gesellschaftlichen Situation in Südafrika gespickt. Sehr zum Missfallen von Band und Manager, worüber auch die Spex in ihrer gegenwärtigen Titelgeschichte berichtet.

Weniger groß dagegen ist die Sorge, dass man Yo-Landi Vi$$er, den weiblichen Teil des überwiegend als Duo auftretenden Trios, in der Berichterstattung weitgehend unberücksichtigt lässt. Jürgen Ziemer spricht auf Zeit-Online fast ausschließlich über die Person Watkin Tudor Jones, wie Ninja – also der männliche Teil – mit bürgerlichem Namen heißt, und auch in der Spex steht vor allem Mister Ninja im Vordergrund. Immerhin mit dem interessanten Hinweis, er schubse seine Partnerin schimpfend an, "gefälligst auch mal was zu sagen". Warum sollte sie, wenn der Journalist sie nicht einbezieht? Mal abgesehen von der Frage nach den "von Peaches popularisierten Sex-Ermächtigungsgesten", die Yo-Landi nicht mehr als ein lahmes Grinsen entlockt.


Dass es anders geht, erfahre ich bei meiner eigenen Begegnung mit dem auf mürrische Proleten getrimmten Duo Anfang Juli. Tags zuvor hatten Die Antwoord einen heiß verschwitzten Gig vor vom Hype-Fieber erfassten Hipster-Publikum im Hamburger Indra gefeiert. Bei der deutschen Premiere johlte die Crowd unerschrocken und konsequent textsicher mit.


Bevor ich den Konferenzraum zum Interview betrete, nimmt mich der Pressepromoter der Plattenfirma mit dem Hinweis in Empfang, doch bitte über die Musik zu reden und keine Fragen zu Nelson Mandela zu stellen. Alles klar! Schließlich fängt mich noch der Manager vom US-Label ab und wiederholt die Bitte, auf politische Hintergrundfragen zu verzichten und auch Yo-Landi ein paar Fragen zu stellen. Das hätten die vorangehenden Kollegen nämlich versäumt. So was, da sitzt die Frau mit am Tisch und wird geflissentlich ignoriert?! Fehlt nur noch die Ausrede, sie sei so klein und zierlich, da könnte man die Musikerin – trotz präsenter Vokuhila-Mähne – schon mal übersehen.

Dabei gibt es eine Menge Fragen, die man Yo-Landi Vi$$er stellen könnte. Zum Beispiel, warum sie live auf der Bühne so vollends in die Fresse zu hauen bereit ist, im Video zu "Enter the Ninja" dagegen im Schulmädchenkleid neckisch um Schutz trällert.


Die Südafrikanerin nennt das die andere Seite ihres Wesens. "Jeder Mensch hat zwei Seiten, und während ich im Clip das kleine Mädchen imitiere, kann ich im wahren Leben durchaus naughty sein", sagt sie, und Ninja nickt bekräftigend. "Diese Frau ist viel gefährlicher als ich", bestätigt er grinsend. Yo-Landi in dieser dominanten Rolle zu interpretieren, gefällt beiden und spätestens ab hier bekommt das Gespräch eine offenere Dynamik, in der keiner der beiden mehr teilnahmslos Comicmännchen auf den Zeichenblock kritzelt, der vor ihnen liegt.

Und es gibt auch keine bösen Blicke auf meine Reaktion, als Yo-Landi eines ihrer Tattoos zeigt, das auch Ninjas Körper ziert, aber zuerst ihre Idee war: "Dann hast du das einfach kopiert", werfe ich ihm scherzend vor. Beide nicken grinsend.

Man könnte Yo-Landi verkaufsfördernde Sexyness vorwerfen, aber Fratzen schneiden kann die Musikerin mindestens genauso gut wie ihr Partner und Kollege. Komisch, dass noch keiner auf die Idee gekommen ist, sie zu fragen, wer sich denn um das gemeinsame Kind kümmert, von dem in der Info ihrer Plattenfirma krude die Rede ist.

Yo-Landi und Ninja entwickeln auch die Songs zusammen. Wieder ergreift sie das Wort und scherzt: "Ich schreibe dem Ninja die meisten seiner Raps". Ninja lacht und erklärt, dass Yo-Landi in der Tat die guten Ideen habe, während er für die Struktur zuständig sei.

Die Gleichberechtigung funktioniert also bei Die Antwoord. Schade nur, wenn dass in den Medien nicht immer so ankommt.

Verena Reygers, Jg. 1976, bloggt auf und schreibt als freie Journalistin über Bands, Konzerte und neue Platten. Sie findet, Mädchen sollten wild und gefährlich leben, solange sie stets ein buntes Pflaster in der Tasche haben. Auf freitag.de schreibt sie in einer zweiwöchentlichen Kolumne über Frauen und Musik. Zuletzt: Rock ohne Rotz.

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Geschrieben von

Verena Reygers

Musikfetischistin, Feministin, Blames it on the Boogie

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