Mehr als Pata Pata

Musik Afrikas Stimme? Das ist weit mehr als Vuvuzela. Zumindest Musikzeitschriften widmen sich auch der vielseitigen Musikszene Afrikas, jenseits von Afrobeat und Pata Pata

Was mussten wir uns in den vergangenen Wochen alles anhören: Torgeschrei, Vuvuzelas, Schiedsrichterdisse und unerträgliche Schland-Blödeleien. Immerhin, dazwischen warfen Musikzeitschriften und Feuilletons einen Blick auf die Musikszene Südafrikas abseits lautstarker Tröten oder dem „Waka Waka“ einer hüftenschwingenden Shakira.



Denn auch wenn bytefm-Moderatorin Eva Garthe Musik aus Afrika den Konsenssound des Sommers nennt, das allgemeingültige Label „Worldmusic“ hat an Stempelfarbe verloren. Nun können wir zwischen Afrobeat und Kwaito unterscheiden, entdecken House- und HipHopszenen und freuen uns über Labels wie Outhere oder Strut die Compilations wie „Yes, we can“ oder „Next Stop Soweto“ vertreiben. Über den House-Sampler „Ayobaness“ zum Beispiel schreibt Jan Kühnemund auf ZEIT online, das Besondere am südafrikanischen House sei, „dass er mit Raps in Zulu, in Xosa, in Englisch oder einer Mischung mehrerer Sprachen befeuert wird.“ Elf Landes- und Amtssprachen böten „ungeahnte Möglichkeiten“.

Mehr als eine Popqueen

Zeit also, auch einen Blick auf die Musikerinnen des schwarzen Kontinents zu werfen. Und zwar auf diejenigen, die nicht dem Prädikat „Pop-Schönheit“ unterworfen werden, wie die vom Plattenmajor EMI ins Rennen geschickte Nádine, oder auch bereits erwähnte Shakira, die außerdem aus Kolumbien stammt. Denn dass auch Südafrika dem Anspruch des gängigen Popkommerzes unterliegt, zeigt die Gewinnerin des South African Music Awards, Lira. Da muss es doch mehr geben. Mehr als das und mehr als eine Miriam Makeba und ihren Afro-Evergreen „Pata Pata“.





Egal ob Makeba, „Lady Africa“ Margaret Singana oder Zulu-Prinzessin Magogo kaDinuzulu, nur selten gelang es afrikanischen Musikerinnen, den traditionellen Sound ihrer Heimat an den Geschmack moderner westlicher Popkultur anzugleichen, um auch außerhalb Afrikas bekannt zu werden. Auch Brenda Fassie, die „Prinzessin des Bubblegum“, wie Elma Smit die 2004 verstorbene Südafrikanerin im Musikexpress nennt, versuchte sich Mitte der 90er am Charts-Mainstream und wurde somit zur Queen of African Pop.

Als Queen of African HipHop dürfte die Senegalesin Sister Fa gelten, die mit ihrem Album „Sarabah - Tales From The Flipside Of Paradise“ nicht nur die Kehrseite des Paradieses demonstriert, in dem sie weibliche Genitalverstümmelung anprangert, sondern auch das De Rap Feminin International Festival in Guinea unterstützte. Auch wenn die Mittzwanzigerin zwischendurch in Berlin lebte und arbeitete, gilt sie als Repräsentantin weiblichen afrikanischen HipHops.

Die erfolgreiche Verbindung von seicht-belanglosem Pop mit afrikanischem Roots-HipHop hat die Sängerin Louise Carver aufgegriffen. Ihr Song „Warrior“ featured den HipHopper Zuluboy und bringt zwei bislang voneinander getrennte Welten afrikanischer Popmusik zusammen: Weißer Mainstream und schwarzer Underground.
Mehr am englischen Synthiepop orientiert ist Tamara Dey, bei der ich mich allerdings frage, ob sie ebenfalls auffallen würde, käme sie tatsächlich von der britischen Insel.

Rap aus Kapstadt

Denn trotz der veränderten Wahrnehmung der afrikanischen Musikszene in diesem Sommer, die wenigsten afrikanischen KünstlerInnen jenseits des Etiketts Weltmusik schaffen den Sprung in die Charts Europas oder gar der USA. Eine Ausnahme könnte das grell auftretende Trio aus Kapstadt, Die Antwoord sein. Mit ihrem Rap-Rave, dreckigen Texten in Englisch und Afrikaans sowie einer bewusst gepflegten Proleten-Attitüde könnten Die Antwoord auch nach der Fußballweltmeisterschaft in ihrem Hype überleben. Und das mit „100 Percent southafrican culture“, wie Rapper Ninja im Intro zum Video „Enter the Ninja“ frotzelt.



Verena Reygers, Jg. 1976, bloggt auf maedchenmannschaft.net und schreibt als freie Journalistin über Bands, Konzerte und neue Platten. Sie findet, Mädchen sollten wild und gefährlich leben, solange sie stets ein buntes Pflaster in der Tasche haben. Auf freitag.de schreibt sie in einer zweiwöchentlichen Kolumne über Frauen und Musik. Zuletzt von ihr erschienen: Sisterhood is power


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Geschrieben von

Verena Reygers

Musikfetischistin, Feministin, Blames it on the Boogie

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