Der große Vorsitzende hat bereits eine große Rede gehalten, hat eindreiviertel Stunden lang erklärt, warum Bayern der einzig lebenswerte Landstrich westlich des Himalaya ist, warum die CSU „erfolgreich als Partei und als Freistaat“ funktioniert und dieser mit „den Sozis“ keinesfalls in ähnlicher Weise florieren könnte. Im großen Finale hat sich Horst Seehofer sogar zu einem Lob seines Bundesverkehrsministers durchgerungen: „Peter Ramsauer macht eine sehr gute Arbeit für Deutschland und Bayern.“ Da bleibt dem derart Gerühmten, der Seehofers langwierige Ansprache grau und schmallippig durchlitten hat, selbst kaum noch etwas hinzuzufügen.
Siebenundfünfzig sei er, Müllermeister und Diplomvolkswirt, seit 2
rt, seit 24 Jahren verheiratet, Vater von vier Töchtern, früher CSU-Landesgruppenchef in Berlin und „jetzt mit Leib und Seele Verkehrs- und Bauminister“, sagt Ramsauer, als er in der Nürnberger Messe um Stimmen für seine Wiederwahl zum Vizeparteichef wirbt. Leicht ist es nicht. Denn Ramsauer hat einen starken Gegenkandidaten: den urbayerischen Parteirebellen Peter Gauweiler, der mit Querbürstigkeit und Eurokritik punktet. Und in den Augen seiner CSU-Kollegen ist Ramsauer doch nur ein bedauernswerter Tropf in der Berliner Diaspora, wo der bekennende Läufer und Skifahrer melancholisch das Fehlen jeglicher topografischer Erhebung beklagen und sich in den „schönsten Wahlkreis Deutschlands“ im Chiemgau zurücksehnen kann.Doch zwei Trümpfe hat Ramsauer: In Berlin sieht er sich als Sachwalter des Freistaats, der mit seinem Ministerium dafür sorgen kann, dass „das stärkste Land auch die stärkste Verkehrsinfrastruktur“ erhält. „Jede Unterstützung für mich ist auch eine Unterstützung unserer bayerischen Belange in Berlin“, ruft er den 800 Delegierten zu. Zudem präsentiert er sich mit seinem Plan einer PKW-Maut als Rächer des in Österreich und der Schweiz abgezockten bayerischen Autofahrers und als aufrechter Widerpart einer uneinsichtigen preußischen Kanzlerin samt ihrer FDP-Anhängsel. Die Strategie zieht. Ramsauer wird tatsächlich als Parteivize bestätigt – wenn auch knapp. Er bekommt 440 Stimmen, Gauweiler 419.Maut-Plan wieder in die SchubladeDamit dürfte der seit Monaten immer wieder aus der Schublade hervorlugende Maut-Plan vorerst seine Schuldigkeit getan haben. Zwar sprachen sich die Delegierten auf Ramsauers Vorlage hin für eine Autobahn-Jahresvignette aus. Doch findet die Idee außerhalb der Nürnberger Messehalle kaum Unterstützer. Der ADAC befürchtet Mehrkosten für den deutschen Autofahrer, die FDP ebenso. Kanzlerin Angela Merkel will deshalb das Fass nicht aufmachen. Die Grünen halten die Vignette für ökologischen Unsinn und eine sozialpolitische Zumutung, weil die pauschale Nutzungsgebühr Vielfahrer, Dreckschleudern und Großlimousinen bevorzuge. Eine „Flatrate fürs Rasen“ hat Grünen-Verkehrspolitiker Anton Hofreiter ausgemacht.Ramsauer aber argumentiert nicht mit Ökologie. Er brauche mehr Geld für Verkehrsinvestitionen, mahnt er unablässig – nicht nur die rund fünf Milliarden Euro jährlich in seinem Haushalt, sondern mindestens die Hälfte mehr. Auch vom Parteitag ist Ramsauer mit langen Wunschzetteln bayerischer Kommunalpolitiker heimgekehrt: „In meinem Notizblock stehen seit gestern nachmittag Verkehrsprojekte für fünf Milliarden Euro.“Zum anderen aber geht es nach Darstellung der CSU gar nicht um die Summe der Maut-Einnahmen, sondern um „Gerechtigkeit“. Es sei nicht einzusehen, dass deutsche Autofahrer überall in Europa Autobahngebühren zahlen müssten, die Ausländer hier aber nicht, findet auch Parteichef Seehofer. Folglich sollen zwar alle die Vignette kaufen, deutsche Autobesitzer dafür jedoch bei der Kfz-Steuer entlastet werden. Unterm Strich zahlen nach dem CSU-Plan also nur ausländische Autofahrer mehr. Allerdings tragen die nur fünf Prozent zur Kilometerleistung in Deutschland bei. Und zu erwarten wären Schätzungen zufolge nur etwa 300 Millionen Euro zusätzlich, abzüglich der Kosten für die Mauterhebung.Auf der Suche nach einem ThemaCSU-Versteher mutmaßen deshalb hinter Ramsauers Vorstoß einen oberschlauen Winkelzug des „Mister Bundestag 1991“, bei den anstehenden Haushaltsberatungen auch ohne Maut mehr Geld herauszuschlagen. Nicht fern liegt zudem der Gedanke, dass der seit zwei Jahren ohne nennenswerte Spuren amtierende Minister einfach auf der Suche nach einem Thema war. Bis auf die Vulkanasche-Krise im Frühjahr 2010 und seine Benennung zum „Sprachwahrer des Jahres“ ein Jahr darauf – Ramsauer hatte sich für die Eindämmung von Anglizismen im Amtsdeutsch eingesetzt, aber nicht, wie er versichert, für die bösartig kolportierte Umbenennung des „Laptop“ zum „Klapprechner“ – hat das dynamische Schaffen des Doktors der Staatswissenschaften zunächst kaum Widerhall gefunden. Bei den ersten Energiebeschlüssen der Regierung vor einem Jahr wurde er von Klimaschützern gar als Bremser kritisiert, weil er strikte Sanierungsauflagen für Altbauten verhinderte; und auch bei der Neuauflage nach dem Atomausstieg dieses Jahr zeigte Ramsauer wenig Engagement, als der Bundesrat seine Pläne für Steueranreize zur Altbausanierung stoppte.Aus der SPD wird gestichelt, es handele sich um einen tatenlosen Ankündigungsminister. Aber gut, Sozis eben. Tatsächlich sucht Ramsauer bereits neue Großthemen auf der Berliner Bühne. Die bei der Bahn gelegten Brandsätze verurteilte er als „Anschlag auf unsere Gesellschaft“ und kündigte an, die Verantwortlichen würden mit aller Härte zur Rechenschaft gezogen. Und auch die obstinaten Fluglotsen sind ein Fall für den Minister, der sich selbst gern als „Schlachtross“ bezeichnet. In letzter Minute stemmte er sich öffentlichkeitswirksam gegen einen Streik.