Es ist die traurige Geschichte des armen Stiefkinds in einer Großfamilie lautstarker Muskelprotze. Vernachlässigt von Eltern, die sich vor allem ums Geldverdienen kümmerten, hat das schmächtige Kerlchen nie seinen Platz in der Gesellschaft gefunden – trotz der treuen Sorge einiger ambitionierter Patenonkel und -tanten. Es gilt als hässlich, ja geradezu abstoßend, eine Art Klassenclown, der einmal im Jahr an die Tafel gestellt wird, damit sich alle prustend über ihn lustig machen können. Es ist irgendwie eine sehr altmodische Geschichte.
„Ein Traum wird wahr“, jubelte einst Focus, und unser elendes Etwas durfte sich für einen kleinen Moment Hoffnungen machen. „Das Drei-Liter-Auto ist greifbar nah.“ Das war 1994. Vergangene Woche, 18 Jahre später, titelten die Grünen: „Drei-Liter-Auto nicht in Sicht.“ Was nicht ganz fair ist, denn der verpönte kleine Schwächling ist ja bereits auf der Welt, wenn auch weit entfernt von der Blüte seines Seins. Deshalb präzisierte die Grünen-Fraktion in ihrer Mitteilung auch gleich: „Geht es nach der Autoindustrie, wird das Drei-Liter-Auto auch im Jahr 2020 noch nicht Pflicht sein, und das, obwohl Volkswagen mit dem Lupo 3L schon 1999 ein serienmäßiges Drei-Liter-Auto verkauft hat.“
Es geht um die Pläne von EU-Umweltkommissarin Connie Hedegaard, die unserer schwächlichen Hauptfigur zumindest etwas Selbstbewusstsein anfüttern sollen in seiner Sippe von dicken Limousinen, SUVs und anderen Spritsäufern. Bis 2020 soll der durchschnittliche Kohlendioxid-Ausstoß der in Europa neu zugelassenen Autos von heute 137 Gramm pro Kilometer auf 95 Gramm gedrosselt werden. Die deutsche Autoindustrie ächzt bereits vorsorglich. „Der für 2020 vorgeschlagene PKW-Flottenwert von 95 Gramm CO2 ist sehr ambitioniert und erfordert erhebliche technische Anstrengungen“, erklärt ihr Präsident Matthias Wissmann. Gerd Lottsiepen vom Verkehrsclub Deutschland findet allerdings: „Die Zielvorgabe von 95 Gramm pro Kilometer ist wenig ambitioniert.“
Euphorie verpufft
Der VCD verlangt stattdessen einen künftigen Grenzwert von 80 Gramm, was einem Verbrauch von drei Litern Diesel oder 3,4 Litern Benzin entspräche. Das Drei-Liter-Auto wäre damit erstmals Klassenprimus statt Lachnummer, seine aufgeblasenen Kollegen, die heute neu zugelassen im Schnitt 5,3 Liter Diesel und sechs Liter Benzin schlucken, sähen ganz schön alt aus. Die Grünen sekundieren: „Wir werden jetzt Druck machen, dass der Vorschlag der EU-Kommission im Verfahren mit dem Rat und dem Europäischen Parlament noch verschärft wird.“
Die bisherige Biografie des Drei-Liter-Autos lässt allerdings erahnen, dass noch einiges dazwischenkommen könnte. Es war kein Zufall, dass Focus ausgerechnet Mitte der neunziger Jahre die Morgendämmerung der Effizienzrevolution aufziehen sah. Brüssel visierte 1995 einen verbindlichen Grenzwert von 120 Gramm pro Kilometer für 2012 an, was die Entwickler von Spritspartechnologie auf Touren brachte. Greenpeace startete 1996 eine Kampagne für den Drei-Liter-Renault Twingo Smile. Audi und VW bastelten ebenfalls an ersten Serien-Modellen mit Miniverbrauch. 1999 kam dann der besagte Lupo 3L als „erster vollwertiger Pkw mit drei Litern Verbrauch“ auf den Markt, wie sich Volkswagen brüstete. Audi schaffte das Soll im selben Jahr mit dem Audi A2 1.2 3L TDI.
Die fifteen minutes of fame des kleinen Spritsparstars waren zu dem Zeitpunkt allerdings schon wieder vorbei. Die EU entlüftete ihre zur Drohung aufgeblasenen Backen 1998 kleinlaut und legte den verbindlichen Grenzwert zu den Akten. Stattdessen verließ sie sich auf eine Selbstverpflichtung der europäischen Autoindustrie, die Emissionen ihrer Neuwagen bis 2008 freiwillig auf 140 Gramm zu senken. Zehn Jahre später lag der tatsächliche Wert allerdings bedauerlicherweise etwas höher: Rund 160 Gramm pro Kilometer pusteten Neuwagen 2007 in die Luft, bei deutschen Modellen waren es im Schnitt sogar mehr als 170 Gramm.
Und unser wackerer kleiner Schützling? 2005 stellten VW und Audi die Produktion ihrer Drei-Liter-Modelle Lupo und A2 ein. Die jährlich rund 5.000 verkauften Exemplare des Lupo waren Volkswagen zu wenig. Nur Trendsetter interessierten sich für das Auto, hieß es. Trendsetter mit dicker Brieftasche, könnte man anfügen. Denn mit gut 15.000 Euro Basispreis dürfte der Lupo als eine Art Rolls Royce der Kleinstwagenklasse in die Geschichte eingehen. Wer danach unbedingt ein deutsches Drei-Liter-Auto wollte, dem blieb noch die antike BWM Isetta, die den Verbrauchsstandard immerhin schon 1955 schaffte.
Hoffnung Spritpreis
So kann es nicht weitergehen, polterte 2007 der damalige EU-Umweltkommissar Stavros Dimas und wollte nun ernst machen: ein 120-Gramm-Grenzwert für Neuwagen 2012. Doch erreichte die deutsche Autoindustrie mithilfe des damaligen EU-Kommissars Günter Verheugen und Kanzlerin Angela Merkel einen anderen Beschluss: 130 Gramm. Und das auch erst 2015. Und gestaffelt nach Autogewicht, zugunsten deutscher Hersteller. Derzeit liegen deutsche Neuwagen nach Wissmanns Worten bei 142,4 Gramm pro Kilometer.
Der VDA-Chef spricht von „sehr guten Erfolgen“ und mahnt, die deutschen Premium-Hersteller nun ja nicht zu scharf ranzunehmen. Ohne Premium sei der europäische Automarkt nicht denkbar. Tatsächlich scheint die Strategie deutscher Limousinen-Schmieden aufgegangen zu sein. Der französische Konzern PSA schafft zwar mit rund 130 Gramm einen deutlich besseren Wert, muss aber wegen Absatzflaute 8.000 Stellen streichen – während Daimler im ersten Quartal 1,4 Milliarden Euro Gewinn machte. Opel, mit dem Elektro-Ampera ökologisch ganz vorn, krepelt wirtschaftlich vor sich hin.
Dennoch scheint die Karriere des vernachlässigten Stiefkinds noch nicht völlig verpfuscht – im Gegenteil. Selbst der lasche Grenzwert für 2015 habe einen regelrechten Effizienzboom ausgelöst, meint der VCD. Die hohen Spritpreise tun ein Übriges. Auf der diesjährigen Umweltliste des Verbands stehen bereits zehn Autos, die den für 2020 angedachten 95-Gramm-Grenzwert unterschreiten, darunter mit dem Smart cdi und dem VW Polo TDI Bluemotion zwei deutsche Wagen und mit dem Toyota Prius Hybrid auch einer, mit dem sich mehr als zwei kleingefaltete Mitteleuropäer gleichzeitig fortbewegen können.
Kommentare 4
die klimakatastophe und mal kurz die welt retten hat ein falsches ziel. angie merkel und ihre disinformation propaganda bataillone und partner weltweit belügen und verarschen die armen völker. die wirkliche klima-katastrophe findet im wesentlichen statt im sozialbereich! das klima haben die neo-liberalen aus cdu und spd und grünen und fdp so konsequent verkrebst und versaut zugunsten der parasiten und asozialen von oben dass keine abhilfe möglich erscheint. gier und neid und entfesselter menschlicher dreck wurde zum ideal und zur richtschnur erhoben... das sind unsere ideale und vorbider. die wahrheit wollt ihr nicht hören...ihr seid genau so im gewalttätigen mittelalter befangen wie zb. die taliban! und fühlt euch dabei noch überlegen und super-liberal...kotz-brech!..hehe
Individualmobilität ist ein wunderbares Beispiel für die beschränkte Art zu denken.
Die wohl archaische Eigenart, sich möglichst protzend seinen Artgenossen präsentieren zu müssen, führte tatsächlich dazu, immer schwerere, schnellere und "eindrucksvollere" Automobile im Massenverkauf absetzen zu können.
Man könnte nun argumentieren, die Konsumenten würden von der Werbung zum Kauf von solch dümmlichen Gefährten animiert - aber hat Werbung soviel Macht den Trend in eine dermaßen idiotische Richtung zu lenken?
Der Audi A2, der Lupo, der Smart - sie kamen - als das Umfeld für Kleinwagen günstig schien, doch selbst da konnten sie sich nicht durchsetzen - Ärzte, Anwälte - das ganze Bildungsbürgertum fuhr weiter Daimler, Porsche, etc. - manch einer leistete sich so ein effizientes Fahrzeug als Dritt- oder Viertwagen - und fuhr damit vielleicht mal so aus Spaß auf den Parkplatz der Clubanlage.
Wir werden wohl in der Tat erst dann andere Mobilitätskonzepte bekommen, wenn die Not so groß ist, dass keine Wahl bleibt.
Der Mensch könnte längst mit einem Zehntel des bisherigen Outputs an Emmission Individualmobilität in der Breite - d.h. für alle Menschen auf dieser Welt - zur Verfügung haben - dem steht aber sein Hang zur sozialen Hackordnung gegenüber und das Auto ist eine Art Kopfschmuck - 2 tonnen die auf dem Hirn liegen und das Denken extrem erschweren.
mangel an vernunft und gewissen, bei einem überschuss an freiheit, die unser oberster gauck so preist. das erklärt den straßenverkehrszustand.
aber wo, in welcher weltregion herrscht eine andere, eine bessere politik?
wer 4000 tote pro jahr gern in kauf nimmt, der wird sich doch nicht ums klima scheren, das außerdem woanders die größten purzelbäume schlägt.
autoindustrie und verkehrspolitik machen verkehrt politik.
Hello,
schön dass man mal wieder auf eine sentimentale Zeitreise gehen konnte. Was war das für ein Hype um das 3 Liter Ding.
Es waren nicht 3,5 Liter, auch nicht 3,127 oder 2,239 Liter, es waren genau 3,00 Liter.
Dann waren da noch die Selbstverpflichtungen der Industrien als Hauptmerkmal des neoliberalen 90'er Gedöns. Aber das zieht ja auch heute noch..., Deutschland AG und so.
Meine damalige faire Lady kaufte sich mitte der neunziger einen Audi A4 TDI, Mörder-Ding mit Turbo u. Dieselzersteubung in die Brennkammer (wenn ich TDI richtig verstehe). Wenn beim Kick-Down des Pedals sich zur Hilfe der Turbo hinzugesellte, gabs ein feines Pfeifen - eher fiepen, u. das KFZ spurtete, dass es nur so eine Art hatte. Ich war der King zwischen Lyon u. Ars Laquenexy, 230 war eine zügige Reisegeschwindigkeit. Da ich mich der Lichtgeschwindigkeit näherte erschienen mir hübsche Landschaften mit einem Blaustich. Bei der Ankunft war ich jedesmal jünger als bei der Abfahrt.
Aber, was ich sagen will, das war 1995. Und wenn man achtsam fuhr kam man mit eine Tankfüllung bis Djerba. Es stand auch so im Display: Reichweite 1300 Kilometer.
Also, gibts nicht viele 3l Autos? Heute u. damals schon?
Wenn nur die Regierung regiere, festschriebe dass man nur 100 km/h führe, wären dann unsere Omas Katzen? SUV könnten doch ebenso wie Waffen, Plutonium, Pädophile & Politiker kontrolliert u. geregelt werden. Industrien sind ungebunden Räuberbanden, so wie ich damals mit Mach-zwei.
Und die Bündnisgrünen.. die Grünen.. wo haben wir die?