Musik-Kolumne Die Gitarre ist ein Jungs-Instrument? Zumindest werden Frauen im Pop-Business eher belächelt, erzählen die ausschließlich weiblichen Mitglieder der Band Clara Bow
Die Frage, ob man als Journalistin Musikerinnen positiv bewerten soll nach dem Motto, Schwestern im Geiste, beziehungsweise im Chromosom erübrigt sich: Nein, Frauen, sind nicht per se die besseren Musikerinnen, Bühneperformerinnen, Instrumentalistinnen, whatever. Trotzdem reagierte die Hamburger Band Clara Bow auf meine Kritik beim diesjährigen Reeperbahnfestival: Ihnen sei die Kritik von Frauen um einiges wichtiger als von Männern und sie wollten deshalb die Gelegenheit nutzen, mich doch noch von ihren Bandqualitäten zu überzeugen und ein paar Anekdoten aus der „Testosteron dominierten Hamburger Musikszene“ erzählen. Im Schanzenviertel treffe ich mich mit Gitarristin und Sängerin Katrin Hesse und Schlagzeugerin Phyllis Schürger.
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#228;hlen. Im Schanzenviertel treffe ich mich mit Gitarristin und Sängerin Katrin Hesse und Schlagzeugerin Phyllis Schürger.Freitag: Wie ging das denn los mit eurer Band?Hesse: Bevor wir uns 2003 als Clara Bow zusammenfanden, wollte ich schon seit Jahren eine Band und besonders eine Frauenband gründen. Ich hab damals auch beim Ladyfest aufgelegt und mich dann einfach mit meiner Freundin Vera beim fmz für einen Proberaum beworben. Das hat auch prompt geklappt, aber dann hatten wir den Proberaum, aber noch keine richtige Band. Die haben wir uns dann per Aushang zusammengesucht.Schürger: Beim ersten Treffen hat Katrin mich am Anfang mit einer anderen Bandkollegin verwechselt, weil ich die gleichen Vintage-Stiefel trug. (lacht) Schnell war klar, auch ohne überhaupt einen Ton gespielt zu haben, klar, dass ich voll in die Band passe.Hesse: Das Wichtigste war und ist, dass wir auch als Freundinnen in der Band spielen. Neben dem Anspruch, Spaß miteinander zu haben, steht bei euch der Do-It-Yourself Ansatz des Punk und mehr noch des Riot-Grrrls-Movement ganz weit vorne, also dieses ‚wir spielen jetzt einfach mal drauf los, egal, ob wir das können oder nicht’.Hesse: Ja, das ist auch heute noch unser Credo. Phyllis hatte zu dem Zeitpunkt nicht mal ein Jahr Schlagzeug gespielt und der Rest von uns war auch nicht viel besser. Phyllis: Wobei ich mich noch erinnere, wie wir telefoniert haben und du erzähltest, also, wir können das und das und das’ und ich schon dachte, oh je, wie soll das denn funktionieren.Aber du hattest ja die richtigen Stiefel.Hesse: Wir wollten nie diese typischen Mucker werden, die auf der Bühne nur zeigen, was sie alles auf ihren Instrumenten können. Und wir hätten definitiv mehr Zeit und Energie reinstecken müssen, um das so zu professionalisieren, was neben dem Studium damals und dem Job heute kaum möglich wäre. Und klar, der D.I.Y.-Anspruch liegt immer noch ins uns. Ich habe mir das Gitarrespielen zum Beispiel auch komplett selber beigebracht. Schürger: Es muss auf jeden Fall Spaß machen. Uns auf der Bühne und den Leuten im Publikum.In einem Pressetext zu euch heißt es, ihr wärt Hamburgs Antwort auf Le Tigre. Hesse: Die sind definitiv ein Einfluss für uns, auch wenn wir nicht behaupten wollen, die Antwort auf Le Tigre zu sein. Wir sind eher eine Mischung aus Le Tigre und Bikini Kill. Le Tigre ist viel elektronischer und Bikini Kill viel punkiger. Wir sind irgendwo dazwischen.Auf eurer My-Space Seite ist in einem Satz von der ‚Testosteron dominierten Hamburger Musikszene’ die Rede. Ist das tatsächlich so?Hesse: Also wenn es um Gitarrenmusik geht, ist das auf jeden Fall so.Schürger: Auf fast allen Festivals, auf denen wir gespielt haben, waren wir oft die einzige Frauenband, überhaupt die einzigen Frauen, die aufgetreten sind. Oft wurden wir sogar gedisst, sobald wir auftauchten. Bei einem Festival sind wir kaum reingekommen, weil, obwohl wir Instrumente dabei hatten, der Typ am Eingang zu uns meinte: ‚Acht Euro!’ Und wir so: ‚Wie acht Euro? Wir sind ne Band, wir spielen hier.’ Die haben überhaupt nicht gescheckt, dass wir eine Band sind, weil wir Frauen sind. Und die Krönung war, als wir dann in den Backstageraum kamen, in dem bis auf eine Ausnahme ausschließlich Männer saßen, wurde uns von hinten zugegrölt ‚Ey was ist das denn? Mutterkuchen, oder was’.Was sind denn das für Festivals, wo so etwas passiert? Hesse: Das war bei einem Anti-Nazi-Festival, ein politisch korrektes eigentlich. Wie ist es denn, wenn ihr dann auf der Bühne steht?Schürger: Das hängt sehr vom Publikum ab. Klar gibt es auch die obligatorischen Ausziehen-Rufe, auf die man sich einen schlagfertigen Spruch meistens verkneift, weil die Typen eh schon zu betrunken sind, um den noch zu verstehen. Und meistens ist es so, dass wir im Vorfeld kritisiert werden, obwohl uns die Leute noch gar nicht gehört haben und nach dem Konzert dann dHesse: Ich würde sagen, als Frauenband it’s a bless and a curse. Man hat schon so einen Exotenbonus, weshalb man gebucht wird, aber andererseits wird einem weniger zugetraut.Und was ist dann eure Taktik? Kontra geben oder schlucken?Hesse: Schürger: Dieser Exotenbonus als Frauenband wird aber auch oft entsprechend fassungslos kommentiert: ‚Wie? Ihr seid nur Frauen, krass’. Keiner käme auf die Idee, bei einer Männerband zu sagen ‚Wie? Ihr seid nur Männer?’.Unterscheidet sich die Kritik von Männern und Frauen? Hesse: Lob und Kritik gibt es eigentlich von beiden Seiten. Aber die unterscheidet sich auch noch mal vom Geschlecht. Entweder kritisieren uns Männer nach dem Motto, ‚ach die kleinen Mädchen, die können doch nix’, oder sie finden richtig toll, was wir machen, wobei nicht immer ganz klar ist, ob es wirklich um die Musik oder das Aussehen geht. Und bei Frauen ist es entweder so, dass sie sich solidarisieren und Vorbilder in uns sehen, was auch nicht so oft passiert oder es ist diese Stutenbissigkeit, die uns eben auch begegnet. Aber die massivere Kritik kommt eindeutig von Männern.Aber ist euch die denn auch wichtig? Schließlich behauptet ihr, mit eurer Musik Mädchen und Frauen ansprechen zu wollen.Hesse: Wir nehmen Kritik von Frauen ernster, weil sie unserer Ansicht nach ein wenig objektiver ist. Bei Männern spielen einerseits das uns häufig begegnende Kriterium Sexappeal und andererseits der mangelnde Respekt gegenüber Frauen, die sich in ein männliches Territorium wagen, so à la ‚für ne Mädchenband nicht schlecht’ eine zu große Rolle. Natürlich gibt es auch einige emanzipierte Männer die mündig genug sind auch eine Band voller Frauen unverklärt zu bewerten.Was haltet ihr denn von Artikeln, in denen es heißt, die Frauen im Pop seien doch so auf dem Vormarsch, siehe Lady Gaga, M.I.A., Rihanna oder auch La Roux und Co.Hesse: Klar, solche Artikel gibt es seit den 80ern immer mal wieder. Und im Grunde davor auch schon immer.Also nach dem Motto, wenn zwei, drei Frauen in den Charts sind, gehört das Popbiz den Frauen?Hesse: Genau!Aber woran liegt es, dass es zu wenig Frauenbands gibt, wie ihr ja auch selber sagt?Hesse: „Das fängt doch schon bei der Bandgründung an. Wenn ich Männerbands frage, wie sie entstanden sind, heißt es meistens, da haben sich Freunde zusammen getan. So war es bei uns ja auch, wir haben uns als Freundinnen und über Bekanntschaften zusammen getan. Und wenn man keine anderen Frauen kennt, die ein Instrument spielen wird es eben schwierig.Schürger: Vor allem gibt es kaum Schlagzeugerinnen. Das ist nach wie vor eine total männlich besetztes Instrument.Hesse: Viele Eltern wollen eben nicht, dass ihre Tochter am Schlagzeug sitzt. Ich habe auch noch ein Beispiel aus meiner Verwandtschaft: Meine Cousine wollte E-Gitarre lernen und mein Onkel hat es ihr verboten, weil es sich eben nicht schickt. So kommen viele Faktoren zusammen. Es liegt an den Eltern, an mangelnden Vorbildern für die Mädchen, der Freundeskreis, Sozialisation und so weiter.Schürger: Generell wird es Männern eben eher zugestanden, in einer Band Musik zu machen. Hesse: Frauen singen halt eher.Schürger: Genau, wenn ich erzähle, ich spiele in einer Band heißt es immer ‚ach du singst?’.Hesse: Das geht mir genauso. Am besten ist es aber immer noch, wenn ein Mann versucht, mich zu beeindrucken, indem er sagt, er spielt in ner Band und ich dann antworte ‚ich spiele auch in einer Band.’ (Lacht)
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