In Erklärungsnot

Protest Das Occupy-Camp an der Europäischen Zentralbank in Frankfurt am Main steht auf der Kippe. Wird es überhaupt noch gebraucht?
Die Debatte über Occupy dreht sich zu sehr um Äußerlichkeiten
Die Debatte über Occupy dreht sich zu sehr um Äußerlichkeiten

Foto: Daniel Roland / AFP / Getty Images

Knapp 300 Tage schon harren die Occupy-Aktivisten im Schatten der Europäischen Zentralbank in Frankfurt am Main aus. Nun sollen Gerichte entscheiden, ob sie noch bleiben dürfen. Die wegen der „hygienischen Verhältnisse“ am Willy-Brandt-Platz angedrohte Auflösung des Zeltlagers ist bis mindestens Anfang nächster Woche vertagt.

Dem Regierenden im Frankfurter Römer verschafft das erstmal Luft. Denn die forsche Ankündigung des CDU-Ordnungsdezernenten Markus Frank, die Grünanlage zu räumen, brachte den erst im März gewählten SPD-Ober-bürgermeister Peter Feldmann in Erklärungsnot.

Können unbezahlte Müllgebühren und ein paar Ratten im Park wirklich als Vorwand dienen, den exponierten Außenposten einer globalen Protestbewegung dicht zu machen? Und was ist das für ein Argument, statt politisierter Jugendlicher seien dort inzwischen hauptsächlich Obdachlose und Roma? Dürfen die etwa nicht gegen Bankenmacht auf die Straße gehen? Da ist einiges völlig verquer.

Dennoch: Feldmann hat recht mit der Kritik, dass die ganze Debatte vom Wesentlichen weggedriftet ist. „Derzeit wird nur über Fristen und Ultimaten oder Dreck und Hygiene gesprochen statt über politische Inhalte“, kritisiert er. „Das ist der falsche Weg.“ Wichtig sei, dass die Diskussion über die Finanzkrise weiter gehe. Genau.

Durchsichtige Motive

Und da muss sich die Occupy-Bewegung selbst fragen, was sie derzeit dazu beiträgt. Das durchsichtige Motiv einiger Stadtoberen, missliebige Subjekte aus dem Zentrum der Bankenmetropole zu vertreiben, enthebt die Bewegung nicht der eigenen Sinnsuche.

Es wird in Deutschland pausenlos über die Euro- und Finanzkrise geredet, die sich zuspitzende Lage haarklein und minutengenau und der jeweiligen Interessenlage gemäß analysiert – aber Occupy und die Argumente der 99 Prozent dringen in der Debatte kaum durch. Die Bewegung, die vergangenes Jahr auf den Straßen Aufbruch stiftete, scheint ebenso im Abseits auszutrudeln wie die Hoffnung auf grundsätzliche Reformen. Es ist Zeit, dagegenzuhalten. Wenn es einen Sinn haben soll, dass die Zelte am Willy-Brandt-Platz bleiben, dann müssen Inhalte sie füllen.

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Geschrieben von

Verena Schmitt-Roschmann

Verena Schmitt-Roschmann ist Ressortleiterin Politik des Freitag.

Verena Schmitt-Roschmann

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